Mainzer Geowissenschaftler an Forschungsbohrung auf der Nordsee-Halbinsel Eiderstedt beteiligt

Forscherteam erwartet Einblicke in 500.000 Jahre Klimageschichte

17.08.2010

Geowissenschaftler der Johannes Gutenberg-Universität Mainz sind - neben Forscherteams der Universität Lüneburg, der Abteilung Geologie im Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) in Kiel und des Leibniz-Instituts für Angewandte Geophysik (LIAG) in Hannover - an einer Forschungsbohrung auf der Nordsee-Halbinsel Eiderstedt beteiligt. Aus dem umfangreichen Probenmaterial der max. 350m tiefen Bohrung nahe der Ortschaft Garding erwarten die Wissenschaftler grundlegende Erkenntnisse über die Klimageschichte der letzten 500.000 Jahre. Ein Forscherteam um Prof. Dr. Frank Sirocko von der Universität Mainz untersucht derzeit bereits in Kooperation mit den Landesämtern in Hessen und Rheinland-Pfalz vergleichbare Kerne aus dem Oberrheingraben. "Mit diesen Untersuchungen möchten wir herausarbeiten, wie das Absinken des Oberrheingrabens und der Aufstieg der Salzstöcke in Norddeutschland geodynamisch zusammenhängen", so Sirocko. "Insofern sind wir natürlich sehr gespannt auf die Ergebnisse der Forschungsbohrungen nahe Garding, die für Ende 2010 / Anfang 2011 geplant sind."

Das Forschungsvorhaben der Bohrung wurde im Jahr 2007 bewilligt. Die umfangreichen Vorerkundungen - unter anderem verschiedene Seismikmessungen, eine Hubschrauberbefliegung mit einem elektromagnetischen Messgerät und eine 36m tiefe Vorbohrung durch das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Kiel - haben exzellente Vorkenntnisse über den Untergrund erbracht, die für die genaue Bohrungsplanung unverzichtbar sind. Die Wissenschaftler erhoffen sich von der Bohrung, die Ende 2010 / Anfang 2011 starten soll, ein nahezu lückenloses Übereinander von Schichten der vergangenen Kalt- und Warmzeiten. Da das Gebiet um das aktuelle Bohrungsareal in der geologischen Vergangenheit kontinuierlich abgesunken ist, gehen die Wissenschaftler davon aus, dass fast alle abgelagerten Schichten auch erhalten geblieben sind und durch die Tiefenbohrung zu Tage gefördert werden können. Aus den in den Schichten enthaltenen Strukturen und Fossilien möchten die Wissenschaftler vielfältige Erkenntnisse ziehen. Insbesondere die Übergänge von Kalt- in Warmzeiten und von Warm- in Kaltzeiten sind von wissenschaftlichem Interesse, um Antworten auf eine Vielzahl von Fragen zu finden: Kommt eine Eiszeit schnell oder kündigt sie sich lange vorher an? Wie warm war es in der letzten Warmzeit und war das Klima warm-feucht oder eher trocken-heiß? Hinter Fragen wie diesen steht natürlich auch die, wie unser heutiges Klima in langfristigen Zusammenhängen einzuschätzen ist und wie sich zukünftige Klimaveränderungen auf die küstennahe Region auswirken. Nach erfolgreichem Abschluss der Bohrarbeiten ist eine wissenschaftliche Auswertung und Interpretation mit Unterstützung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) vorgesehen.

Die Bohrarbeiten werden von einem fahrbaren Bohrgerät aus durchgeführt und dauern 4-8 Wochen. Nach der Bergung des Bohrkernmaterials werden einige Tage lang bohrlochgeophysikalische Messungen im Bohrloch vorgenommen, bevor das Bohrloch in enger Absprache mit Naturschutzbehörden und Interessenträgern wieder dicht verfüllt wird.

Der Bohrplatz Garding

Sein Besonderheit verdankt der Bohrplatz Garding dem großen Salzstock Oldensworth in seiner unmittelbaren Nachbarschaft. Dieser Salzstock ist der Grund für das kontinuierliche Absinken des Raums Garding über die letzten Millionen Jahren hinweg, wodurch Garding zum Sammelbecken für Sedimente der Warm- und Kaltzeiten wurde. Unter dem hohen Druck der darüberliegenden Gesteine hatte sich das Salzgestein, das sich kilometertief unter Garding erstreckt, langsam fließend in Richtung Oldensworth in Bewegung gesetzt, war dort im Salzstock aufgestiegen und fehlte somit unter Garding, wo die über dem Salz liegenden Schichten kontinuierlich nachsackten. Die so entstehende Vertiefung an der Erdoberfläche war zeitweise ein See und wurde dann mit See-Sedimenten, mal mit Nordseeschlick, mal mit Gletscherablagerungen gefüllt. Alles blieb als Sediment erhalten. Diese Senkungsstruktur nennen die Geologen Salzstock-Randsenke.

Der Salzstock Oldensworth ist einer der großen Salzstöcke in Deutschland. Seine Randsenke hält mit Abstand den Tiefenrekord. Nirgendwo in Deutschland können sich Wissenschaftler ein vollständigeres Bohrprofil erhoffen. Die Bohrung ist im Zusammenhang mit einem Nord-Süd-Schnitt von der Nordsee bis zum Mittelmeer zu sehen, der im Rahmen des Forschungsschwerpunkts "Terrestrische Sedimentsysteme" des Leibniz-Instituts für Angewandte Geophysik aus verschiedenen neuen Bohrungen zusammengestellt wird. Bausteine dieses Schnitts sind neben Garding Bohrungen bei Bonn, bei Heidelberg und im Mittelmeer. Immer stehen ein vertieftes Verständnis der Klimaentwicklung und die vorab unverzichtbare Altersdatierung der Schichten im Zentrum der Forschungsfragestellungen.