Brennpunkt Mainzer City – Langzeitstudie zur Entwicklung der Innenstadt 2013

Teil VI: Was stört Innenstadtbesucher in Mainz und Wiesbaden?

20.01.2014

Das Geographische Institut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) führt seit 2003 eine Langzeitstudie zur Entwicklung der Stadtzentren von Mainz und Wiesbaden durch. Im Abstand von zwei Jahren befragen Geographiestudierende unter Leitung von Prof. Dr. Günter Meyer in der Mainzer und Wiesbadener City jeweils mehr als 2.000 Passanten nach ihrem Einkaufsverhalten und ihrer Beurteilung der beiden Innenstädte. Im Mai 2013 fand diese Untersuchung in Zusammenarbeit mit dem Amt für Stadtentwicklung zum sechsten Mal statt.

In den Hauptgeschäftsstraßen von Mainz und Wiesbaden wurden die Passanten unter anderem gefragt: "Was stört Sie am meisten in der Mainzer/Wiesbadener Innenstadt?" Die Frage wurde bewusst offen gestellt, also ohne Antwortvorgaben, um so ein breites Spektrum individueller Meinungen zu erfassen. Im Folgenden werden die Ergebnisse der Befragungen miteinander verglichen, die jeweils in der Woche nach Pfingsten in den Jahren 2009, 2011 und 2013 von Donnerstag bis Samstag in den beiden Städten durchgeführt wurden.

Was stört am meisten in der Mainzer und Wiesbadener Innenstadt?

In der folgenden Liste beziehen sich die roten Zahlen auf Mainz, die blauen auf Wiesbaden, jeweils in der Reihenfolge der Erhebungsjahre 2013 / 2011 / 2009. Die Zahlen in Klammern geben die Prozentanteile der in der jeweiligen Stadt befragten Passanten an, die den betreffenden Störfaktor genannt hatten. Aufgeführt sind im Detail nur die Störfaktoren, die in Mainz von mindestens einem Prozent der Befragten genannt wurden.

Rang 1/1/1 // 1/1/1: Mängel im Einzelhandel der City (17,1/19,6/25,8 // 17,5/20,3/35,2)

  • Unzureichende Auswahl und Qualität (4,7/4,1/7,4 // 2,1/3,8/4,6)
  • Ramsch- und Billigläden (4,1/6,5/10,0 // 6,6/4,1/11,5)
  • Leer stehende Läden (2,0/1,0/1,6 // 0,7/0,7/0,7)
  • Zu viele Filialgeschäfte, Monotonie im Angebot (1,4/3,1/1,8 // 4,8/5,6/7,7)
  • Alteingesessene Geschäfte schließen (1,4/1,0/1,4 // 0,0/1,0/1,3)
  • Zu wenige Fachgeschäfte und Boutiquen (1,1/2,0/2,3 // 0,9/1,5/5,2)


Rang 2/2/5 // 6/8/8: Parksituation (8,9/10,4/8,7 // 4,5/3,5/7,8)

  • Unzureichendes Parkplatzangebot (5,7/5,0/4,0 // 3,4/2,2/2,3)
  • Zu hohe Parkgebühren (3,2/5,1/3,6 // 1,1/1,0/0,6)


Rang 3/3/3 // 5/7/7: Verkehr (8,1/10,0/9,5 // 5,1/4,0/4,5)

  • Zu viel Verkehr in der Innenstadt (2,7/3,2/3,8 // 2,7/1,8/2,2)
  • Radfahrer in der Fußgängerzone (2,1/2,5/2,6 // 0,7/0,7/0,6)
  • Zu wenige und schlechte Radwege (1,4/1,4/0,4 // 0,8/0,5/0,3)
  • Busse in der Ludwigstraße (0,6/1,2/0,5 // 0/0/0)


Rang 4/4/2 // 8/9/9: Struktur der City (7,7/9,5/11,5 // 2,7/2,7/2,6)

  • Zu weitläufige City mit zu großen Distanzen (3,6/3,4/5,5 // 0,7/0,4/1,1)
  • Unzusammenhängende, unübersichtliche Struktur der City (2,1/2,5/3,8 // 0,5/0,4/0,3)
  • Zu enge Innenstadt (0,9/1,6/1,2 // 1,2/0,8/0,7)


Rang 5/5/4 // 7/6/5: Gravierende Mängel in Architektur, Baustil, Gebäudeerhaltung (5,3/7,9/9,5 // 3,5/4,4/6,2)


Rang 6/6/6 // 2/2/2: Mangelhafte Sauberkeit (5,3/6,6/6,4 // 14,6/15,3/12,9)

  • Durch Abfall verschmutzte Straßen und Plätze (2,8/3,9/1,4 // 12,0/12,7/9,8)
  • Verunreinigung durch Tauben (1,3/0,5/1,0 // 1,6/0,8/1,8)


Rang 7/7/7 // 4/4/4: Atmosphäre in der Innenstadt (4,3/4,3/6,2 // 7,7/9,8/12,5)

  • Zu voll, zu viele Menschen (1,1/1,1/1,4 // 1,5/1,6/1,3)
  • Unfreundliche, spießige, hektische Menschen (0,1/0,7/0,9 // 2,1/2,2/2,9)
  • Zu viel Lärm (1,1/0,5/1,2 // 0,5/1,0/1,5)
  • Kein Flair, provinziell, verschlafen, langweilig, austauschbar (0,4/0,5/1,8 // 1,4/0,5/3,4)
  • Trist, kalt, grau, ungemütlich (0,4/0,3/0,4 // 0,1/1,0/2,3)

Rang 8/9/10 // 3/5/6: Gesellschaftliche Randgruppen (3,0/3,0/2,2 // 8,6/7,0/5,3)


Rang 9/8/9 // 10/11/10: Zu wenig Bäume und Grünflächen (2,0/3,0/4,3 // 1,5/2,1/2,5)

Rang 10/11/12 // 12/12/12: Zu wenig Sitzgelegenheiten (1,5/1,9/1,4 // 1,2/1,8/1,3)

Rang 11/12/11 // 9/10/11: Mängel in der Gastronomie (1,2/1,5/2,1 // 1,6/2,5/1,7)

  • Zu wenig (Eis-) Cafés (0,4/0,8/0,9 // 1,1/1,2/1,0)

Rang 12/10/8 // 11/3/3: Belästigungen durch Baustellen und -lärm (0,9/1,9/5,6 // 1,3/10,9/12,6)

Hauptkritik am Einzelhandelsangebot in der Innenstadt

Die meiste Kritik entzündet sich an Mängeln im City-Einzelhandel. Jeder sechste Besucher der Mainzer Innenstadt (17,1%) stört sich bei der jüngsten Erhebung daran. Allerdings ist hier in den letzten vier Jahren eine Abnahme der Kritik festzustellen. So wurde dieser Störfaktor im Jahr 2009 noch von mehr als einem Viertel der Passanten genannt (25,8%). Das deutet auf eine Verbesserung des Einzelhandelsangebots im Stadtzentrum von Mainz hin.

Unter den verschiedenen Mängeln, die in dieser Kategorie zusammengefasst werden, ragen vor allem die Kritik an der unzureichenden Auswahl und Qualität des Warenangebots (4,7%) sowie an Ramsch- und Billigläden (4,1%) hervor. Die Klage über solche wenig attraktiven Geschäften ist seit 2009 um mehr als die Hälfte zurückgegangen, als noch jeder Zehnte die Ramschläden als besonders störend hervorhob.

Kritisiert wird außerdem, dass manche Läden in der Innenstadt leer stehen (2,0%). Andere Passanten nehmen Anstoß daran, dass es zu viele Filialgeschäfte in der Innenstadt gibt und damit die Monotonie im Angebot wächst (1,4%). Diese Entwicklung steht in engem Zusammenhang mit dem Bedauern über die Schließung von alteingesessenen Geschäften (1,4 %).

Vergleicht man die Mainzer Ergebnisse mit den in der Wiesbadener Innenstadt erhobenen Daten, so fällt dort v. a. die noch stärkere Abnahme der Kritik am Einzelhandelsangebot auf. Störte sich daran vor vier Jahren noch mehr als ein Drittel aller Passanten (35,2%), so findet in dieser Hinsicht jetzt ebenso wie in Mainz nur noch jeder Sechste Anlass zur Klage (17,5%). Der positive Trend spiegelt sich auch wider in der besseren Benotung des Einzelhandels in der Wiesbadener City, wie bereits im Teil II der Untersuchungsreihe gezeigt werden konnte.

Klagen über Parksituation

Kritik an der innerstädtischen Parkplatzsituation wird in Mainz am zweithäufigsten genannt (8,9%). Die negative Beurteilung entzündet sich an dem unzureichenden Parkplatzangebot (5,7%) und den zu hohen Parkgebühren (3,2%). Demgegenüber bemängeln die Passanten in Wiesbaden nur etwa halb so häufig die Parksituation in der Innenstadt (4,5%). Dieser Störfaktor erscheint dort erst auf Rang 8.

Kritik am innerstädtischen Verkehr

Die Kritik am Verkehr in Mainz nimmt den dritten Rang ein und weist im Vergleich zu 2011 eine leichte Abnahme auf (8,1%). Geklagt wird v. a. über den zu starken Verkehr in der Innenstadt (3,2%). Das gilt besonders für den Bereich der Fußgängerzone, wo die Radfahrer als störend empfunden werden (2,1%).

Der Unwille der Passanten über zu wenige und zu schlechte Radwege verharrt auf dem Niveau der vorletzten Erhebung (1,4%). In Wiesbaden wird der Verkehr seltener kritisiert (5,1%) als in Mainz und erscheint dort erst an siebter Stelle der Hauptkritikpunkte.

City-Struktur stört weniger

Die Klagen über die Struktur der Mainzer City sind in den letzten vier Jahren seltener geworden und vom zweiten auf den vierten Platz zurückgefallen (von 11,5% auf 7,7%). Die Innenstadtbesucher stören sich daran, dass die City zu weitläufig ist und die Distanzen zu groß sind (3,5%). Angesichts des Mainzer Tripol-Konzepts mit dem Einkaufszentrum Am Brand, der Römerpassage und der Ludwigsstraße wird hier die nicht zusammenhängende und unübersichtliche Struktur der City kritisiert (2,1%). Durch die starke Konzentration des Einzelhandels in Wiesbaden auf die "Einkaufsmeile" der Kirchgasse sind dort die räumlichen Strukturen wesentlich klarer und werden seltener als störend empfunden.

Klagen über bauliche Strukturen und Sauberkeit

Gravierende Mängel in der Architektur, im Baustil und bei der Erhaltung der Gebäude in der Mainzer Innenstadt werden in den letzten vier Jahren immer seltener genannt (von 9,5% auf 5,3%). Seit 2011 sind auch die Klagen über mangelhafte Sauberkeit im Stadtzentrum rückläufig (5,3%). Dieses Problem empfinden dagegen die Innenstadtbesucher in Wiesbaden als wesentlich gravierender (14,6%). Durch Abfall verschmutzte Straßen und Plätze, speziell Verunreinigungen durch weggeworfene Zigarettenkippen und Kaugummi, Tauben- und Hundekot sowie überfüllte oder fehlende Abfallbehälter und Aschenbecher verärgern dort fast dreimal so viele Passanten wie in Mainz. Bei den letzten drei Untersuchungen wurde die mangelhafte Sauberkeit in der Innenstadt von Wiesbaden am zweithäufigsten kritisiert.

Weitere Kritikpunkte

Über eine nicht gerade einladende Atmosphäre in der Innenstadt klagt in Mainz (4,3%) ein deutlich geringerer Anteil der Passanten als in Wiesbaden (7,7%). Dort hat die Kritik allerdings in den letzten Jahren nach dem Umbau der Fußgängerzone erheblich abgenommen, und die Atmosphäre wird als wesentlich positiver empfunden.

Die Anwesenheit von gesellschaftlichen Randgruppen, wie Obdachlosen und Bettlern, nehmen die Besucher der hessischen Landeshauptstadt mit steigender Tendenz als Belästigung wahr (8,7%). Im Vergleich zu Mainz (3,0%) wird in Wiesbaden dieser Punkt fast dreimal so häufig genannt und rangiert dort sogar auf dem dritten Rang der Sachverhalte, die in der Innenstadt am meisten stören.

Bei der Kritik, dass es zu wenig Bäume und Grünflächen in der Innenstadt gibt, schneidet Mainz etwas schlechter ab (2,0%) als die Nachbarstadt (1,5%). Klagen über zu wenige Sitzgelegenheiten (1,5%), Mängel in der Gastronomie (1,2%) sowie Belästigung durch Baustellen und -lärm (0,9%) erscheinen in Mainz auf den letzten drei Rängen der Kritikliste und werden auch in Wiesbaden nur selten geäußert. Dabei ist vor allem in der hessischen Landeshauptstadt die Störung durch Baustellen nach der Neugestaltung der Fußgängerzone massiv zurückgegangen (von 12,6% auf 1,3%).

Fazit: Gemeinsame Verbesserungen und unterschiedliche Wahrnehmung von Störfaktoren in beiden Städten

Der Rückgang der Klagen über einige Störfaktoren weist in beiden Innenstädten auf deutliche Verbesserungen in den City-Lagen während der letzten vier Jahre hin. Dies gilt in besonderem Maße für den mit weitem Abstand häufigsten Ansatzpunkt der Kritik, nämlich die Qualität des Einzelhandels. Hier haben in beiden Städten – am stärksten in Wiesbaden – die Klagen erheblich abgenommen. Ebenso rückläufig ist die Kritik hinsichtlich von Mängeln im Bereich der Architektur, des Baustils und bei der Erhaltung der Gebäude in der Innenstadt. Auch hat sich die Atmosphäre im Stadtzentrum – wiederum am stärksten in Wiesbaden – verbessert, und die Belästigung durch Baustellen hat in beiden Stadtzentren drastisch abgenommen.

Gravierende Unterschiede sind jedoch auf dem zweiten und dritten Rang der Hauptstörfaktoren festzustellen. In Mainz finden sich auf diesen Positionen die Klagen über die Parksituation und den Verkehr in der Innenstadt. In Wiesbaden dagegen entzündet sich die Kritik mit steigender Tendenz an der mangelhaften Sauberkeit in den Hauptgeschäftsstraßen und an der Anwesenheit von Bettlern und Obdachlosen.

Das muss allerdings nicht bedeuten, dass die Wiesbadener Innenstadt tatsächlich schmutziger ist und sich dort mehr Bettler aufhalten als im Mainzer Stadtzentrum. Es kann sich hier durchaus um eine unterschiedliche subjektive Wahrnehmung des gleichen Sachverhalts durch die Passanten handeln, die beispielsweise durch die Berichterstattung der lokalen Medien in Wiesbaden stärker für dieses Problem sensibilisiert worden sind. So könnte sich zumindest teilweise auch die relativ häufige Kritik der Innenstadtbesucher an der Parksituation in Mainz erklären, wo dieses Thema immer wieder in der Tagespresse aufgegriffen wird.