Auftakt des Deutsch-Chinesischen Zentrums für bio-inspirierte Materialien an Universitätsmedizin Mainz

Leuchtturmprojekt richtet Fokus auf Regenerative Medizin

04.03.2013

Ein deutsches Forscherteam um Prof. Dr. Werner E. G. Müller vom Institut für Physiologische Chemie der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und Wissenschaftler der Chinesischen Akademie der Wissenschaften sowie der Chinesischen Akademie der Geowissenschaften haben ein gemeinsames "Deutsch-Chinesisches Zentrum für bio-inspirierte Materialien/Joint Center" eröffnet. Hier wollen die Forscher eng auf dem Zukunftsfeld der Regenerativen Medizin zusammenarbeiten. Ziel ist es, aus der Tiefsee gewonnene neuartige bio-inspirierte Materialien zu nutzen, um daraus Knochenersatzmaterial und Medikamente gegen Osteoporose zu entwickeln. Das Joint Center ist von der Europäischen Union (EU) gleich zum Auftakt mit einem zukunftsorientierten Projekt betraut worden, bei dem es um die Herstellung maßgeschneiderter Knochenimplantate aus dem 3-D-Drucker geht. Das Joint Center ist auf die Dauer von zehn Jahren angelegt und hat seinen Standort sowohl im Mainzer Institut für Physiologische Chemie der Universitätsmedizin Mainz als auch in der Chinesischen Akademie der Geowissenschaften in Peking.

Im Kern beschäftigen sich die im neuen Joint Center vereinten Wissenschaftler mit bio-inspirierten, also der Natur nachempfundenen Materialien. "Einigen Organismen aus der Tiefsee, wie etwa Schwämmen, liegt ein Bauplan zugrunde, an dem wir uns orientieren, um Knochenersatzmaterial künstlich zu entwickeln. Konkret wollen wir mit unseren chinesischen Partnern bio-inspirierte Gerüste aus Biosilikat im Labor herstellen, die als Basis für die Reparatur von Knochen fungieren", erklärt Prof. Dr. Werner E. G. Müller. Das Potenzial des Forschungsfelds ist dem Molekularbiologen zufolge immens, denn die intelligenten sowohl organischen als auch anorganischen Materialien zeigen beeindruckende Eigenschaften wie beispielsweise einen Selbstreparaturmechanismus.

Passend zum Start des Joint Centers fördert die EU das von Müller und seinen chinesischen Partnern initiierte Projekt, das auf die Entwicklung moderner Verfahren zur Knochen- und Gewebetechnologie mittels dreidimensionaler Drucktechnik abzielt. An diesem von der EU mit fast zwei Millionen Euro geförderten Projekt sind deutsche und chinesische Wissenschaftler beteiligt. "Mithilfe der 3-D-Drucktechnik wollen wir passgenaue Implantate herstellen, die es erlauben, zum einen den Defekt im Gewebe exakt auszufüllen und zum anderen die Stabilität wieder herzustellen", so Müller. Dabei soll ein neuartiges polymeres anorganisches (bio-inspiriertes) Material zum Einsatz kommen, das bioverträglich ist und zudem knochenbildende Zellen stimuliert. "Weiterhin erlangen die Zellen durch dieses Material eine Fähigkeit, in höherem Maße neues, köpereigenes Knochenmaterial zu bilden", ergänzt Müller. Bei diesem 3-D-Druckverfahren wird besagtes Material Schicht für Schicht mit einem speziellen Binder zusammengefügt. In einem ersten Schritt kommt ein Programm für computerunterstütztes Zeichnen (CAD-System) zum Einsatz, mittels dessen sich das Knochenimplantat millimetergenau planen lässt.

Das Forschungsinteresse des "Deutsch-Chinesisches Zentrum für bio-inspirierte Materialien", das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung initiiert wurde und seit zwei Jahren zunächst als Joint Lab gefördert wurde, richtet sich aber auch noch auf andere Bereiche wie die Herstellung intelligenter anorganisch/organischer Hybridmaterialien mit neuartigen optisch-mechanischen Eigenschaften für technische Anwendungen, beispielsweise Sensoren.

Neben dem Joint Center werden die Forschungsaktivitäten von Prof. Dr. Werner E. G. Müller und seinem Team flankiert von weiteren Forschungsprojekten. Dazu zählen der im Jahr 2010 eingeworbene ERC Advanced Grant, das EU-Forschungsprojekt "BlueGenics" und das ebenfalls von der EU geförderte Marie Curie International Research Staff Exchange-Projekt "MarBioTec", das dem Austausch europäischer und chinesischer Wissenschaftler dient. An diesen Projekten sind als weitere Projektleiter die Mainzer Wissenschaftler Prof. Dr. Xiaohong Wang und Prof. Dr. Dr. Heinz-Christoph Schröder vom Institut für Physiologische Chemie der Universitätsmedizin Mainz beteiligt.

Nach Auffassung des Wissenschaftlichen Vorstands der Universitätsmedizin Mainz, Prof. Dr. Dr. Reinhard Urban, ist die Gründung des "Deutsch-Chinesischen Zentrums für bio-inspirierte Materialien" in zweierlei Hinsicht bedeutsam. "Zum einen ist das 'Joint Center' ein weiterer wichtiger Eckpfeiler, um das ambitionierte Ziel zu verwirklichen, Knochenersatzmaterialien aus Tiefseeschwämmen zu generieren. Zum anderen hat die Gründung dieses Joint Centers an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz eine starke Signalwirkung. Die Botschaft lautet: Die Universitätsmedizin Mainz ist offen für unkonventionelle Wege und bereit, sich auf neue Perspektiven einzulassen. Darüber hinaus vermag die Gründung des neuen Joint Centers nach meiner Überzeugung der am Hochschulstandort Mainz intendierten Internationalisierung von Wissenschaft und Forschung eine neue Dynamik zu verleihen."

Blaue Biotechnologie

Bei der sog. Blauen Biotechnologie geht es primär um die Nutzung von Organismen aus dem Meer. Besonders im Fokus stehen dabei Schwämme und Bakterien, die unter extremen Bedingungen in mehr als 1.000 Metern Meerestiefe leben. Diese Organismen gelten als Quelle biologischer Substanzen, die sich für technische Prozesse verwenden lassen. Während die Mehrzahl der Enzyme bei hohen Temperaturen denaturiert wird, funktionieren die Biokatalysatoren von Tiefseebakterien unter extremsten Bedingungen, sogar in der Umgebung heißer Tiefseeschlote.

Was die Blaue Technologie für die Forschung so interessant macht, ist die Tatsache, dass selbst scheinbar einfache Organismen im Meer, wie Schwämme, dem menschlichen Organismus in vielerlei Hinsicht sehr ähnlich sind. Die evolutionäre Verwandtschaft zwischen den ältesten Tieren und dem Menschen ist überraschend hoch, wie das Mainzer Forschungsteam in den letzten Jahren mithilfe molekularbiologischer Methoden nachgewiesen hat. Darüber hinaus produzieren diese Organismen jedoch eine Vielzahl von Substanzen, die im Verlauf der Evolution auf höchste Spezifität und Effektivität selektioniert, für therapeutische Anwendungen am Menschen, z.B. zur Therapie von Virusinfektionen, von zunehmendem Interesse sind.