Mainzer Amerikanisten wollen den Mythos "Indianer" aufbrechen
20.04.2011
Ob Karl Mays "edler Wilder" Winnetou, Kevin Costner und sein in der Existenz bedrohter Indianerstamm in Der mit dem Wolf tanzt oder die schöne Häuptlingstochter Pocahontas, zu deren Geschichte sich viele Parallelen im Blockbuster Avatar finden lassen: Die Traumfabrik Hollywood und die westliche Literatur prägen seit jeher unser Bild vom Ureinwohner Amerikas - dem Indianer. Mit dem kürzlich gegründeten "Center for Comparative Native and Indigenous Studies" (CCNIS) am Forschungs- und Lehrbereich Amerikanistik hat die Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) eine Institution geschaffen, die sich zum Ziel gesetzt hat, den Mythos "Indianer" aufzubrechen und die indigenen Völker, so wie sie real existieren, ins westliche Bewusstsein zu rücken.
"Wenn wir von Indianern oder indigenen Völkern sprechen, geistert noch immer das Bild vom edlen Wilden durch die Köpfe vieler Menschen. Das ist einfach nicht richtig", so Prof. Dr. Mita Banerjee, Leiterin des CCNIS. "Wir wollen zeigen, dass diese Mythen kaum etwas mit den Identitäten und Lebenswelten realer Indianer zu tun haben und vor allem, dass die Indianer nicht ausgestorben sind, sondern leben und eigenständige Beiträge zur Kulturproduktion leisten", so Prof. Dr. Mita Banerjee, Leiterin des Center for Comparative Native and Indigenous Studies. Das Zentrum für vergleichende Indigenitätsforschung wird bei seiner Arbeit nicht nur amerikanische Indianer, sondern die indigenen Völker weltweit, also auch Inuit und australische Aborigines, in den Fokus rücken. Das Konzept der Indigenitätsforschung soll zwei bereits bestehende Schwerpunkte der Mainzer Amerikanistik ergänzen: die Autobiografie- und Biografieforschung und die Beschäftigung mit ökologischen Fragestellungen.
Die erste Vorlesungsreihe des Zentrums im Sommersemester 2011 thematisiert unter der Überschrift "Vanishing Indians and Disappearing Inuits? Envisioning Comparative Native and Indigenous Studies" den Gegensatz von Selbst- und Fremdbestimmung indigener Gruppe in den USA, Kanada, Neuseeland und Australien. So befasst sich ein Vortrag der Reihe mit Karl Mays Romanfigur Winnetou als "edlem Wilden", der speziell in Deutschland die Vorstellung vom Ureinwohner Amerikas entscheidend geprägt hat. Die Figur des Winnetou ist typisch für die westliche Darstellung indigener Völker, seien es die amerikanischen "Indianer", die gemeinhin als "Eskimos" bezeichneten Inuit oder die australischen Aborigines, dominiert.
"Gerade die indigenen Völker Nordamerikas werden zumeist als längst ausgestorben dargestellt. Diese Vorstellung, die in der westlichen Literatur und in Hollywood-Filmen verbreitet wird, hat genau wie viele andere Mythen nichts mit der Realität zu tun. Wir wollen die Bilder, die sich die sog. zivilisierte westliche Welt von indigenen Völkern gemacht hat und immer noch macht, prüfen und kritisch analysieren", erklärt Mita Banerjee die Aufgabenstellung der Ringvorlesung.