Sprache der Bilder steht im Mittelpunkt der Vorlesungsreihe des Schweizer Professors für Neuere Kunstgeschichte
09.11.2010
Er befasst sich mit einer der großen kulturellen, sozialen und wissenschaftlichen Herausforderungen der Gegenwart - der Macht, Bedeutung und Sinnerzeugung von Bildern: Der international renommierte Kunsthistoriker Prof. Dr. Gottfried Boehm hat die Bildgeschichte und Bildwissenschaft zum seinem Forschungsthema gemacht. Er leitet den Nationalen Schweizerischen Forschungsschwerpunkt "Eikones - Bildkritik. Macht und Bedeutung der Bilder". Der Ordinarius für Neuere Kunstgeschichte an der Universität Basel ist Inhaber der Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur 2011 der "Freunde der Universität Mainz e.V.". Seine Veranstaltungsreihe steht unter dem Titel "Die Sprache der Bilder". Gemeinsam mit prominenten Persönlichkeiten wird sich Prof. Dr. Gottfried Boehm in seinen Vorlesungen mit der Bedeutung und Wirkung von Bildern auseinandersetzen, mit ihrer Funktion und Erscheinungsvielfalt als künstlerisches, wissenschaftliches, religiöses und kommunikatives Medium.
In der europäischen Wissenschaftsgeschichte ist der Bilddiskurs erst spät entstanden, was angesichts einer alten und starken Bildkultur verwundert. Und es ist umso überraschender angesichts reproduktiver Bildtechniken, die das fotografische und das bewegte Bild zu einem massenhaften Gebrauchsgegenstand gemacht haben. Dank digitaler Technologien wurden Bilder in den vergangenen Jahren, was sie zuvor in der Geschichte nie gewesen waren, nämlich alltägliche Mittel einer weltweiten Kommunikation. Gottfried Boehm hat entscheidende Impulse zur Entstehung einer neuen Bildwissenschaft gegeben. Den von ihm mitgeprägten "iconic turn", die Wende zum Bild seit dem Ende des 20. Jahrhunderts, die entwickelten Verfahren der Bildforschung und die gewonnenen Einsichten wird er mit seinen Gästen und dem Publikum analysieren und diskutieren.
"Die digitale Revolution hat eine bildgestützte Gesellschaft hervorgebracht. In noch nie da gewesener Weise benützen wir Bilder für die universelle Kommunikation und als Instrumente der Forschung und Wissensvermittlung. Wir freuen uns daher ganz besonders, dass es uns gelungen ist, diesen international anerkannten Experten auf dem Gebiet der Bildwissenschaft und Bildgeschichte für die 12. Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur zu gewinnen", erklärt Dr. Klaus Adam, Vorsitzender der Vereinigung der "Freunde der Universität Mainz e.V.", "denn Prof. Boehm widmet seine Aufmerksamkeit nicht nur einem hochaktuellen Thema. Indem seine Vorlesungsreihe Bilderwelten und Bildersprache in den Mittelpunkt rückt, steht sie auch in Kontinuität mit der vorangegangenen Stiftungsprofessur zur Sprachfähigkeit des Menschen - und wird auf diese Weise dem Anspruch unserer Stiftungsprofessur auf Interdisziplinarität und gesellschaftlich relevante Fragestellungen in geradezu idealer Weise gerecht."
Prof. Dr. Gottfried Boehm, 1942 in Braunau in Böhmen geboren, studierte Kunstgeschichte, Philosophie und Germanistik in Köln, Wien und Heidelberg. Nach der Promotion in Philosophie und Habilitation in Kunstgeschichte war er von 1975-1979 Dozent und außerplanmäßiger Professor für Kunstgeschichte an der Ruhr-Universität Bochum. Von 1979-1986 hatte er den Lehrstuhl für Kunstgeschichte an der Justus-Liebig-Universität Gießen inne. Seit 1986 ist Gottfried Boehm Ordinarius für Neuere Kunstgeschichte an der Universität Basel. Dort leitet er auch seit 2005 als Direktor den Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) "Bildkritik". Professor Boehm war 2001/2002 Fellow des Wissenschaftskollegs zu Berlin, ist seit 2006 Korrespondierendes Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften und seit 2010 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten zählen die Kunst der Renaissance, die Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts, zeitgenössische Kunst, Probleme der Gattungen (insbesondere Porträt, Landschaft, Stillleben), Bildtheorie und Bildgeschichte, Methodologie und Hermeneutik sowie Kunsttheorie. Gottfried Boehm ist Autor und Herausgeber zahlreicher Publikationen zum Thema Bild, Bildgeschichte und Bildwissenschaft.
"Faszination durch das Sichtbare"
"Das Ziel der 12. Veranstaltungsreihe der Stiftungsprofessur besteht darin, die Grundlagen des heutigen Bilddiskurses, den aktuellen Stand der Bildforschung und die Bedeutung für Wissenschaft, Kunst und Gesellschaft aufzuzeigen. Und es geht nicht zuletzt darum, die 'Lust am Bild' zu wecken, die 'Faszination durch das Sichtbare' zu vermitteln, die auch für Gottfried Boehms eigene Arbeit leitend ist," erläutert Prof. Dr. Andreas Cesana, Vorsitzender der Stiftung "Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur", das Anliegen der Organisatoren. Und er fügt hinzu: "Die Reflexion über die 'Sprache der Bilder' wird in den einzelnen Vorlesungen mit viel Anschauung und mit zahlreichen Beispielen verbunden, die aus dem weiten Spektrum der Bildproduktion gegriffen sind. Sie reichen von vorgeschichtlichen Faustkeilen bis zu jenen Werken der Moderne, die die gewohnte Erscheinungsweise des Bildes auf die Probe gestellt haben. Sie reichen von bildgebenden Verfahren und Wissenschaftsbildern bis hin zur Analyse wissenschaftlicher Bildwerke." Das Publikum dürfe sich auf anschauliche und spannende Abendveranstaltungen mit einem Stiftungsprofessor freuen, der nicht nur Entstehung, Funktion und Bedeutung von Bildern aufzeigen, sondern auch ihre enorme Wirkung, ihre ominöse Macht und Verführungskraft verdeutlichen möchte.
Gemäß Gottfried Boehm funktionieren Bilder anders als Sätze und sind doch voller Sinn und Mitteilungskraft. Ihr Sagen ist kein wirkliches Sagen, sondern ein Zeigen. Bilder zeigen, wovon sie handeln. Gleichzeitig demonstrieren sie damit, dass Sinn auch jenseits der vokalisierten Sprache entsteht. Wahrnehmung, der Blick auf das Bild, gewinnt laut Gottfried Boehm eine konstitutive Bedeutung. Aspekte der Bildwissenschaft, der Kunstgeschichte, der Linguistik aber auch der Biologie und Paläontologie werde Gottfried Boehm mit international renommierten Forschern diskutieren, erläutert Prof. Cesana.
Öffnung der Universität: Akzeptanz in der Öffentlichkeit
Die Mainzer Stiftungsprofessur ist herausragenden Wissenschaftlern und Persönlichkeiten von internationalem Renommee vorbehalten: Die Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur der Vereinigung der Freunde soll das Ansehen und die Attraktivität der Universität über die Landesgrenzen hinaus fördern und neue Akzente setzen. Als Nachfolger von Fritz Stern, Bert Hölldobler und Hans-Dietrich Genscher, Wolfgang Frühwald, Klaus Töpfer, Peter Ruzicka, Anton Zeilinger, Fritz Melchers, Jan Philipp Reemtsma, Karl Kardinal Lehmann und Angela D. Friederici wird somit auch im Jahr 2011 eine Persönlichkeit von internationaler Bedeutung nach Mainz kommen.
"Mit den aktuellen Fragestellungen nach den medialen Bilderwelten als inszenierter Wirklichkeit und ihrer Relevanz für kommunikative Prozesse in der heutigen Gesellschaft wird die Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur 2011 nicht nur erneut die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich ziehen und damit maßgeblich zum Ansehen der Universität beitragen, sondern auch Impulse in der öffentlichen Diskussion um die Besonderheiten und Macht der Bilder setzen", betont der Präsident der Johannes Gutenberg-Universität, Prof. Dr. Georg Krausch, "denn Gottfried Boehm ist hervorragend geeignet, wissenschaftliche Themen dem Publikum anschaulich und doch auf hohem Niveau zu vermitteln."
Eingerichtet hat die "Vereinigung der Freunde" die Stiftung "Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur" aus Anlass des 600. Geburtstags von Johannes Gutenberg im Jahr 2000. Inhaber der Stiftungsprofessur waren der Kulturhistoriker und Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels Fritz Stern (2000), der führende Vertreter der Evolutionsbiologie und Pionier der Soziobiologie Bert Hölldobler (2001), der frühere Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (2002), der Präsident der Alexander von Humboldt-Stiftung Wolfgang Frühwald (2003), der ehemalige Exekutiv-Direktor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) Klaus Töpfer (2004), der Komponist und Dirigent Peter Ruzicka (2005), der Wiener Experimentalphysiker Anton Zeilinger (2006), der Immunologe Fritz Melchers (2007), der Literatur- und Sozialwissenschaftler Jan Philipp Reemtsma (2008), Karl Kardinal Lehmann (2009) und die Neuropsychologin und Kognitionswissenschaftlerin Angela D. Friederici (2010).