Lignin statt Vanadium: Mainzer Wissenschaftler forschen an nachhaltiger Alternative zu Metallverbindungen in großen Stromspeichern

Siegfried Waldvogel sucht nach Alternativen zu begrenzt verfügbaren Metallsalzen

04.11.2020

Wissenschaftler der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) erforschen, wie sich aus dem Holzbestandteil Lignin Materialien gewinnen lassen, die als Elektrolyte in Stromspeichern dienen und dadurch eine nachhaltige Alternative zu begrenzt verfügbaren Metallsalzen auf der Basis von Lithium, Blei oder Vanadium darstellen könnten. Die Forschungen sind Teil des Verbundprojekts "FOREST II", das im September 2020 gestartet ist, und werden vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft mit rund 250.000 Euro gefördert. Das Forschungskonsortium wird koordiniert von der in Alzenau ansässigen CMBlu Energy AG. Diese hatte in einem Vorläuferprojekt bereits die grundsätzliche Verwendbarkeit von Lignin-basierten Elektrolyten für sogenannte Redox-Flow-Batterien – große, stationäre Akkus – demonstriert. "Für uns geht es nun darum, eine Methode zu entwickeln, mit der sich preisgünstig große Mengen dieser Elektrolyte herstellen lassen", sagt Prof. Dr. Siegfried Waldvogel, Sprecher des Spitzenforschungsbereichs SusInnoScience (Sustainable Chemistry as the Key to Innovation in Resource-efficient Science in the Anthropocene) der JGU, der an dem Projekt beteiligt ist.

Waldvogels Idee ist es, die für die Batterien benötigten Elektrolyte mithilfe von Elektrolyse, also durch den Einsatz von Strom, aus dem Lignin zu gewinnen. Dadurch würden keine teuren und umweltschädlichen Reagenzien benötigt. Dass eine solche Methode grundsätzlich möglich ist, habe er bereits nachgewiesen. Ein weiteres Ziel von Waldvogel in dem Projekt ist es, mehr über die Abbauprozesse Lignin-basierter Elektrolyte herauszufinden und dadurch die Lebensdauer der entsprechenden Batterien zu verlängern. "Über die Abbaumechanismen solcher Elektrolyte ist bisher sehr wenig bekannt, das ist wissenschaftliches Neuland", sagt Waldvogel.

Lignin fällt jährlich im Umfang von mehr als 100 Millionen Tonnen als Abfall bei der Zellstoffherstellung an und wird dann im Wesentlichen verbrannt. Es steht also preisgünstig in großen Mengen zur Verfügung. "Wenn wir mit dem Projekt erfolgreich sind und es uns gelingt, preiswerte Akkus mit Elektrolyten aus Lignin herzustellen, wäre das eine echte Innovation. Dann wäre man nicht mehr von knappen Metallen abhängig", sagt Waldvogel. Stromspeichern kommt bei der Energiewende eine zentrale Rolle zu: Denn die Stromproduktion aus Sonnen- oder Windkraft richtet sich nicht nach dem Verbrauch, sondern nach den natürlichen Bedingungen – in der Regel wird entweder zu viel oder zu wenig Strom produziert. Eine Lösung dafür könnten große Akkus darstellen. Die zu diesem Zweck bereits verwendeten Akkus benötigen fast alle Metallverbindungen, die auf Lithium, Blei oder Vanadium basieren. Deren Gewinnung ist aber teuer und umweltschädlich, was bei steigender Nachfrage noch problematischer werden könnte. Für Lithium-Ionen-Akkus wird außerdem Kobalt verwendet, das vor allem im Kongo und dort teilweise unter prekären Bedingungen abgebaut wird.