Forschungsstelle Rutschungen arbeitet seit 14 Jahren an der wissenschaftlichen Erfassung und Problemlösung von Hang- und Böschungsbewegungen
12.04.2011
Der Felssturz auf die Gotthard-Autobahn im Mai 2006, die Schlammlawine auf den Philippinen im Dezember 2006, der Felsabbruch in Kairo im September 2008 oder die Böschungsrutschung am Tagebausee in Nachterstedt im Juli 2009 - Ereignisse wie diese zeigen die allgegenwärtige Gefährdung durch das Naturphänomen Rutschungen. Nach Einschätzung der Forschungsstelle Rutschungen an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) kommen derartige Ereignisse in den letzten Jahren häufiger vor. "Es gibt keine zentrale Erfassungsstelle und viele Rutschungen werden nicht gemeldet, aber unser Eindruck ist, dass Rutschungen in den letzten 2-3 Jahren weltweit zugenommen haben", so Dr. Johannes Feuerbach, Wissenschaftlicher Direktor der Forschungsstelle. "Wir sehen hier dringenden Handlungsbedarf in Deutschland und auf der ganzen Welt."
Vor dem Hintergrund, dass die wirtschaftlichen Schäden durch Rutschungen weltweit ein immer größeres Ausmaß annehmen und dass beim Erkennen von Rutschungen und der Gefahrenabschätzung noch ein erhebliches Wissensdefizit besteht, wurde die Forschungsstelle Rutschungen (FSR) 1997 als ein An-Institut der JGU gegründet. Wissenschaftler der Ingenieurgeologie, Hydrogeologie, Geomorphologie, Geophysik und des Bauingenieurwesens sammeln hier das Wissen über Hang- und Böschungsbewegungen und entwickeln Lösungsmöglichkeiten für die Sanierung und Stabilisierung von Rutschungen.
Aktuell arbeitet die Forschungsstelle im Auftrag der Bundesanstalt für Straßenwesen an einem Projekt, um die Risiken von Rutschungen durch die mögliche Zunahme von Extremwetterereignissen abzuschätzen. "Dass die Rutschungen in den letzten Jahren zugenommen haben und wahrscheinlich weiter zunehmen werden, liegt möglicherweise an der Klimaveränderung", so Feuerbach. Er weist darauf hin, dass die Experten der FSR sich bei ihren Aussagen auf Klimamodelle stützen, die wiederum mehrheitlich einen Klimawandel prognostizieren. "Dann müssen wir mit höheren Niederschlägen und Starkregen rechnen", erklärt Feuerbach. "Dieses Problem wird derzeit noch unterschätzt."
Besonders betroffen sind naturgemäß Gebiete, die sich in Hanglagen befinden. Am schlimmsten trifft es oft völlig mittellose Bevölkerungsgruppen, die sich wie etwa in den Favelas von Rio de Janeiro am steilen Stadtrand niederlassen - Gebiete, die bei Sommerregen stark vom Absturz bedroht sind. Aber auch hierzulande sind durch menschlichen Eingriff in Hanglagen Gefahrenzonen entstanden, etwa durch die land- und forstwirtschaftliche Nutzung, Flurbereinigungen, den Bau von Verkehrswegen und Siedlungen sowie durch Änderungen in der Grundwasserführung. Wünschenswert wäre angesichts der Klimaerwartungen, die gefährdeten Gebiete deutschlandweit zu erfassen und in einer Art "Gefahrenatlas" darzustellen. Baumaßnahmen könnten dann vorab besser geplant werden.
Die Forschungsstelle Rutschungen vermittelt ihr Wissen in Vorlesungen, auf Fachseminaren und im Rahmen von Geländeexkursionen an interessierte Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Das 11. Weiterbildungsseminar zum Thema "Rutschungen in W- und SW-Deutschland" findet am 8. und 9. Juni 2011 im Atrium maximum in der Alten Mensa auf dem Campus der Johannes Gutenberg-Universität Mainz statt.