Carl-Zeiss-Stiftung fördert Forschungsprojekt "ECHELON" der Johannes Gutenberg-Universität Mainz mit rund zwei Millionen Euro
09.09.2020
Hochwertige Chemikalien für die Papier- oder Pharmaindustrie aus Biomasse, zum Beispiel Stroh oder Laub, gewinnen? Generell ein guter Ansatz. Doch dabei gibt es einen Haken: Dafür müssen die Sauerstoff-Atome aus den organischen Verbindungen entfernt werden, was bislang nur bei hohem Druck und hoher Temperatur und somit bei schlechter Energieeffizienz gelingt. Außerdem werden dafür teure, gefährliche und häufig umweltschädliche Katalysatoren benötigt. Anders sieht es grundsätzlich aus, wenn man die Sauerstoff-Atome via Strom, per Elektrolyse, löst. Dann sind Katalysatoren unnötig, und Strom steht durch Wind- und Solaranlagen zeitweise im Überschuss zur Verfügung. Um die Elektrolyse umweltfreundlich zu halten, muss sie in Wasser oder in einfachen Alkoholen stattfinden. Das jedoch birgt ein Problem: Statt der Abspaltung der Sauerstoff-Atome aus den organischen Verbindungen kommt es häufig zu einer anderen Reaktion – anstelle der gewünschten Chemikalien bildet sich Wasserstoff.
Quantenchemie trifft Multiskalen-Modellierung
Im Projekt "ECHELON" – kurz für "Disruptive Elektroden-Elektrolyt-Konzepte jenseits aktueller wissenschaftlicher Beschränkungen" – wollen Forscher der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) dies nun ändern: Dafür arbeiten Experten der beiden Spitzenforschungsbereiche "SusInnoScience" und "M3ODEL" Hand in Hand. Das vor kurzem bewilligte Projekt wird von der Carl-Zeiss-Stiftung mit rund zwei Millionen Euro gefördert, startet am 01. Januar 2021 und hat eine Laufzeit von fünf Jahren. Die Idee: "Wir bringen Kationen auf die Oberfläche der Kathode. Sie ist also positiv geladen, daher können sich die ebenfalls positiv geladenen Wasserstoffionen nicht anlagern", sagt Prof. Dr. Siegfried Waldvogel, der leitende Wissenschaftler von ECHELON und Sprecher von "SusInnoScience", über das zugrunde liegende Prinzip. Vorarbeiten hätten gezeigt, dass der Ansatz generell funktioniere. Nun arbeiten die Forscher daran, die Theorie dahinter zu verstehen, um den Vorgang zielgerichtet optimieren zu können. Was zunächst so einfach klingen mag, ist jedoch äußerst komplex. "Wir müssen die beiden großen Gebiete der Quantenchemie und der Multiskalen-Modellierung zusammenbringen. Mit der Quantenchemie können wir die chemischen Reaktionen auf der Kathode berechnen, wohingegen es die Multiskalen-Modellierung erlaubt, die Bewegung und Konzentration der Ionen in der die Kathode umgebenden Flüssigkeit theoretisch abzubilden", sagt Waldvogel.
Ein solches theoretisches Modell für die Elektrochemie zu erstellen, ist laut Waldvogel weltweit einmalig – und hat das Potenzial, sowohl die Elektrochemie allgemein als auch die entsprechende Forschung in Mainz enorm weiterzuentwickeln. "Mit dem Projekt können wir Türen öffnen, die vorher systematisch verschlossen waren und zahlreiche neue Anwendungen erschließen", ist sich Waldvogel sicher. Ein Beispiel seien Abfallströme: Möglicherweise könnten mit der Elektrochemie künftig Überreste recycelt werden, die bei der Herstellung von Kunststoffen wie Nylon oder Perlon entstünden.
Über die Carl-Zeiss-Stiftung
Die Carl-Zeiss-Stiftung hat sich zum Ziel gesetzt, Freiräume für wissenschaftliche Durchbrüche zu schaffen. Als Partner exzellenter Wissenschaft unterstützt sie sowohl Grundlagenforschung als auch anwendungsorientierte Forschung und Lehre in den MINT-Fachbereichen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik). 1889 von dem Physiker und Mathematiker Ernst Abbe gegründet, ist die Carl-Zeiss-Stiftung eine der ältesten und größten privaten wissenschaftsfördernden Stiftungen in Deutschland. Sie ist alleinige Eigentümerin der Carl Zeiss AG und SCHOTT AG. Ihre Projekte werden aus den Dividendenausschüttungen der beiden Stiftungsunternehmen finanziert.