Schwankungen wie extreme Temperaturen und Niederschläge im Vergleich zu langfristigen Klimatrends bisher unterschätzt
04.02.2013
Baumringe, Eisbohrkerne und Stalagmiten gelten als natürliche Klimaarchive, mit deren Hilfe sich das Klima vergangener Epochen rekonstruieren lässt. Doch wie genau sind die Informationen aus diesen Archiven? Forscher der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) im schweizerischen Birmensdorf, des Oeschger Zentrums der Universität Bern und des Geographischen Instituts der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) haben herausgefunden, dass jährliche Schwankungen wie beispielsweise extreme Temperaturen und Niederschläge im Vergleich zu langfristigen Klimatrends bisher unterschätzt wurden. Die Erkenntnisse wurden unlängst in der renommierten Fachzeitschrift Nature Climate Change publiziert.
Bei der Rekonstruktion des Klimas vergangener Epochen spielen natürliche Archive eine bedeutende Rolle. In Baumringen, Stalagmiten, Korallen und Seesedimenten sowie im Gletschereis finden sich Klimainformationen, die Tausende von Jahren zurückreichen. Ein internationales Team von Wissenschaftlern hat jetzt Klimadaten aus diesen sog. Proxy-Archiven mit Klimamodellen sowie instrumentell erhobenen Messreihen der Temperatur und des Niederschlags verglichen.
Die Wissenschaftler fanden heraus, dass sich aus manchen dieser Proxy-Zeitreihen nur bedingt klimatische Informationen ableiten lassen. So wird die Breite oder Dichte von jährlich angelegten Baumringen im Holz nicht nur von der aktuellen Temperatur, sondern auch vom Klima des Vorjahrs sowie von anderen Wachstumsfaktoren wie dem Alter eines Baums beeinflusst. Es gilt dann, den Einfluss der Temperatur auf das Holzwachstum von anderen Einflussgrößen zu trennen. Die Forscher fanden heraus, dass stark schwankende Größen wie die jährliche Variabilität der über einer Landmasse gemessenen Lufttemperatur in Proxydaten grundsätzlich unterschätzt werden, langfristige Niederschlagtrends hingegen werden von den Proxy-Archiven eher überschätzt. Dadurch entsteht ein verzerrtes Bild des Klimas früherer Epochen. Die beteiligten Wissenschaftler schließen aus ihrer Arbeit auch, dass Jahre mit extremen Temperaturen und Niederschlägen in den Proxy-Archiven oft unterschätzt wurden.
Die Autoren der Studie empfehlen, dass sich die Forschung stärker mit den einzelnen Faktoren und Prozessen auseinandersetzen müsse, die Baumringe, Eis- oder Stalagmitenschichten erzeugen. Sie warnen explizit davor, von Proxy-Archiven, die die Temperaturentwicklung relativ genau wiedergeben, auf Niederschlagstrends zu schließen und umgekehrt. Demnach lässt sich die Klimaentwicklung erst dann genauer bestimmen, wenn die Einflussgrößen der Proxydaten besser bekannt sind. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass es bei Klimarekonstruktionen Unsicherheiten gibt, die bei globaler Betrachtung bisher noch nicht bekannt waren. Dies mag erstaunen, denn generell weiß man heute ja mehr und besser über das Klima der Erde Bescheid als noch vor 20 Jahren. Für mich als Wissenschaftler ist es jedoch normal, dass wir neue Grenzen entdecken, währenddem wir verfeinerte Klimarekonstruktion entwickeln", so Dr. David Frank von der WSL, einer der Autoren dieser Studie. Demnach sei noch viel Grundlagenforschung zu betreiben, um ein genaueres Bild des Klimas aus Zeiten vor der menschlichen Beeinflussung zu erhalten.