Spezieller Aufbau nutzt polarisiertes Rubidium und Xenon als Sender- und Empfänger-System für exotische Felder
01.02.2023
Auf der Suche nach neuen Kräften und Wechselwirkungen jenseits des Standardmodells ist ein internationales Forscherteam unter Beteiligung des Exzellenzclusters PRISMA+ der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und des Helmholtz-Instituts Mainz nun einen guten Schritt vorangekommen. Dazu verwenden die Forschenden, zu denen auch Prof. Dr. Dmitry Budker gehört, eine Verstärkertechnik basierend auf der kernmagnetischen Resonanz. In ihrem kürzlich in Science Advances veröffentlichten Artikel nutzen sie ihren experimentellen Aufbau, um eine bestimmte exotische Wechselwirkung zwischen Spins zu untersuchen: eine paritätsverletzende Wechselwirkung, die durch ein neues hypothetisches Austauschteilchen, genannt Z' Boson, vermittelt wird, welches zusätzlich zum Z Boson des Standardmodells existiert. Im aktuellen Setup konnten sie dieses Teilchen zwar nicht nachweisen, aber die Empfindlichkeit um fünf Größenordnungen gegenüber früheren Messungen steigern. So lassen sich Beschränkungen für die Stärke der Wechselwirkung des neuen Austauschteilchens mit den Teilchen des Standardmodells festlegen, die komplementär zu astrophysikalischen Beobachtungen sind und einen bisher nicht zugänglichen Bereich erschließen.
Zahlreiche Theorien sagen die Existenz von exotischen Wechselwirkungen jenseits des Standardmodells voraus. Sie unterscheiden sich von den vier bekannten Wechselwirkungen und werden von bisher unbekannten Austauschteilchen vermittelt. Insbesondere paritätsverletzende Wechselwirkungen, also solche die nicht spiegelsymmetrisch wirken, erfahren aktuell ein besonderes Interesse. Zum einen da sie auf eine besondere Art von neuer Physik abzielen, zum anderen da sich ihre Effekte leichter von falschen systematischen, in der Regel nicht paritätsverletzenden Effekten unterschieden lassen. "Im aktuellen Artikel nehmen wir eine solche Wechselwirkung zwischen den Spins von Elektronen und den Spins von Neutronen unter die Lupe, die durch ein hypothetisches Z' Boson vermittelt wird. In einer gespiegelten Welt würde diese Wechselwirkung zu einem anderen Ergebnis führen, die Parität ist hier verletzt", erläutert Dmitry Budker.
Dieses "Ergebnis" sieht so aus: Die Elektronen-Spins innerhalb einer Quelle werden allesamt in eine Richtung ausgerichtet, also polarisiert, wobei die Polarisation kontinuierlich moduliert wird – so entsteht ein exotisches Feld, das als Magnetfeld wahrgenommen wird und mittels eines Sensors gemessen werden kann. In einer gespiegelten Welt würde das exotische Feld nicht in die gleiche Richtung zeigen, wie man es bei einem "richtigen" Spiegelbild erwarten würde, sondern in die entgegengesetzte: die Parität dieser Wechselwirkung ist verletzt.
SAPPHIRE – der neue Edelstein bei der Suche nach neuer Physik
"Spin Amplifier for Particle PHysIcs REsearch" – kurz SAPPHIRE haben die Forschenden ihren experimentellen Aufbau benannt, der auf den beiden Elementen Rubidium und Xenon aufbaut. Diese Technik haben sie in ähnlicher Form bereits verwendet, um nach anderen exotischen Wechselwirkungen sowie nach Dunkle Materie Feldern zu suchen.
Konkret werden bei der experimentellen Suche nach exotischen Spin-Spin-Wechselwirkungen zwei Kammern gefüllt mit dem Dampf von jeweils einem der beiden Elemente in unmittelbarer Nähe zueinander positioniert: "In unserem Experiment verwenden wir polarisierte Elektronenspins von Rubidium-87-Atomen als Spin-Quelle und polarisierte Neutronenspins des Edelgases Xenon, genauer gesagt das Isotop Xenon-129 als Spin-Sensor", so Dmitry Budker.
Der Clou: Durch den speziellen Aufbau und die polarisierten Xenon-Atome im Spin-Sensor wird das in der Rubidium-Quelle erzeugte Feld zunächst verstärkt: So würde der Effekt, den ein potentielles exotisches Feld auslöst, um einen Faktor 200 größer sein. Nun kommt das Prinzip der kernmagnetischen Resonanz zum Tragen, also die Tatsache, dass Kernspins auf Magnetfelder reagieren, die mit einer bestimmten Resonanzfrequenz schwingen. Auch in der Sensorzelle sind dazu Rubidium-87-Atome zu einem kleinen Anteil vorhanden. Sie wirken dort wiederum als extrem empfindliches Magnetometer, um die Stärke des Resonanzsignals bestimmen zu können.
Der Nachweis eines solchen exotischen Feldes im richtigen Frequenzbereich wäre dann der Hinweis auf die gesuchte neue Wechselwirkung. Weitere spezielle experimentelle Details sorgen dafür, dass der Aufbau im interessanten Frequenzbereich besonders empfindlich ist und weniger empfindlich auf Störeffekte anderer Magnetfelder, die zwangsläufig ebenfalls in dem Setup entstehen, reagiert. "Alles in allem handelt es sich um einen ziemlich komplizierten Aufbau, der eine sorgfältige Planung und Kalibrierung erforderte. Es ist sehr motivierend, mit unseren langjährigen Kooperationspartnern von der University of Science and Technology (USTC) in Hefei, China, wo das Experiment betrieben wird, an solch anspruchsvollen und interessanten Problemen zu arbeiten", berichtet Dmitry Budker.
Nach erfolgreichem Proof-of-Principle starteten die Wissenschaftler erste Messreihen, um nach der exotischen Wechselwirkung zu fahnden. Zwar konnten sie bisher nach 24 Stunden Messzeit kein entsprechendes Signal finden, aber durch die um fünf Größenordnungen höhere Empfindlichkeit ist es gelungen, Beschränkungen für die Stärke der Wechselwirkung des neuen Austauschteilchens mit den Teilchen des Standardmodells festzulegen. Durch weitere Optimierungen könnte die experimentelle Empfindlichkeit gegenüber der speziellen exotischen Wechselwirkung gar um weitere acht Größenordnungen verbessert werden. Dies lässt es möglich erscheinen, mit dem ultrasensitiven SAPPHIRE-Aufbau eine neue Physik mit potentiellen Z' Bosonen entdecken und studieren zu können.