Brennpunkt Mainzer City – Langzeitstudie zur Entwicklung der Innenstadt 2013

Teil II: Wiesbadener Einzelhandel überholt Mainz, Kunden kaufen verstärkt in Frankfurt ein

18.11.2013

Das Geographische Institut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) führt seit 2003 eine Langzeitstudie zur Entwicklung der Stadtzentren von Mainz und Wiesbaden durch. Im Abstand von zwei Jahren befragen Geographiestudierende unter Leitung von Prof. Dr. Günter Meyer in der Mainzer und Wiesbadener City jeweils mehr als 2.000 Passanten nach ihrem Einkaufsverhalten. Dabei wurden die Passanten u.a. gebeten, Schulnoten für das Angebot des Einzelhandels in der City der beiden Landeshauptstädte zu vergeben. Auch wurden sie nach der Häufigkeit ihrer Einkäufe in den Nachbarstädten gefragt.

Erstmals bessere Beurteilung des Einzelhandels in Wiesbaden als in Mainz

Nach der Meinung der Passanten, die in der Mainzer Innenstadt befragt wurden, erreichte die durchschnittliche Benotung des dortigen City-Einzelhandels 2011 mit 2,30 ihren positivsten Wert, auf dem sie auch bei der jüngsten Untersuchung verharrte. Während der ersten drei Erhebungen von 2003-2007 vergaben die Innenstadtbesucher in Wiesbaden jeweils eine etwas bessere Durchschnittsnote für das Einzelhandelsangebot in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt als das bei den vor Ort Befragten der Fall war. Dies änderte sich jedoch 2011. Erstmals wurde der Mainzer Einzelhandel von den in Wiesbaden interviewten Passanten mit 2,37 schlechter benotet als von den Innenstadtbesuchern in Mainz. Der leicht negative Trend verfestigte sich mit 2,38 bei der letzten Untersuchung im Mai 2013.

Benotung des Mainzer Einzelhandels 2003 2005 2007 2009 2011 2013
Passanten in der Mainzer City

2,57

2,54

2,46

2,55

2,30

2,30

Passanten in der Wiesbadener City

2,46

2,52

2,41

2,55

2,37

2,38

Verglichen mit den Vorgaben aus Mainz fielen bei früheren Untersuchungen die Noten für den Einzelhandel in der Wiesbadener Innenstadt nach Ansicht der dort interviewten Passanten deutlich schlechter aus. Die negativste Beurteilung wurde 2005 mit durchschnittlich 3,22 vergeben. Damals erreichten die umfangreichen Straßenbaumaßnahmen zur Attraktivitätssteigerung der Wiesbadener Fußgängerzone ihren Höhepunkt. Mit zunehmender Fertigstellung der Bauprojekte und insbesondere durch die Errichtung des neuen Einkaufszentrums LuisenForum verbesserte sich die Beurteilung des Einzelhandelsangebots relativ kontinuierlich. Im Jahr 2013 vergaben die Wiesbadener Passanten für den dortigen Einzelhandel mit 2,27 erstmals eine bessere Note als die Mainzer Innenstadtbesucher für das hiesige Geschäftsangebot. Die in Mainz Befragten sind es auch, die bei der jüngsten Studie mit 2,19 die Spitzennote aller bisherigen Erhebungen vergeben – und zwar für den Wiesbadener Einzelhandel.

Benotung des Wiesbadener Einzelhandels 2003 2005 2007 2009 2011 2013
Passanten in der Wiesbadener City

2,72

3,22

2,83

2,72

2,50

2,27

Passanten in der Mainzer City

2,52

2,65

2,52

2,43

2,31

2,19

Mehr Wiesbadener als Mainzer Passanten kaufen in der jeweiligen Nachbarstadt ein

Nach der erfolgreichen Aufholjagd bei der Beurteilung des Einzelhandelsangebots in Wiesbaden wäre eigentlich zu erwarten, dass die Mainzer immer häufiger nach Wiesbaden zum Einkaufen fahren und sich umgekehrt die Wiesbadener seltener in Mainz versorgen. Hier erlauben jedoch die vorliegenden Antworten auf die Frage "Wie oft waren Sie seit Anfang dieses Jahres zum Einkaufen in der Innenstadt von Mainz/Wiesbaden?" nur begrenzte Aussagen. Da sich der Zeitraum vom Jahresbeginn bis zum Zeitpunkt der Interviews in der Woche nach Pfingsten in den jeweiligen Untersuchungsjahren über 144-177 Tage erstreckte, ist bei einer Zeitreihenanalyse nur eine eingeschränkte Vergleichbarkeit der Daten möglich.

Dennoch ist auf zwei Auffälligkeiten hinzuweisen. Das betrifft insbesondere die Untersuchung im Jahr 2007. Nach der Fertigstellung der Citymeile und dem attraktiven Umbau des Einkaufszentrums Am Brand hat die Mainzer Innenstadt offensichtlich so sehr an Attraktivität gewonnen, dass der Anteil der Mainzer Passanten, die in Wiesbaden seit Jahresbeginn eingekauft haben, auf ein Minimum von 38 Prozent zurückging. Gleichzeitig erreichte der Anteil der in Wiesbaden Befragten, die zum Einkaufen nach Mainz gekommen waren, den höchsten Wert von 59 Prozent. Die positiven Effekte einer Attraktivitätssteigerung durch Verbesserung des Einzelhandelsangebots sind hier offensichtlich. Außerdem ist festzuhalten, dass – mit Ausnahme von 2011 – in allen anderen Jahren mehr Wiesbadener Passanten in Mainz als Mainzer in Wiesbaden mindestens einmal seit Jahresbeginn eingekauft haben. Bemerkenswert ist dies besonders bei der jüngsten Untersuchung: Trotz positiverer Beurteilung des Einzelhandelsangebots in Wiesbaden haben 50 Prozent der dort Befragten auch in Mainz eingekauft. Das sind fünf Prozentpunkte mehr als der Anteil der Mainzer Passanten, die im gleichen Zeitraum zu einem Einkauf auf die andere Rheinseite gefahren sind. Dass im Vergleich zu der vorhergehenden Untersuchung 2011 weniger Mainzer Passanten in Wiesbaden eingekauft haben, lässt sich durch ein verstärktes Abwandern von Kunden in die zwar weiter entfernte, aber wesentlich größere und attraktivere City von Frankfurt am Main erklären.

Kräftige Zunahme der Einkaufshäufigkeit in Frankfurt

Wie das folgende Diagramm verdeutlich, schwankte bei den ersten drei Untersuchungen der Anteil der Passanten in Mainz, die seit Jahresbeginn in Frankfurt eingekauft hatten, nur minimal zwischen 28 Prozent und 30 Prozent. Seit 2009 ist jedoch ein deutlicher Anstieg der Einkaufshäufigkeit in der hessischen Metropole festzustellen. Diese kräftige Zunahme ist überraschend und dokumentiert einen für die Mainzer City sehr bedenklichen Trend. Wenn mit steigender Tendenz bereits 40 Prozent der befragten Mainzer Passanten auch in Frankfurt einkaufen, wo in der Regel wesentlich mehr Geld bei einem City-Besuch ausgegeben wird als in Mainz, dann bedeutet dies einen erhebliche Anstieg des Kaufkraftabflusses aus der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt.

Attraktivitätssteigerung des Mainzer Einzelhandels dringend erforderlich

Zusammenfassend stellt Meyer fest, dass die jüngsten Ergebnisse der City-Studie nachdrücklich unterstreichen, wie wichtig es ist, die Attraktivität der Mainzer Innenstadt als Einkaufsstandort schnellstmöglich zu stärken. Um den zunehmenden Kaufkraftabfluss einzudämmen und verlorene Kunden wieder für das Stadtzentrum zurückzugewinnen, ist eine Verbesserung des Einzelhandelsangebots in der Mainzer City dringend erforderlich, beispielsweise durch die Realisierung der Planung eines neuen Einkaufsquartiers in der Ludwigsstraße.