Mainzer Medizin-Projekt an simulierter Marsmission Mars500 beteiligt / Wissenschaftler ziehen positive Zwischenbilanz
16.02.2011
Die Mars500-Mission - eine simulierte Mission zum Roten Planeten, an der auch Wissenschaftler der Universitätsmedizin Mainz beteiligt sind - hat Halbzeit: Nach einem 250-tägigen virtuellen Flug sind die Crewmitglieder in diesen Tagen auf dem virtuellen Roten Planeten gelandet und in ihren Raumanzügen dem Isolationscontainer im Moskauer Institut für Biomedizinische Probleme (IBMP) entstiegen. Mainzer Wissenschaftler sind an der Mars500-Mission mit der Fragestellung beteiligt, wie medizinische Notfälle ohne äußere Hilfe zu managen sind. Die Gruppe um Prof. Dr. Dr. Wolf Mann, Direktor der Hals-, Nasen-, Ohren-Klinik und Poliklinik - Plastische Operationen, und Prof. Dr. Christian Werner, Direktor der Klinik für Anästhesiologie, zieht anlässlich der virtuellen Landung auf dem Mars eine positive Halbzeitbilanz: Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass durch gezielte Schulungen der Crewmitglieder medizinische Notfälle auf einem künftigen Flug zum Mars beherrschbar sind.
Mit der Mars500-Mission wollen die europäische Weltraumagentur ESA und das russische Institut für Biomedizinische Probleme (IBMP) klären, ob die physische und psychische Gesundheit eines Menschen unter den extremen Bedingungen eines Flugs zum Mars gewährleistet werden kann. Um dies festzustellen, müssen die Crewmitglieder verschiedene Aufgaben und Experimente meistern. Dazu zählt auch die Fragestellung, wie medizinische Notfälle ohne äußere Hilfe zu managen sind. Die Antworten und gleichzeitig auch ein Konzept hierzu haben Experten der Universitätsmedizin Mainz entwickelt - und nun auch erfolgreich angewendet. Die Finanzierung erfolgt durch eine Projektförderung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Höhe von €257.000.
"Etwa 250 Tage für den Hinflug, 30 Tage Aufenthalt auf der Oberfläche des Mars und 240 für den Rückflug - Experten gehen davon aus, dass eine Langzeitmission zum Mars insgesamt wahrscheinlich 520 Tage dauern wird. Dabei wird die Crew extremen physischen und psychischen Faktoren ausgesetzt sein. Schließlich gilt es, über etwa 1,5 Jahre mit 6 Personen auf engstem Raum auszukommen. Die Nahrung ist rationiert, Krankheiten und Verletzungen müssen sie selbst behandeln. Die Chance einer Unterstützung bei der Rettung Erkrankter oder Verletzter von der Erde aus ist sehr gering, da die Kommunikation nur mit erheblicher Zeitverzögerung von rd. 20 Minuten pro Strecke funktionieren wird", erklärt Prof. Dr. Dr. Wolf Mann, Direktor der Hals-, Nasen-, Ohren-Klinik und Poliklinik - Plastische Operationen, und Leiter des Mars500-Projekts an der Universitätsmedizin Mainz.
"Daher muss die Besatzung lernen, vollständig autark zu überleben. Insbesondere da alles passieren kann, was sonst auch möglich ist. Im Extremfall muss die Crew sogar in der Lage sein, ein Crewmitglied zu reanimieren. Eine speziell für Langzeitmissionen entwickelte Ausbildung der Astronauten ist geradezu überlebensnotwendig", ergänzt Prof. Dr. Christian Werner, Direktor der Klinik für Anästhesiologie.
Daher haben die Mediziner der Universitätsmedizin Mainz ein Trainingskonzept für das wissenschaftliche Simulationsprojekt des IBMP und der ESA entwickelt, anhand dessen Laien für medizinische Notfallsituationen ausgebildet werden können. Bevor die künftigen Test-Astronauten in ihre "Mars-WG" eingezogen sind, wurden sie im Rahmen einer 3-tägigen Erstausbildung vor Ort in Moskau von den Mainzern trainiert. "Dabei stand das praktische Üben der speziell für die Bedingungen in der Schwerelosigkeit modifizierten notfallmedizinischen Behandlungschecklisten - bspw. zur Vorgehensweise bei einem Herzstillstand - im Vordergrund", erklärt Dr. Julian Graf, Assistenzarzt an der Klinik für Anästhesiologie, der in Moskau vor Ort war. "Die Besatzung hat unsere notfallmedizinische Ausbildung mit sehr gutem Ergebnis absolviert, alle Teilnehmer waren sehr motiviert."
Das angewendete Trainingskonzept basiert dabei auf Ergebnissen einer Vorstudie mit Mainzer Medizinstudenten sowie den Erfahrungen, die das Team um Prof. Dr. Wolf Mann und Prof. Dr. Christian Werner bei einer Studie mit der Stationsbesatzung der antarktischen Polarstation Concordia gemacht haben.
Um das erlernte medizinische Wissen möglichst langfristig bei den Teilnehmern zu verankern, stehen für die Ausbilder aus der Klinik für Anästhesiologie und der Hals-, Nasen-, Ohren-Klinik das praktische Üben der theoretisch gelernten Kenntnisse im Fokus. Während des 250 Tage dauernden virtuellen Hinflugs hat die Besatzung mehrere Notfallszenarien absolviert. Dabei galt es, diese Szenarien an der Simulationspuppe durchzuspielen, und das theoretische Wissen wurde mittels Multiple-Choice-Fragebögen abgefragt. "Insgesamt verlief die notfallmedizinische Versorgung und Behandlung der Simulationspuppe mehrfach sehr gut und die Crewmitglieder haben alle Notfallszenarien erfolgreich gelöst", so die positive Bilanz von Prof. Wolf Mann. "Ein positives Behandlungsergebnis ist daher auch bei einem echten Patienten sehr wahrscheinlich." In einem nächsten Schritt sollen nun Auffrischungskurse für einen Teil der Crew stattfinden. Ziel ist es, herauszufinden, wie die Teilnehmer dabei insgesamt abschneiden und wie hoch der Wissensverlust mit und ohne Auffrischung ist.
Weitere Informationen zu Mars500
Gemeinsam mit der Europäischen Weltraumagentur ESA simuliert das russische Institut für Biomedizinische Probleme (IBMP) einen Flug zum Mars. Diese Isolationsstudie trägt den Titel "Mars500" und Wissenschaftler untersuchen über 520 Tage hinweg das Durchhaltevermögen der Teilnehmer. Insgesamt 6 Teilnehmer werden zur "Mars500"-Crew gehören, 2 Europäer, 3 Russen und 1 Chinese. An die freiwilligen Teilnehmer stellen das IBMP und die ESA in etwa dieselben Anforderungen, die sie auch an Astronauten stellen würden, die an einer echten Marsmission teilnehmen wollen.
Ort der Isolationsstudie ist der Mars500-Container im Institut für Biomedizinische Probleme in Moskau. Dabei handelt es sich um ein röhrenförmiges Modulsystem mit einer Wohn- und Arbeitsfläche von 180 m2. Hinzu kommen Kühlzellen für die Nahrungsmittel sowie eine Quarantänestation. Jedem Test-Astronauten steht eine Kabine von 3 m2 Grundfläche einschließlich eines schmalen Betts zur Verfügung.
Eine bemannte Mission zum Mars stellt nicht nur große Anforderungen an die Technik, sondern auch an die Astronauten: Etwa eineinhalb Jahre lang muss die Mannschaft auf engstem Raum zusammenleben und gemeinsam alle auftretenden Probleme meistern. Auch diese zwischenmenschlichen Aspekte wollen das IBMP und die ESA im Rahmen dieser simulierten Marsmission genauer unter die Lupe nehmen. Dabei erwartet die Crew eine Vielzahl von Experimenten – und "unerwarteten Problemen", die die Forschungsleitung von außen einspielen wird. Außerdem sind bis zu 40-minütige Verzögerungen bei der Kommunikation zur und von der "Bodenstation" hinzunehmen.