Alzheimer-Medikamente huckepack ins Gehirn

Pathobiochemie koordiniert neuen Forschungsverbund NanoBrain

25.03.2010

Rund 20 bis 30 Millionen Menschen sind weltweit an Alzheimer erkrankt, eine Chance auf Heilung gibt es bislang noch nicht. Eine neue Therapiemöglichkeit wird in dem gerade gestarteten europäischen Forschungsprojekt NanoBrain überprüft. Ziel der insgesamt fünf beteiligten Forschungspartner aus Deutschland, Österreich und Israel ist es, herauszufinden, ob es mit Hilfe von Nanopartikeln möglich ist, Alzheimer-Medikamente quasi huckepack aus der Blutbahn über die Blut-Hirn-Schranke in das Gehirn zu transportieren, sie dort freizusetzen und somit eine effektive Therapie zuzulassen. Das mit über einer Million Euro geförderte Vorhaben wird dabei vom Institut für Physiologische Chemie und Pathobiochemie der Universitätsmedizin aus koordiniert. Langfristig sollen die dabei gewonnenen Ergebnisse auch auf weitere bisher schwer Blut-Hirn-Schranken-gängige Medikamente ausgedehnt werden.

In Deutschland sind rund 1,2 Millionen Menschen an Alzheimer erkrankt. Bis heute ist die Ursache der Alzheimer-Erkrankung nicht vollständig geklärt. Charakteristisch für diese Erkrankung ist eine zunehmende Verschlechterung der kognitiven Leistungsfähigkeit, die in der Regel mit einer Abnahme der täglichen Aktivitäten, mit Verhaltensauffälligkeiten und neuropsychologischen Symptomen einhergeht. Bereits viele Jahre bevor erste klinische Symptome sichtbar werden, bilden sich im Gehirn des Betroffenen Ablagerungen. Diese Veränderungen sind jedoch bislang nicht behandelbar.

"Das, was die Schlüsselloch-Medizin für die moderne Herzchirurgie bedeutet, können in Zukunft möglicherweise die Therapiekonzepte bei Alzheimer auf Basis von Nanopartikeln sein. Mit Nanopartikeln kann es erstmals gelingen, den Grundstein für eine effektive Therapie der Alzheimer-Erkrankung zu legen und damit eine zentrale Fragestellung im wissenschaftlichen Schwerpunkt Neurowissenschaften aktiv anzugehen", ist der Wissenschaftliche Vorstand der Universitätsmedizin Mainz, Prof. Dr. Dr. Reinhard Urban, überzeugt.

"Die Idee ist, dass wir Strukturen herausfinden, die es ermöglichen, potenzielle Medikamente zur Prävention der Alzheimer-Erkrankung ins Gehirn zu transportieren. Denn bisher scheitert eine Therapie dieser Krankheit u.a. daran, dass die meisten diskutierten Präparate den Wirkungsort im Gehirn nicht erreichen. Dabei spielt die im Gehirn vorhandene physiologische Barriere zwischen Blutkreislauf und Zentralnervensystem (ZNS), die sogenannte Blut-Hirn-Schranke, eine besondere Rolle. Diese zu überwinden soll mittels Nanopartikeln passieren. Die Partner des Forschungsverbunds versuchen nun, diese Nanopartikeln so zu modifizieren, dass sie spezifisch über die Blut-Hirn-Schranke transportiert werden und zusätzlich im Huckepack-Verfahren die gewünschten Medikamente mitnehmen", erklärt Prof. Dr. Claus Pietrzik von der Universitätsmedizin Mainz. Der am Institut für Physiologische Chemie und Pathobiochemie tätige Pietrzik koordiniert das internationale NanoBrain-Team mit Partnern aus drei europäischen Ländern. Im Rahmen des europäischen ERA-Net "Neuron" des 6. Forschungsrahmenprogramms der EU wird das Projekt in den kommenden drei Jahren mit mehr als einer Million Euro gefördert. Die Forschungsförderung der deutschen Gruppen wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) übernommen. Neben dem Team von Prof. Dr. Claus Pietrzik sind auch Wissenschaftler des deutschen Fraunhofer-Instituts für Biomedizinische Technik, der JSW Life Sciences GmbH und der Medizinischen Universität Graz aus Österreich sowie der israelischen Bar Ilan University beteiligt.

European Research Area Network ERA-NET

Die Schaffung eines wettbewerbsfähigen europäischen Forschungsraums ist erklärtes Ziel der Europäischen Kommission. Zur Verwirklichung dieses Ziels wurden im 6. Forschungsrahmenprogramm die ERA-Net-Projekte als neues Instrument eingeführt. ERA-Nets sollen durch Koordination der Forschungsförderung der Mitgliedsstaaten die Zusammenarbeit in einzelnen Themenbereichen fördern und so den europäischen Forschungsraum strategisch und konzeptionell implementieren. Ziel ist es, die Forschungsförderung in den europäischen Mitgliedsstaaten möglichst effizient zu vernetzen. Um die europaweite Koordinierung von Forschungsprogrammen zu verwirklichen, sollen sich Forschungsförderer der Mitgliedsstaaten zusammenschließen und gemeinsame strategische Zusammenarbeiten bis hin zu gemeinsamen Ausschreibungen realisieren. Voraussetzung dafür ist eine Analyse der nationalen Förderprogramme und Förderverfahren, die Evaluierung der jeweiligen Programmzielsetzungen und die Erarbeitung eines gemeinsamen strategischen Förderkonzepts.