Wissenschaftler aus Mainz und Regensburg machen Vorschlag zur Verbesserung des ZVS-Systems
14.01.2010
Die Vergabe von Studienplätzen für zulassungsbeschränkte Fächer wie Medizin oder Pharmazie ist im Prinzip am besten durch die ZVS, die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen in Dortmund, zu lösen. Das ZVS-Verfahren ist den Direktbewerbungen bei den Universitäten überlegen und könnte sogar noch deutlich verbessert werden, sodass die Zahl der frustrierten Bewerberinnen und Bewerber, die keinen Studienplatz an einer ihrer Wunschuniversität oder in Heimatnähe bekommen, halbiert würde. Zu diesem Ergebnis kommt PD Dr. Johannes Josef Schneider von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) in einer Studie, die er gemeinsam mit Kollegen der Universität Regensburg verfasst hat. Ihre Analyse und Optimierungsvorschläge wurden in dem Fachjournal Physica A vorgestellt.
In den meisten Fällen müssen sich die Abiturientinnen und Abiturienten mit ihrem Studienwunsch direkt bei den Hochschulen bewerben, ungefähr ein Drittel der Studienanfängerplätze wird durch die ZVS vergeben. "Beide Verfahren sind bekanntermaßen problematisch", so Schneider, Mitarbeiter am Schwerpunkt für Rechnergestützte Forschungsmethoden in den Naturwissenschaften an der JGU. "Relativ viele Studienanwärterinnen und Studienanwärter sind frustriert und fühlen sich von der ZVS in die Wüste geschickt, weil sie nicht an die gewünschte Universität kommen. Oder aber sie haben überhaupt keinen Studienplatz zu Semesterbeginn, weil sich das Vergabe-Karussell immer noch dreht." Wie Schneider und seine Kollegen Christian Hirtreiter und Ingo Morgenstern von der Universität Regensburg in Computersimulationen festgestellt haben, ist in zulassungsbeschränkten Fächern die Studienplatzvergabe durch die ZVS allerdings die bessere Lösung im Vergleich zu den seit ein paar Jahren praktizierten Direktbewerbungen.
Bei der dezentralen Bewerbung, bei der sich die Studienanwärter direkt bei den gewünschten Unis bewerben, kommt es immer wieder dazu, dass relativ viele Schulabgänger bei Beginn des Semesters noch keinen Studienplatz haben. "Es ist ein Traum der Politik, dass sich die Universitäten ihre Studierenden aussuchen können und selbst feststellen, welche Bewerberinnen und Bewerber für ihre Universität und das bestimmte Fach am besten geeignet ist. Aber die Realität sieht anders aus", so Schneider. Tatsächlich entscheiden auch die Universitäten zu einem guten Teil anhand der Abiturnote. Weil sich die Studienanfängerinnen und Studienanfänger aber bei vielen Universitäten gleichzeitig bewerben, um ihre Chancen auf einen Platz zu erhöhen, bekommen zunächst einmal die mit den besten Abschlüssen eine Zusage, die etwas weniger guten erhalten Ablehnungen und müssen sich erneut bewerben. Die Computersimulationen zeigen, dass die Situation umso schlimmer wird, je mehr Bewerbungen die Schulabgänger jeweils abschicken. "Im Idealfall, wenn sich jede Bewerberin und jeder Bewerber nur bei einer Universität bewerben würde, gäbe es viel weniger Folgerunden und die Studienplätze wären rechtzeitig zu Semesterbeginn vergeben." Falls die Bewerberinnen und Bewerber aber ihr Glück bei jeweils drei Unis versuchen, würde es dem Computermodell zufolge für einzelne Bewerbungen sogar bis zu 30 Runden brauchen – das wären zweieinhalb Jahre Wartezeit bis Studienbeginn.
Das ZVS-System hat demgegenüber den – sowohl gesamtgesellschaftlichen als auch individuellen – Vorteil, dass mehr Studierende rechtzeitig beginnen können und damit zu Semesterbeginn weniger Plätze noch frei sind. Jedoch gibt es mit dem Verteilungssystem der ZVS auch Probleme: "So passierte es schon mal, dass ein Bewerber aus Köln, der als erste Wahl Heidelberg, als zweite München und als dritte erst Köln angegeben hatte, an keiner seiner Wunschuniversitäten einen Platz erhielt, weil die ZVS die einzelnen Studienortwünsche getrennt nacheinander abarbeitet. Da eines der wichtigsten Kriterien die Nähe zum Studienort ist, hat der Bewerber weder in Heidelberg noch in München eine Chance. Köln war dann schon, wenn es zur dritten Runde kam, längst belegt mit Bewerbern, die Köln als erste oder zweite Wahl angegeben hatten." Schneider und seine Mitautoren schlagen nun ein System vor, bei dem die verschiedenen Wunschuniversitäten nicht nacheinander sondern gleichzeitig betrachtet werden. In ihren Computersimulationen konnten sie dabei den Anteil der Studierenden, die weder an einer ihrer Wunschuniversitäten noch in Heimatnähe zum Zug kamen, um über 50 Prozent gegenüber dem bisherigen ZVS-Auswahlverfahren senken.
Die beste Lösung finden die Wissenschaftler mit Optimierungsalgorithmen, die auch bei anderen Fragestellungen hilfreich sind. So hat das US-Nachrichtenmagazin Time Magazine einen Computeralgorithmus Schneiders für die Optimierung von Packproblemen unlängst zu den 50 wichtigsten Erfindungen des Jahres 2009 gezählt. Im Falle der Studienplatzvergabe gehen die Wissenschaftler ganz ähnlich vor: Mit sogenannten Monte-Carlo-Simulationen werden zufällige Ereignisse am Computer simuliert. "Das geht wie im Spielcasino, wo zufällig die Zahl zwölf am Roulettetisch fällt, so erzeugt der Computer zufällig eine Anordnung", erläutert Schneider. Im Beispiel mit den Studienbewerbern versetzt der Rechner zunächst jeden der zukünftigen Studenten an eine beliebig gewählte Universität. Danach wechseln zwei Bewerber zufällig ihre Plätze. Die neue Lösung vergleicht man mit der vorherigen. Die Qualität der Lösung wird dahingehend beurteilt, wie viele Studierende an einer ihrer Wunschuniversitäten oder in Heimatnähe einen Studienplatz finden. Führt der Austausch der Bewerberinnen und Bewerber zu einer zu großen Verschlechterung, so wird die Veränderung rückgängig gemacht, ansonsten bleibt es bei der neuen Lösung. "Auf diese Weise verändert man die Zuordnung der Studienbewerber Schritt um Schritt, so lange bis das Endergebnis, also die Verteilung der Studierenden auf die Universitäten, vorliegt."