Mainzer Wissenschaftler untersuchen Keimzellen unserer Planeten

Mit dem Meteoriten Murchison kamen refraktäre Metallnuggets aus der Urzeit des Sonnensystems auf die Erde

31.03.2011

Staubkörner aus einer unnachahmlichen Mischung verschiedener seltener Metalle waren sehr wahrscheinlich die Keimzellen für die Bildung unserer Planeten. Wissenschaftler des Instituts für Physik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) haben die winzigen Teilchen aus der Urzeit unseres Sonnensystems in einem Meteoriten ausfindig gemacht, der 1969 über Australien niedergegangen ist. Sie konnten die chemische Zusammensetzung analysieren und anhand dieser Messungen rekonstruieren, wie aus einer sich langsam abkühlenden Gaswolke vor rd. 4,6 Milliarden Jahren die ersten Feststoffe unseres Sonnensystems entstanden sind. Eine Arbeit in Kooperation mit Wissenschaftlern der Universität Bayreuth, des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz und Prof. Dr. Herbert Palme vom Naturmuseum Senckenberg in Frankfurt am Main hat die ersten Befunde über die refraktären Metallnuggets (RMN) bestätigt und präzisiert. Die Ergebnisse wurden Mitte März auf der 42. Lunar and Planetary Science Conference in Houston, USA, vorgestellt.

"Es war ein Zufallsfund", so Dr. Thomas Berg heute über die Entdeckung von einigen hundert RMN in einer Gesteinsprobe des Murchison, eines 100 kg schweren Meteoriten aus dem Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter. "Man muss wirklich nach der Nadel im Heuhaufen suchen und wir haben Glück gehabt." Berg, Mitarbeiter am Institut für Physik der JGU, hat 2009 in wochenlanger Feinarbeit eine 30-Gramm-Probe des Meteoritengesteins aufbereitet und unter dem Elektronenmikroskop durchforstet. Bei Verdacht auf einen Fund wird das entsprechende Partikel mit einem fokussierten Elektronenstrahl beschossen und das dabei erzeugte Spektrum aus Röntgenstrahlen analysiert. Hieraus lässt sich die chemische Zusammensetzung der Teilchen bestimmen. "Die ersten RMN wurden 1976 entdeckt und seither gibt es die Vermutung, dass es sich um ursprüngliche Kondensate aus der Kinderstube des Sonnensystems handelt. Aber es waren einfach zu wenige für eine solide Untersuchung." Während in den 35 Jahren seit dem ersten Fund nur einige Dutzend RMN entdeckt wurden, hat Berg auf einen Schlag fast 500 dieser extrem seltenen Metallkörnchen ausfindig gemacht.

Diese Teilchen, die kleiner sind als ein tausendstel Millimeter und eine gleichmäßige, annähernd kugelrunde Form haben, sind wie ein Film aus den Anfängen unseres Sonnensystems: Sie zeigen, wie sich die allerersten festen Bestandteile gebildet haben, aus denen über Jahrmillionen die Planeten, ihre Monde und Asteroiden wurden. "Das Fantastische ist, dass sich unsere RMN seit ihrer Entstehung aus dem solaren Nebel nicht verändert haben", sagt Berg mit einem Hinweis darauf, dass die meisten Meteoriten unter dem Einfluss von Wasser und hohen Temperaturen verändert wurden. "Wir haben hier also die ursprünglichste Materie aus der Entstehungsphase unseres Sonnensystems in den Händen."

Dank der großen Anzahl und der unterschiedlichen Zusammensetzungen der gefundenen Metallteilchen konnten die Wissenschaftler rekonstruieren, wie sich die Gaswolke des solaren Nebels von ehemals etwa 1.700ºC abgekühlt hat, nämlich um max. 0,5ºC pro Jahr in der Entstehungsregion der erdähnlichen Planeten. "Unsere Daten sind im übertragenen Sinne ein Thermometer für die früheste Phase des Sonnensystems." Die enthaltenen Metalle, die mit dem Meteoriten auf die Erde kamen, gehörten wegen ihrer hohen Kondensationstemperaturen von über 1.300ºC zu den ersten Stoffen, die aus dem solaren Nebel in die feste Phase übergegangen sind. In ihrer Zusammensetzung sind die RMN einmalig: Wolfram, Osmium, Iridium und Molybdän ergeben eine extrem stabile Legierung, die in dieser Form in keinem Labor der Erde hergestellt werden könnte.

In aktuellen Untersuchungen an der JGU und am Max-Planck-Institut für Chemie wird diesen Metallpartikeln, die auch starken Säuren widerstehen, jetzt in Dünnschliffen des Meteoriten zu Leibe gerückt, um sie so anschließend in ihrer ursprünglichen Umgebung mit Hilfe eines Transmissions-Elektronen-Mikroskops weiter zu untersuchen. Hierdurch sollte es möglich sein, weitere Eigenschaften des solaren Nebels zu rekonstruieren und so letztendlich die ersten Schritte der Planetenbildung besser zu verstehen.