Studierende der Soziologie vergleichen in empirischer Studie Lebensbedingungen und Lebensqualität in den Nachbarstädten
16.02.2011
In Mainz und in Wiesbaden lässt es sich gut leben, wie eine Umfrage des Instituts für Soziologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz zeigt. Im Hinblick auf die eigene Wohnung und die Gegebenheiten im näheren Wohnumfeld beurteilen die Bürgerinnen und Bürger der benachbarten Landeshauptstädte ihren eigenen Wohnort jeweils sehr positiv. Über 80% der Mainzer und Wiesbadener sind mit ihrer Wohnung und dem Wohnumfeld zufrieden oder sehr zufrieden.
Dagegen fällt die Einschätzung zur Mentalität ihrer Mitbürger sehr unterschiedlich aus. "Es zeigen sich Differenzen, wie sie größer kaum sein könnten", heißt es in der Studie, die von Studierenden der Soziologie im Rahmen eines 1-jährigen Forschungsprojekts unter der Leitung von Prof. Dr. Peter Preisendörfer und Dr. Jürgen Schiener erstellt worden ist. Anhand 9 gegensätzlicher Eigenschaftspaare wie "tolerant vs. intolerant" oder "hilfsbereit vs. egoistisch" sollten die Mainzer und Wiesbadener ihre eigenen Mitbürger beurteilen. Bei 8 Eigenschaftspaaren bestehen erhebliche Differenzen, die alle in dieselbe Richtung tendieren, nämlich dass die Mainzerinnen und Mainzer ein positiveres Bild von ihren Mitbürgern haben als die Wiesbadenerinnen und Wiesbadener. Während 69% der Mainzer ihre Mitbürger als gesellig einschätzen und 55% sie für sympathisch halten, finden nur 19 bzw. 23% der Wiesbadener, dass diese Attribute - gesellig bzw. sympathisch - auf ihre Mitbürger zutreffen. Die Mainzer sehen sich selbst als toleranter, hilfsbereiter, friedlicher, sympathischer, optimistischer und mit weitem Abstand geselliger als die Wiesbadener, erläutern Preisendörfer und Schiener die statistische Auswertung.
Die Soziologen weisen explizit darauf hin, dass es bei der Befragung nicht darum ging, die jeweils andere Stadt zu beurteilen, sondern nur darum, Aussagen über den eigenen Wohnort zu machen. Dazu wurde eine Zufallsstichprobe von Mainzer und Wiesbadener Bürgerinnen und Bürgern zu verschiedenen Facetten des Lebens in ihrer jeweiligen Heimatstadt befragt. Die Erhebung erfolgte im Herbst 2010 durch 47 Studierende in 521 mündlichen Interviews, 277 davon in Mainz und 244 in Wiesbaden.
Demnach schätzen bspw. die Wiesbadener die Einkommens- und Verdienstmöglichkeiten in der eigenen Stadt besser ein als die Mainzer: In der hessischen Landeshauptstadt beurteilen 69% der Befragten die Einkommens- und Verdienstmöglichkeiten in ihrer Stadt als gut oder sehr gut, in Mainz waren dies nur 46%. Mainzer Bürger vermissen häufiger Läden oder Geschäfte: 55% fanden, dass etwas fehlt - im Vergleich zu 39% der Wiesbadener. Freizeitaktivitäten und damit auch die Nutzung von Fernseher und Internet wurden ebenso abgefragt wie die Verwendung unterschiedlicher Verkehrsmittel für den Weg zur Arbeit oder das Risiko, in einem Stau stecken zu bleiben.
Immer wieder klingt im Verlauf des Berichts an, dass Wiesbaden einen "grüneren" Charakter aufweist als Mainz, wo die Bewohner auch eindeutig stärker unter Fluglärm leiden. 31% der Mainzer Bürger fühlen sich stark oder sehr stark von Fluglärm belästigt. Allerdings ist das "grünere" Wiesbaden vergleichsweise Fahrrad-unfreundlich und in hohem Maße Auto-orientiert. Das "grauere" Mainz ist eine Stadt, mit der sich die Einwohner in hohem Maße identifizieren, die Verbundenheit mit der eigenen Stadt liegt in Mainz also signifikant höher als in Wiesbaden.
Die Befragten gaben Auskunft zum Einkauf in Bioläden und zur Qualität städtischer Dienstleistungen, über Pflegeeinrichtungen für ältere Menschen, die Baustile in der jeweiligen Stadt, Kriminalität, die Integration von Zuwanderern, wahrgenommene Ungleichheiten zwischen Arm und Reich und vieles mehr. Die Befunde vermitteln damit einen detailreichen Einblick in subjektive Wahrnehmungen, wie also die Mainzer und Wiesbadener Bürger ihre Heimatstadt sehen und einschätzen. Durchgängig hohe Werte bei der Beurteilung von Stadtbild und Stadtimage belegen, dass die Bewohner beider Städte "ein recht positives Bild von ihrer Stadt und deren Qualitäten haben", heißt es in der Studie.