Forschung mit JGU-Beteiligung ermöglicht Synchronisation der Zeitskalen / Späteiszeitliche Klimaveränderung der Jüngeren Dryaszeit keine Folge des Vulkanausbruchs
16.01.2025
Der Ausbruch des Laacher-See-Vulkans vor gut 13.000 Jahren förderte riesige Mengen an Asche und Bims zutage, die sich im Rheintal und angrenzenden Gebieten in meterdicken Ablagerungen niederschlugen. Aber selbst in Frankreich, Norditalien und Skandinavien fiel Ascheregen vom Himmel. Der Ausbruch konnte nun an einem Stalagmiten aus der Tropfsteinhöhle Herbstlabyrinth im Westerwald nachgewiesen und präzise datiert werden. "Dies ermöglicht erstmalig eine Synchronisierung der Eisbohrkerne aus Grönland mit anderen terrestrischen Klimaarchiven aus dem europäischen Raum", sagt Prof. Dr. Denis Scholz, Leiter der Arbeitsgruppe Isotopengeochemische Paläoklimatologie/Speläothemforschung am Institut für Geowissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). Der Paläoklimaforscher war mit seiner Arbeitsgruppe an den Forschungen beteiligt, die in Zusammenarbeit mit der Universität Heidelberg erfolgten und in der renommierten Wissenschaftszeitschrift Science Advances veröffentlicht wurden.
Ursachen für abrupten Klimawandel gesucht
Um die Auswirkungen der aktuellen Eisschmelze in der Arktis beurteilen zu können, ist es hilfreich, frühere Ereignisse eines abrupten Klimawandels genau zu analysieren. Vor etwa 13.000 Jahren war es im atlantisch-europäischen Raum zu einem Temperatursturz und nahezu eiszeitlichen Klimabedingungen gekommen, dem Beginn der Jüngeren Dryaszeit. Unsicher ist, wie schnell sich dieser Klimawandel in Europa Richtung Süden ausgebreitet hat, weil die Zeitskalen von Klimaarchiven aus dem europäischen Festland und den Eisbohrkernen nicht ausreichend synchronisiert sind. Eisbohrkerne aus Grönland sind ein wichtiges Klimaarchiv und geben mit ihren paläoklimatischen Daten Auskunft über die Klimageschichte der Erde.
Als eine mögliche Ursache für den massiven Kälteeinbruch der Jüngeren Dryaszeit wurde unter anderem auch der Ausbruch des Laacher-See-Vulkans in Betracht gezogen. Der Laacher See liegt in der Eifel etwa 100 Kilometer von der Tropfsteinhöhle Herbstlabyrinth entfernt – dem größten hessischen Höhlensystem, das teilweise auch besichtigt werden kann. Die schwefelreiche Eruption des Vulkans hatte auch oberhalb der Höhle Bims abgelagert. Erfolg hatten die Forschenden nun mit ihrer Idee, einen etwa 15 Zentimeter großen Stalagmiten gezielt auf Anzeichen für den Vulkanausbruch zu untersuchen. Stalagmiten sind Tropfsteine, die vom Boden aus nach oben wachsen. Sie eignen sich für die Klimaforschung besonders gut, weil sie regelmäßiger wachsen als Stalaktiten, die von der Decke hängen.
Stalagmit aus dem Herbstlabyrinth zeigt Schwefel-Einlagerung des Vulkanausbruchs
"Tatsächlich haben wir in unserem Stalagmiten einen großen Schwefel-Peak gefunden, den wir als eindeutiges Signal der Eruption des Laacher-See-Vulkans interpretieren", sagt Dr. Michael Weber, Co-Autor der Veröffentlichung aus der AG Scholz. "Es ist schon spektakulär, in einem Stalagmiten gezielt nach einem einzelnen Vulkanausbruch zu suchen und auch fündig zu werden", ergänzt der Wissenschaftler.
Aber damit nicht genug: Die Forschenden verglichen die Befunde mit den Daten von Eisbohrkernen aus Grönland. "Der eigentliche Clou ist, dass wir den Schwefel-Peak aus dem Herbstlabyrinth und damit den Vulkanausbruch eindeutig einem Schwefel-Peak im grönländischen Eis zuordnen können. Das war bisher nicht möglich", so Denis Scholz. Schwefel steigt bei einem Vulkanausbruch in die Atmosphäre auf, wird mit den Winden zerstreut und kann sich dann im Eis niederschlagen. So auch im Falle des Laacher-See-Ausbruchs. Die Eruption des Vulkans wird nun nach den übereinstimmenden Daten auf etwa 13.008 Jahre Before Present – definiert als Zeit vor dem Bezugsjahr 1950 – veranschlagt. "Mit dieser Arbeit haben wir die Zeitskalen der grönländischen Eisbohrkerne und anderer Klimaarchive in Europa mittels der Laacher-See-Eruption synchronisiert", fasst Denis Scholz zusammen.
Die jetzt veröffentlichten Forschungsarbeiten um Erstautorin Dr. Sophie Warken von der Universität Heidelberg, ehemalige Doktorandin von Prof. Dr. Denis Scholz an der JGU, bestätigen auch unzweifelhaft, dass der Ausbruch des Laacher-See-Vulkans nicht für die Jüngere Dryas-Kaltzeit verantwortlich war, sondern etwa 150 Jahre früher stattgefunden hat. "Einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den beiden Ereignissen können wir nun definitiv ausschließen", erklärt Denis Scholz.
Kooperation von Forschenden aus Deutschland, Australien und der Schweiz
An der Forschungsarbeit und der Publikation "Discovery of Laacher See Eruption in Speleothem Record Synchronizes Greenland and Central European Late Glacial Climate Change" waren neben der Universität Heidelberg als federführender Einrichtung und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz auch die Curtin University in Australien und die Universität Bern in der Schweiz beteiligt. Die Arbeiten erfolgten im Rahmen des Gemeinschaftsprojekts TeMaS – Terrestrial Magmatic Systems der Universitäten Mainz, Frankfurt am Main und Heidelberg.