Brennpunkt Mainzer City – Langzeitstudie zur Entwicklung der Innenstadt 2011

Teil VI: Was stört Innenstadtbesucher in Mainz und Wiesbaden?

12.12.2011

Das Geographische Institut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) führt seit 2003 eine Langzeitstudie zur Entwicklung der Stadtzentren von Mainz und Wiesbaden durch. Im Abstand von 2 Jahren befragen Geographiestudierende unter Leitung von Prof. Dr. Günter Meyer in der Mainzer und Wiesbadener City jeweils mehr als 2.000 Passanten nach ihrem Einkaufsverhalten und ihrer Beurteilung der beiden Innenstädte. Im Rahmen der "Stadt der Wissenschaft" fand diese Untersuchung in Zusammenarbeit mit dem Amt für Stadtentwicklung im Juni 2011 bereits zum 5. Mal statt.

In der Mainzer und Wiesbadener City wurden die Passanten unter anderem gefragt: "Was stört Sie am meisten in der Mainzer/Wiesbadener Innenstadt?" Die Frage wurde bewusst offen gestellt, das heißt ohne Antwortvorgaben, um so ein breites Spektrum der individuellen Meinungen zu erfassen. Im Folgenden werden die Ergebnisse der Befragungen miteinander verglichen, die jeweils in der Pfingstwoche im Juni 2009 und 2011 von Donnerstag bis Samstag in den beiden Städten durchgeführt wurden.

Was stört am meisten in der Mainzer und Wiesbadener Innenstadt?

In der folgenden Liste beziehen sich die roten Zahlen auf Mainz, die blauen auf Wiesbaden; vor dem Querstrich stehen die Angaben für 2011, dahinter für 2009. Die eingeklammerten Zahlen geben die Prozentanteile der befragten Passanten an, die den jeweiligen Störfaktor genannt hatten.

Rang 1/1 // 1/1: Mängel im Einzelhandel der City (19,6/25,8 // 20,3/35,2)

  • Ramsch- und Billigläden (6,5/10,0 // 4,1/11,5)
  • Unzureichende Auswahl und Qualität (4,1/7,4 // 3,8/4,6)
  • Zu viele Filialgeschäfte, Monotonie im Angebot (3,1/1,8 // 5,6/7,7)
  • Zu wenige Fachgeschäfte und Boutiquen (2,0/2,3 // 1,5/5,2)
  • Alteingesessene Geschäfte schließen (1,0/1,4 // 1,0/1,3)
  • Leer stehende Läden (1,0/1,6 // 0,7/0,7)


Rang 2/5 // 8/8: Parksituation (10,4/8,7 // 3,5/7,8)

  • Zu hohe Parkgebühren (5,1/3,6 // 1,0 /0,6)
  • Unzureichendes Parkplatzangebot (5,0/4,0 // 2,2/2,3)


Rang 3/3 // 7/7: Verkehr (10,0/9,5 // 4,0/4,5)

  • Zu viel Verkehr in der Innenstadt (3,2/3,8 // 1,8/2,2)
  • Radfahrer in der Fußgängerzone (2,5/2,6 // 0,7/0,6)
  • Zu wenige und schlechte Radwege (1,4/0,4 // 0,5 /0,3)
  • Busse in der Ludwigstraße (1,2/0,5 // 0/0)


Rang 4/2 // 9/9: Struktur der City (9,5/11,5 // 2,7/2,6)

  • Zu weitläufige City mit zu großen Distanzen (3,4/5,5 // 0,4/1,1)
  • Unzusammenhängende, unübersichtliche Struktur der City (2,5/3,8 // 0,4/0,3)
  • Zu enge Innenstadt (1,6/1,2 // 0,8/0,7)


Rang 5/4 // 6/5: Gravierende Mängel in Architektur, Baustil, Gebäudeerhaltung (7,9/9,5 // 4,4/6,2)


Rang 6/6 // 2/2: Mangelhafte Sauberkeit (6,6/6,4 // 15,3/12,9)

  • Durch Abfall verschmutzte Straßen und Plätze (3,9/1,4 // 12,7/9,8)
  • Verunreinigung durch Tauben (0,5/1,0 // 0,8/1,8)


Rang 7/7 // 4/4: Atmosphäre in der Innenstadt (4,3/6,2 // 9,8/12,5)

  • Zu voll, zu viele Menschen (1,1/1,4 // 1,6/1,3)
  • Unfreundliche, spießige, hektische Menschen (0,7/0,9 // 2,2/2,9)
  • Zu viel Lärm (0,5/1,2 // 1,0/1,5)
  • Kein Flair, provinziell, verschlafen, langweilig, austauschbar (0,5/1,8 // 0,5/3,4)
  • Trist, kalt, grau, ungemütlich (0,3/0,4 // 1,0/2,3)


Rang 8/9 // 11/10: Zu wenig Bäume und Grünflächen (3,0/4,3 // 2,1/2,5)

Rang 9/10 // 5/6: Gesellschaftliche Randgruppen (3,0/2,2 // 7,0/5,3)

Rang 10/8 // 3/3: Belästigungen durch Baustellen und -lärm (1,9/5,6 // 10,9/12,6)

Rang 11/12 // 12/12: Zu wenig Sitzgelegenheiten (1,9/1,4 // 1,8/1,3)

Rang 12/11 // 10/11: Mängel in der Gastronomie (1,5/2,1 // 2,5/1,7)

  • Zu wenig (Eis-) Cafés (0,8/0,9 // 1,2/1,0)

Hauptkritik am Einzelhandelsangebot in der Innenstadt

Die meiste Kritik entzündet sich an Mängeln im City-Einzelhandel. Jeder fünfte Besucher der Mainzer Innenstadt (19,6 Prozent) stört sich bei der jüngsten Erhebung daran. Der Spitzenwert bedeutet jedoch eine deutliche Abnahme der Kritik im Vergleich zur vorhergehenden Untersuchung im Jahr 2009: Damals wurde der Störfaktor sogar von mehr als einem Viertel der Passanten genannt (25,8 Prozent).

Unter den verschiedenen Mängeln, die in dieser Kategorie zusammengefasst werden, ragt vor allem die Kritik an Ramsch- und Billigläden hervor (6,5 Prozent). Hier ist ebenfalls ein erheblicher Rückgang zu verzeichnen gegenüber 2009, als sich noch jeder Zehnte an solchen wenig attraktiven Geschäften störte.

Nahezu um die Hälfte hat auch die Kritik an der unzureichenden Auswahl und der Qualität des Einzelhandelsangebots abgenommen, wie der Rückgang von 7,4 Prozent auf 4,1 Prozent zeigt.

Dagegen wird häufiger kritisiert, dass es zu viele Filialgeschäfte in der Innenstadt gibt und damit die Monotonie im Angebot wächst (3,1 Prozent). Diese Entwicklung steht in engem Zusammenhang mit dem Bedauern über die Schließung von alteingesessenen Geschäften (1,0 Prozent). Bemängelt wird außerdem, dass es zu wenige Fachgeschäfte und Boutiquen gibt (2,0 Prozent) und manche Läden in der Innenstadt leer stehen (1,0 Prozent).

Vergleicht man die Mainzer Ergebnisse mit den in der Wiesbadener Innenstadt erhobenen Daten, so fällt dort vor allem die noch stärkere Abnahme der Kritik am Einzelhandelsangebot auf. Störte sich daran vor zwei Jahren noch mehr als ein Drittel aller Passanten (35,2 Prozent), so nimmt jetzt nur noch jeder Fünfte daran Anstoß (20,3 Prozent). Dieser positive Trend spiegelt sich auch wider in der besseren Benotung des Einzelhandels in der Wiesbadener City, wie bereits im Teil III der Untersuchungsreihe gezeigt werden konnte. Während vor zwei Jahren die Kritik am Einzelhandelsangebot in Wiesbaden noch wesentlich stärker war als in Mainz, liegen jetzt die beiden Nachbarstädte auf gleicher Höhe.

Zunehmende Klagen über Parksituation

Vor zwei Jahren rangierte die Kritik an der innerstädtischen Parkplatzsituation in Mainz noch auf Platz 5 (8,7 Prozent). Inzwischen wird dieser Störfaktor am zweithäufigsten genannt (10,4 Prozent). Die negative Beurteilung richtet sich in gleichem Maße gegen die zu hohen Parkgebühren (5,1 Prozent) und das unzureichende Parkplatzangebot (5,0 Prozent).
Gegenläufig zum Mainzer Trend haben in Wiesbaden die Klagen über die Parksituation in den letzten zwei Jahren um mehr als die Hälfte abgenommen (von 7,8 Prozent auf 3,7 Prozent) und erscheinen erst auf Rang 8 der Störfaktoren.

Kritik am innerstädtischen Verkehr

Die Kritik am Verkehr in Mainz nimmt den dritten Rang ein und weist eine leichte Zunahme auf (von 9,5 Prozent auf 10,0 Prozent). Geklagt wird vor allem über den zu starken Verkehr in der Innenstadt (3,2 Prozent), insbesondere in der Ludwigsstraße, wo der Busverkehr als störend empfunden wird (1,2 Prozent). Die Kritik über Radfahrer in der Fußgängerzone liegt etwa auf dem gleichen Niveau (2,5 Prozent) wie bei der vorherigen Erhebung. Zugenommen haben dagegen hat der Unwille der Passanten über zu wenige und zu schlechte Radwege (von 0,4 Prozent auf 1,4 Prozent).
In Wiesbaden wird der Verkehr nicht einmal halb so häufig kritisiert (4,0 Prozent) wie in Mainz und erscheint dort nur an siebter Stelle der Hauptkritikpunkte.

City-Struktur stört weniger

Die Klagen über die Struktur der Mainzer City sind seltener geworden (von 11,5 Prozent auf 9,5 Prozent) und vom zweiten auf den vierten Platz zurückgefallen. Die Innenstadtbesucher stören sich daran, dass die City zu weitläufig ist und die Distanzen zu groß sind (3,4 Prozent). Bemängelt werden auch die nicht zusammenhängende und unübersichtliche Struktur der City (2,5 Prozent) und die zu enge Innenstadt (1,6 Prozent).

Klagen über bauliche Strukturen und Sauberkeit

Gravierende Mängel in der Architektur, im Baustil und beim der Erhaltung der Gebäude in der Mainzer Innenstadt werden seltener als genannt (von 9,5 Prozent auf 7,9 Prozent). Auf gleichem Niveau wie zwei Jahre zuvor bewegen sich dagegen die Klagen über mangelhafte Sauberkeit im Stadtzentrum (6,6 Prozent). Dieses Problem wird von Innenstadtbesuchern in Wiesbaden noch als wesentlich gravierender empfunden. Durch Abfall verschmutzte Straßen und Plätze, speziell Verunreinigungen durch weggeworfene Zigarettenkippen und Kaugummi, Tauben- und Hundekot sowie überfüllte oder fehlende Abfallbehälter und Aschenbecher verärgern dort mit steigender Tendenz so viele Passanten (von 12,9 Prozent auf 15,3 Prozent), dass diese Kritik in Wiesbaden sogar am zweithäufigsten genannt wird.

Weitere Kritikpunkte

Über eine nicht gerade einladende Atmosphäre in der Innenstadt klagt in Mainz (4,3 Prozent) ein deutlich geringerer Anteil der Passanten als in Wiesbaden (9,8 Prozent). Bei der Kritik, dass es zu wenig Bäume und Grünflächen in der Innenstadt gibt, schneidet Mainz etwas schlechter ab (3,0 Prozent) als die Nachbarstadt (2,1 Prozent). Dagegen wird im Stadtzentrum die Anwesenheit von gesellschaftlichen Randgruppen, wie Obdachlosen, Bettlern und Punks, in der hessischen Landeshauptstadt von den Besuchern wesentlich stärker als Belästigung empfunden (7,0 Prozent) als das in Mainz der Fall ist (3,0 Prozent).

Erheblich sind auch die Unterschiede zwischen den Nachbarstädten hinsichtlich der Störung durch Bauarbeiten. Zwar haben die Bauaktivitäten im Bereich der Hauptgeschäftsstraßen in Wiesbaden in den letzten zwei Jahren abgenommen, aber immer noch fühlen sich dort wesentlich mehr Innenstadtbesucher durch Baustellen und -lärm belästigt (10,9 Prozent) als in Mainz (1,9 Prozent). Klagen über zu wenige Sitzgelegenheiten (1,9 Prozent) und Mängel in der Gastronomie (1,5 Prozent) erscheinen in Mainz auf den letzten beiden Rängen der Kritikliste und werden auch in Wiesbaden nur selten geäußert.