Neue Graduiertenkollegs beschäftigen sich mit grundlegenden Mechanismen, die zur Fehlentwicklung des Nervensystems und des Immunsystems führen
01.12.2003
Prof. Dr. E. Jürgen Zöllner, Minister für Wissenschaft, Weiterbildung, Forschung und Kultur, und Prof. Dr. Jörg Michaelis, Präsident der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), haben heute in Mainz zwei neue Graduiertenkollegs vorgestellt, die in den Fachbereichen Medizin, Biologie und Chemie der Johannes Gutenberg-Universität eingerichtet wurden. Sie beschäftigen sich mit grundlegenden Mechanismen, die zur Fehlentwicklung des Nervensystems und des Immunsystems des Menschen führen. "Beide Graduiertenkollegs sind ein Beleg dafür, dass sich die Universität Mainz in den wichtigsten Wissenschaftsbereichen an der Spitze des Fortschritts bewegt", sagte Wissenschaftsminister Zöllner bei der Pressekonferenz im Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung, Forschung und Kultur.
Die Förderzusage der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) eröffnet Doktorandinnen und Doktoranden ab Mitte des Jahres 2004 die Möglichkeit, ihre Dissertationen im Rahmen eines koordinierten, von mehreren Hochschullehrern betreuten Forschungsprogramms anzufertigen. Die beiden Graduiertenkollegs "Entwicklungsabhängige und krankheitsinduzierte Modifikationen im Nervensystem" und "Antigenspezifische Immuntherapie" gelten als besonders betreuungsintensiv. Sie sind interdisziplinär angelegt. Die Sprecher der Graduiertenkollegs, Professor Dr. Heiko Luhmann und Prof. Dr. Markus Neurath, skizzierten im Rahmen der Pressekonferenz ihre jeweiligen Forschungsansätze.
Die DFG ist die wichtigste Institution zur Forschungsförderung in Deutschland. Seit 1989 fördert sie durch ihr Programm der Graduiertenkollegs modellhaft eine sehr intensive Ausbildung von Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern in besonders fachübergreifenden und zukunftsträchtigen Themenfeldern. Bund und Länder tragen das Programm gemeinsam. Zurzeit werden bundesweit rund 280 Kollegs gefördert, davon nunmehr 14 an rheinland-pfälzischen Hochschulen. "Dass die DFG zwei weitere Graduiertenkollegs in Rheinland-Pfalz fördert, ist eine schöne Anerkennung für die Qualität der Hochschulen unseres Landes wie auch der Exzellenz unseres wissenschaftlichen Nachwuchses", sagte Zöllner.
Der Präsident der JGU freute sich darüber, dass sich die Zahl der Graduiertenkollegs an seiner Universität nun auf insgesamt acht erhöht hat. "Graduiertenkollegs sind eine hervorragende Form der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, denn sie bieten bereits den Doktoranden besondere forschungsorientierte Studien, in deren Rahmen ein intensiver Austausch erfolgt", so Michaelis.
Zöllner und Michaelis waren sich einig, dass die Begegnung mit erfahrenen Wissenschaftlern ebenso dazu beitrage, den Horizont zu erweitern, wie der Austausch mit anderen Doktoranden, die ähnliche Themen bearbeiten, aber gegebenenfalls aus einem anderen Fach kommen. Letztlich werde die Qualifikation des wissenschaftlichen Nachwuchses deutlich erweitert.
Das Kolleg in den Neurowissenschaften umfasst 13 Doktorandenstipendien und wird für viereinhalb Jahre mit einem Gesamtvolumen von insgesamt 1,1 Millionen Euro finanziert. Das Graduiertenkolleg in der Immunforschung erhält 23 Doktorandenstipendien und ein Gesamtvolumen von 1,5 Millionen Euro.
Das Graduiertenkolleg "Entwicklungsabhängige und krankheitsinduzierte Modifikationen im Nervensystem" wird mit modernsten Techniken Fragestellungen zur Fehlentwicklung und Regeneration des Nervensystems und zu seiner sensorischen Funktion und Dysfunktion bearbeiten. Der Sprecher, Professor Dr. Heiko Luhmann, hat wenige Monate nach seiner Berufung an die Universität Mainz den Antrag auf Einrichtung dieses Graduiertenkollegs initiiert und arbeitet mit Kolleginnen und Kollegen aus den Fachbereichen Biologie, Chemie und Medizin gemeinsam auf dem Gebiet der Neurowissenschaften. Die zentrale Forschungsidee des Graduiertenkollegs geht von Störungen in der Struktur oder Funktionen des Nervensystems aus, die genetische Programme und Reparaturprozesse reaktivieren, wie sie während der frühen Normalentwicklung des Organismus auftreten.
Schädigungen des ausgereiften Gehirns können eine Neuentstehung von Nervenzellen, ein erneutes Auswachsen von Verbindungen zwischen Nervenzellen, einen programmierten Zelltod oder Veränderungen an molekularen Andockstellen hervorrufen. Alle diese Prozesse sind auch typisch für das unreife, sich noch entwickelnde Gehirn eines Embryos. Eine Reihe von Genen setzt wichtige Funktionen sowohl bei der Embryonalentwicklung als auch bei langsamen neurodegenerativen Prozessen, wie zum Beispiel der Alzheimer Krankheit, in Gang. Das Nervensystem nutzt offensichtlich die gleichen genetischen Programme und Mechanismen zur Reparatur von Schädigungen und Degenerationsprozessen, wie sie bereits in der frühen Entwicklung der Embryonen zur Entwicklung des Gehirns erfolgreich eingesetzt werden. Diese genetischen Programme sollen erforscht werden, da bei Schädigungen des Gehirns oder Abnutzungserscheinungen die gleichen Reparaturmechanismen zur Heilung genützt werden könnten. Um diese Mechanismen wirklich zu verstehen, werden im Graduiertenkolleg nicht nur am Menschen, sondern auch an unterschiedlichen Modellorganisationen, wie der Taufliege Drosophila, dem Fadenwurm, an Ratten und genetisch veränderten Mäusen, die Hirnentwicklung beobachtet.
Das Graduiertenkolleg "Antigenspezifische Immuntherapie" mit Professor Dr. Markus Neurath als Sprecher widmet sich der Erforschung von Abwehrmechanismen des Immunsystems, die die Menschen vor Infektionen und Tumorerkrankungen schützen. Dieses Thema ist auch ein besonders gefördertes Schwerpunktthema der biowissenschaftlichen und klinischen Forschung an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und wird seit Jahrzehnten maßgeblich von der DFG gefördert, die drei Sonderforschungsbereiche zu diesem Thema in Mainz eingerichtet hat. Die Projekte beschäftigen sich vor allem mit der Fehlsteuerung des Immunsystems bei Allergien und bei so genannten Autoimmunerkrankungen, mit der Abwehr von Krankheitserregern (Bakterien, Viren) sowie der Erkennung von Krebszellen durch das Immunsystem. Für den Fortbestand und die Weiterentwicklung dieser Forschungslandschaft in Mainz ist neben der Zusammenarbeit verschiedener wissenschaftlicher Gruppen die Rekrutierung geeigneter Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler von höchster Bedeutung.
Daher wurde im Verbund von 15 Wissenschaftlern aus Medizin und Biologie das Graduiertenkolleg eingerichtet mit dem Ziel, junge hoch qualifizierte Studienabsolventen beider Fachbereiche für eine strukturierte Weiterbildung im Rahmen einer naturwissenschaftlichen Doktorarbeit zu gewinnen. Die enge Kooperation zwischen der Grundlagenforschung in den Fachbereichen Medizin und Biologie mit wissenschaftlich arbeitenden Klinikern ist die beste Voraussetzung für die Integration, Motivierung und Förderung junger Wissenschaftler. Dabei sollen sie immunologische, biochemische und molekularbiologische Grundlagen von Immuntherapien erforschen und zu deren Umsetzung in der klinischen Anwendung beitragen. Das Graduiertenkolleg gliedert sich dabei in drei Projektbereiche: Es geht um die Aufklärung von Zielstrukturen für die Immuntherapie, um die Entwicklung von geeigneten Trägersubstanzen und Zusätzen (Adjuvantien) für effizientere Impfungen und um die Testung von verschiedenen Immuntherapieverfahren bei chronischen Infektionen und Tumorerkrankungen.