Brennpunkt Mainzer City – Langzeitstudie zur Entwicklung der Innenstadt 2011

Teil IV: Veränderungen des Passantenverkehrs im Mainzer Stadtzentrum

05.12.2011

Das Geographische Institut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) führt seit 2003 eine Langzeitstudie zur Entwicklung der Stadtzentren von Mainz und Wiesbaden durch. Im Abstand von 2 Jahren befragen und zählen Geographiestudierende unter Leitung von Prof. Günter Meyer Passanten in den Mainzer und Wiesbadener Hauptgeschäftsstraßen. Im Rahmen der "Stadt der Wissenschaft" fand diese Untersuchung in Zusammenarbeit mit dem Amt für Stadtentwicklung im Juni 2011 zum 5. Mal statt. Wie bei allen früheren Erhebungen erfolgten die Fußgängerzählungen auch 2011 am Donnerstag nach Pfingsten. Von 10 Uhr bis 16:10 Uhr wurden die Passanten an 43 Standorten in der Mainzer Innenstadt jeweils zur vollen Stunde 10 Minuten lang gezählt. Die Ergebnisse sind in den beigefügten Karten der aktuellen Verteilung der Passantenströme in der Mainzer Innenstadt und der Veränderungen der Fußgängerzahlen zwischen 2009 und 2011 abgebildet.

Verlagerung der Fußgängerströme zulasten von Römerpassage und Karstadt

In den letzten 2 Jahren lassen sich deutliche Verlagerungen des Passantenverkehrs im Mainzer Stadtzentrum feststellen. Verlierer sind 2 der 3 Eckpfeiler des Tripol-Konzepts in der Innenstadt. Nur das Brand-Zentrum konnte seine Position weitgehend behaupten. Den Spitzenrang mit der höchsten Passantenzahl nimmt weiterhin der Kardinal-Volk-Platz ein. Setzt man diesen Wert gleich 100 Prozent, erreicht das Brand-Zentrum einen Anteil von 82 Prozent, der Osteingang der Römerpassage 68 Prozent und die Ludwigstraße in Höhe Karstadt 66 Prozent des Maximalwerts.

Bei den jüngsten Untersuchungen waren rund 7 Prozent weniger Besucher in die Innenstadt gekommen als bei den Erhebungen 2 Jahre zuvor. Berücksichtigt man diese durchschnittliche Abnahme des Passantenverkehrs, so hat vor allem die Römerpassage mit der anschließenden Lotharstraße einen Einbruch der Fußgängerzahlen erfahren, der mit einem Minus von 18 Prozent weit stärker ausfällt als der Durchschnitt aller Zählstellen. Aber auch das Gebiet um Karstadt und der östliche Teil der Ludwigstraße bis zum Schillerplatz verzeichnen eine relativ starke Abnahme der Passanten um bis zu 19 Prozent.

Dagegen lässt sich im Bereich der City-Meile für die Seppel-Glückert-Passage sowie für den Flachsmarkt, die Große Bleiche, den südlichen Bereich der Augustinerstraße und die Gaustraße eine Zunahme der Passantenzahlen feststellen. In allen Fällen waren 2009 weit überproportional starke Rückgänge zu verzeichnen, die jetzt zum Teil wieder ausgeglichen werden.

Völlig aus dem Rahmen fällt dagegen der Anstieg um 152 Prozent in der Korbgasse. Angesichts der extrem geringen Passantenzahlen vor dem Umbau in eine ursprünglich als "Luxusmeile" deklarierte Einkaufsstraße ist dieser enorme Anstieg allerdings nicht überraschend, zumal auch nach dem Bezug der neuen Läden nur ein Anteil von 8 Prozent am Höchstwert des Fußgängerverkehrs erreicht wird.

Sinkende Besucherzahlen in Mainzer Innenstadt bei gleichzeitigem Anstieg in Wiesbaden

Vergleicht man die Ergebnisse der Mainzer Zählungen mit den entsprechenden in Wiesbaden durchgeführten Erhebungen, so steht einem Rückgang der Besucherzahlen an allen Mainzer Zählstellen um durchschnittlich 7 Prozent in den letzten 2 Jahren ein Anstieg von 8 Prozent in Wiesbaden gegenüber. Hier zeigt sich eine gegenläufige Entwicklung in den beiden Landeshauptstädten, die in dieser Größenordnung kaum zu erwarten war, aber durchaus die City-Entwicklung zum Nachteil von Mainz und zum Gewinn für Wiesbaden widerspiegelt: Beim Vergleich der prozentualen Veränderungen der Passantenwerte an allen Zählstellen hatte Mainz zwischen 2003 und 2005 mit einem Vorsprung von 7 Prozent deutlich besser abgeschnitten als Wiesbaden. Auch zwischen 2005 und 2007 führte Mainz noch mit 6 Prozent vor der Nachbarstadt. Danach jedoch wendet sich das Blatt: Bereits 2009 schneidet Wiesbaden im zweijährigen Vergleich der Besucherentwicklung um 4 Prozentpunkte und bei der jüngsten Erhebung sogar um 15 Prozent besser ab, als die Mainzer Innenstadt. In der Zwischenzeit ist in Wiesbaden der Umbau der Hauptgeschäftsstraßen weitgehend abgeschlossen, und das neue Einkaufszentrum Luisenforum trägt ebenfalls zur Attraktivitätssteigerung des dortigen Stadtzentrums bei. In Mainz hat es dagegen in den letzten Jahren keine gravierende Verbesserung der innerstädtischen Einkaufssituation gegeben.

Dies bestätigen auch die Ergebnisse der vergleichenden Befragungen von jeweils mehr als 2000 City-Besuchern in den beiden Nachbarstädten. Wie in den früher veröffentlichen Teilen der Studie gezeigt werden konnte, sind immer mehr der in Mainz Befragten der Ansicht, dass die Wiesbadener Innenstadt attraktiv ist und sich das dortige Einzelhandelsangebot in den letzten Jahren so erheblich verbessert hat, dass inzwischen mehr Mainzer nach Wiesbaden zum Einkaufen fahren als umgekehrt.

"Wiesbaden hat es geschafft, die Attraktivität seines Stadtzentrums und das innerstädtische Einzelhandelsangebot in den letzten Jahren so zu verbessern, dass dort mehr Kunden angezogen werden. Dagegen stagniert die Innenstadtentwicklung in Mainz weitgehend. Rückläufige Besucherzahlen sind die Folgen", fasst Meyer die Ergebnisse zusammen. "Wenn es nicht schnellstmöglich gelingt, den negativen Entwicklungstrend in Mainz durch eine erhebliche Attraktivitätssteigerung der Innenstadt zu stoppen, etwa durch den Bau eines neuen Einkaufszentrums, werden stark zunehmende Verluste an Kunden und Kaufkraft unvermeidbar sein."