Sprachforschung wendet sich Namengebung deutscher Unternehmen zu
28.06.2011
Von Haarmanns Vanillinfabrik zu Symrise, von KarstadtQuelle zu Arcandor: Die Namen deutscher Unternehmen haben in den letzten 160 Jahren einen rasanten Wandel durchgemacht. Fanden sich früher oft die Gründer in der Unternehmensbezeichnung wieder, so treten heute Fantasienamen an ihre Stelle. Aber nicht nur das: Die Namen sind insgesamt kürzer, klangvoller, intransparenter und internationaler geworden. Zudem zeichnen sie sich immer häufiger durch bewusste Verstöße gegen grammatische Regeln aus, indem etwa völlig zusammenhanglose Wortsplitter zu neuen Bezeichnungen kombiniert werden. "Die Namengebung bei Unternehmen hat sich dramatisch verändert", so Fabian Fahlbusch von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) mit einem Hinweis darauf, dass die Wahl des richtigen Namens für ein Unternehmen von elementarer ökonomischer Bedeutung ist.
Der Germanist, der im Nebenfach Betriebswirtschaftslehre studiert hat, untersuchte den Wandel der Namengebung anhand der 160 wichtigsten an der Frankfurter Börse notierten Aktiengesellschaften (Dax-, MDax-, SDax- sowie TecDax-Werte) – und zwar seit deren Gründung, sodass aufgrund der knapp 300 Umbenennungen insgesamt über 450 Namen auf den Prüfstand kamen. "Am auffälligsten ist sicherlich, dass heute in fast 80 Prozent der Fälle Fantasienamen zu finden sind", erklärt Fahlbusch. Sie ersetzen die früher sehr beliebten Personalfirmen. "Als Garant für Erfahrung und Qualität hat der Hinweis auf Unternehmensgründer ausgedient, stattdessen versucht man, mit kreativen Bezeichnungen positive Assoziationen auszulösen", so der Sprachwissenschaftler. Typisches Beispiel hierfür ist die Umbenennung von Haarmanns Vanillinfabrik in Symrise – ein Name, der Sympathie und Aufstieg anklingen lässt.
Neben dem Benennungsmotiv hat Fahlbusch sieben weitere Kriterien aufgestellt, die den Wandel der Unternehmensnamen dokumentieren. Es zeigt sich, dass immer mehr Firmen Besonderheiten im Schriftbild aufweisen, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Der Anteil dieser sog. Attraktoren wie bspw. die durchgängige Großschreibung ist seit den Anfängen um fast das 14-fache gestiegen. Elemente aus Fremdsprachen haben ebenfalls deutlich zugenommen und spiegeln die fortschreitende Globalisierung wider. Dabei kommen heute verstärkt englische Wortbestandteile zur Anwendung, doch weiterhin auch griechische und lateinische, was nach Einschätzung des Mainzer Germanisten eine gewisse Seriosität suggerieren soll. Gleichzeitig sind die Namen im Schnitt um rund 3 Silben beziehungsweise mehr als ein Wort kürzer geworden.
Viele Veränderungen treten besonders deutlich ab den 1970er-Jahren hervor, etwa beim Klang eines Namens. "Früher hat man der Sonorität keine Beachtung geschenkt. Aber seit 40 Jahren werden die Unternehmensnamen, wie die Rufnamen übrigens auch, immer weicher", konstatiert Fahlbusch. Zu weich dürfen die Bezeichnungen allerdings auch nicht klingen, damit sie nicht zu niedlich wirken. Alles in allem beobachtet der Sprachforscher einen signifikanten, kontinuierlichen Wandel, der sich mit dem Bestreben der Unternehmen, einen möglichst individuellen und idealen Namen zu tragen, erklären lässt.
Aber kommt diese Absicht, über den Namen Image und Renommee zu vermitteln, auch bei der Bevölkerung an? Welche Namentypen finden Anklang? Beeinflussen sie Anlageentscheidungen? Fahlbusch hat dazu eine neue Untersuchung gestartet: In einer repräsentativen Umfrage sollen Teilnehmer aus 7 Altersgruppen zwischen 14 und 89 Jahren unter anderem 105 Unternehmensnamen beurteilen. Erste Ergebnisse zeigen, dass Senioren erwartungsgemäß vertrauensbildende Signale im Namen von Banken schätzen, während Alt und Jung gleichermaßen kreative Bezeichnungen für Computerhersteller bevorzugen. Eine Frage zu Investitionsentscheidungen ergibt, dass der "richtige" Name ungefähr 70 mal so viel Kapital bei einem Börsengang einsammeln würde wie der "falsche". "Daran sieht man, welche immense Bedeutung Namen haben", so der Germanist.
Wie ein guter Unternehmensname gebildet wird, kann Fahlbusch anhand der acht Kriterien auch für die Praxis aufzeigen. Anfragen werden vor allem bei Neugründungen an ihn gerichtet. "Man kann bei der Namenwahl wahnsinnig viel falsch machen. Da empfiehlt es sich, sensibel zu sein und genau zu prüfen."
Fahlbusch ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter am DFG-Projekt "Deutscher Familiennamenatlas (DFA)" unter der Leitung von Prof. Dr. Damaris Nübling beteiligt. Bereits in seiner Magisterarbeit hat er über Unternehmensnamen geforscht und verfolgt diesen Ansatz nun in seiner Doktorarbeit weiter.