Lage des Hippodroms und geographische Ausdehnung mit modernen geophysikalischen Methoden enträtselt
04.07.2008
Die Lage der versunkenen antiken Pferderennbahn von Olympia, auf der auch Kaiser Nero zum olympischen Sieg fuhr, ist enträtselt. Die Entdeckung des Hippodroms gelang einer Forschungskooperation unter Beteiligung des Mainzer Sporthistorikers Prof. Dr. Norbert Müller, des Sportarchäologen Dr. Christian Wacker vom Deutschen Sport & Olympia Museum in Köln und PD Dr. Reinhard Senff, Ausgrabungsleiter des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) in Olympia. "Der Fund ist eine archäologische Sensation", so Müller, der gemeinsam mit Studierenden der Sportgeschichte und der Archäologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) mehrere Wochen für Grabungen und Vermessungen vor Ort war.
Das Hippodrom war bislang nur durch Schriftquellen bekannt, archäologisch ließ es sich nie nachweisen, obwohl deutsche Ausgräber seit 1875 den Ort der antiken Olympischen Spiele als eine ihrer traditionsreichsten Unternehmungen kontinuierlich erforschen und sich zahllose Archäologen, Alt- und Sporthistoriker aus der ganzen Welt seit über 100 Jahren mit diesem Geheimnis beschäftigt haben. Prof. Dr. Norbert Müller und Dr. Christian Wacker, der ebenfalls einen Lehrauftrag für Sportarchäologie an der JGU innehat, waren jedoch zuversichtlich, hatten beide doch erst 1996 den entscheidenden Anstoß für die inzwischen abgeschlossenen Ausgrabungen des antiken "Olympischen Dorfs" von Elis unweit von Olympia gegeben.
Mit dem Ziel, die Reitsportwettbewerbe bei den Olympischen Spielen nachzeichnen zu können und bestenfalls sogar Start- und Befestigungsanlagen zu entdecken, wurde seit Mitte April 2008 nach dem in der antiken Literatur bei dem Reiseschriftsteller Pausanias im 2. Jahrhundert n.Chr. sehr detailreich beschriebenen Hippodrom im Tal von Olympia, nach Wendemalen und Altären gegraben. Eine bisher wenig beachtete Schriftquelle aus dem 11. Jahrhundert n.Chr. nennt sogar Maße und Dimensionen der Anlage und spricht von 1.000 Metern Länge und 400 Metern Breite der versunkenen Pferderennbahn.
Bislang ging man davon aus, dass sich keine Überreste des Hippodroms mehr finden lassen, da das von Pausanias beschriebene Areal im Osten des Heiligtums von Olympia durch den Fluss Alpheios seit der Antike überschwemmt und versandet wurde. Das reizte die deutsche Forschergruppe jedoch umso mehr: Mit neuartigen geophysikalischen Methoden wurde das Gelände nun erstmals systematisch mittels Georadar und Geomagnetik bis in eine Tiefe von 8 Metern untersucht. So konnten die beteiligten hochspezialisierten Geologen der GGH – Solution in Geoscience, Armin Grubert und Christian Hübner, die in den letzten Jahren in Zusammenarbeit mit der Universität Tübingen bereits die Unterstadt von Troja erforscht hatten, auch zahlreiche Veränderungen im Boden wie beispielsweise Wasserläufe, Gräben und Mauern kartieren. Die Aufgabe der Mainzer Studierenden in Olympia reichten von der Vorbereitung aller Felder für die geophysikalische Prospektion, also die Vermessung, Absteckung und Freiräumung, über die spezielle Vorbereitung der Flächen für die Geomagnetik und den Georadar bis hin zum Ziehen der Georadar-Antenne.
Tatsächlich wurden auffällige, geradlinige Strukturen auf einer Länge von fast 200 Metern entdeckt, die die Forscher mit der parallel zum Stadion gelegenen Pferderennbahn verbinden. Bauliche Überreste, die mit einem beim Hippodrom überlieferten Heiligtum der Demeter gleichgesetzt werden können, waren bereits im Frühjahr 2007 im Norden des untersuchten Geländes entdeckt worden. Auch Pferdeknochen wurden bei einer parallelen Ausgrabung deutscher Archäologen gefunden, die wiederum auf die Bestattung verunglückter Rennpferde im Startbereich des Hippodroms hindeuten.
Besonders interessant ist auf halber Höhe des nördlichen Zugangs zur Startanlage eine kreisförmige Anlage mit etwa 10 Meter Durchmesser, die sich deutlich in der antiken Bodenschicht abzeichnet und vielleicht auf Sakralbauten, die der antike Schriftsteller Pausanias an dieser Stelle erwähnt, zu beziehen ist. Die eigentliche Startanlage mit Boxen für bis zu 24 Pferdegespanne dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit unter einem von den Archäologen seit 1875 angelegten gewaltigen Hügel von Erdaushub des Tempelbezirks liegen.
Mit der Erforschung des Geländes östlich des Heiligtums von Olympia, ermöglicht durch Forschungsmittel des Instituts für Sportwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und des Internationalen Reiterverbands, konnten erstmals konkrete Hinweise auf die Lage der Pferderennbahn und ihre geographische Ausdehnung gewonnen werden. "Das Projekt könnte ähnlich der Ausgrabung des antiken Stadions von Olympia vor 50 Jahren eine neue Attraktion für die Sportwelt werden." Deutschland ist seit 1875 durch Vertrag offizieller Ausgräber der antiken Stätten in Olympia.