Wie der Käfernachwuchs in Kadavern gedeiht

Symbiotische Mikroorganismen aus ihrem Darm helfen Totengräber-Käfern, aus Kadavern nährstoffreiche Kinderstuben für ihre Jungen zu machen

18.10.2018

PRESSEMITTEILUNG DES MAX-PLANCK-INSTITUTS FÜR CHEMISCHE ÖKOLOGIE

Der Totengräber Nicrophorus vespilloides vergräbt die Kadaver kleiner Tiere in der Erde, um sie als Futterquelle für seinen Nachwuchs zu nutzen. Allerdings sind die toten Tiere und somit die Brutstätte der Larven von mikrobieller Zersetzung und Fäulnis bedroht, in deren Folge es zur Bildung von Giftstoffen, dem Wachstum von Krankheitserregern und dem Verlust von Nährstoffen kommt. In einer neuen Studie berichten Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena sowie der Universitäten in Mainz und Gießen, dass Käfer der Art Nicrophorus vespilloides schädliche Mikroben mit nützlichen Mikroorganismen aus ihrem eigenen Darm ersetzen und so dafür sorgen, dass sich der Käfernachwuchs in dem Kadaver wohlfühlt und dort bestens gedeiht.

Wie Totengräber verhindern, dass Aas zersetzt wird

Totengräber-Käfer nutzen nährstoffreiche, aber anspruchsvolle Ressourcen für die Aufzucht ihres Nachwuchs: Die Larven ernähren sich von den Kadavern kleiner Tiere. Ohne entsprechende Pflege der Brutstätte würden die Tierleichen schnell infolge mikrobieller Zersetzung anfangen zu faulen. Unter natürlichen Bedingungen würde dann der Verwesungsprozess einsetzen, in dessen Folge giftige Stoffwechselprodukte gebildet und Nährstoffe abgebaut werden.

Ein Team von Wissenschaftlern hat nun herausgefunden, dass der Totengräber-Käfer Nicrophorus vespilloides die Nahrungsgrundlage für seine Jungen dadurch schützt, indem er sie mit nützlichen Mikroorganismen aus seinem eigenen Darm impft. Die Forscher bestimmten die Bakterien- und Pilzgemeinschaften von Kadavern, die von Käfern gepflegt oder nicht gepflegt worden waren, und verglichen die Stoffwechselaktivität der Mikroorganismen. Sie quantifizierten außerdem Putrescin und Cadaverin, nach Fäulnis stinkende organische Verbindungen, die maßgeblich zum Verwesungsgeruch beitragen, sowie Aminosäuren. "Die Käfer sterilisieren nicht einfach den Kadaver. Vielmehr ersetzen sie das für Aas typische Mikrobiom mit einem noch komplexeren: mit Symbionten aus ihrem eigenen Darm. Vom Käfer übertragene Hefepilze ersetzen vollständig die Schimmelpilze aus dem Boden, die normalerweise einen Kadaver schnell überwachsen", erläutert der Erstautor Shantanu Shukla aus dem Max-Planck-Institut für chemische Ökologie.

Die Bedeutung der Symbionten für die Entwicklung der Larven

Die Forscher wollten anschließend wissen, ob diese Veränderungen der Mikrobenzusammensetzung für die Insekten vorteilhaft waren, denn immerhin unternehmen die Käfer viel, um den Kadaver zu verteidigen und für ihre Jungen vorzubereiten. Daher testeten sie die Wirkung des Mikrobenfilms auf die Fitness der Käferlarven, indem sie das Larvenwachstum auf Kadavern mit und ohne mikrobielle Symbionten verglichen. Die Auswirkungen auf das Larvenwachstum waren deutlich: Käferlarven, die an Kadavern ohne Symbiontenfilm fraßen, waren deutlich kleiner, auch wenn sie die gleiche Menge an Kadavergewebe verspeist hatten.

"Unsere Studie zeigt, wie Insekten ihren Lebensraum verändern können, indem sie ihre Symbionten sowohl in ihrem Darm als auch außerhalb, wie etwa auf einer Brutstätte, kultivieren. Der Totengräber ist ein faszinierendes Beispiel dafür, wie sich Lebewesen mit Hilfe ihrer symbiotischen Mikroorganismen schwierige Ressourcen erschließen können", fasst der Leiter der Studie Heiko Vogel zusammen.

Das Potenzial der identifizierten Hefen

Die durch die genetischen Untersuchungen identifizierten Hefen sollen jetzt genauer untersucht werden, insbesondere ihre Rolle bei der Entgiftung der Verwesungsprodukte und bei der Vorverdauung des Kadavers zum Nutzen der Käferlarven. "Da das von den Käfern übertragene Mikrobiom das Wachstum gefährlicher und giftproduzierender Bakterien und Pilze unterdrückt, wird diese Ressource für das Screening nach neuen antimikrobiellen Wirkstoffen genutzt", sagt Andreas Vilcinskas, der im beteiligten Fraunhofer Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie die Antibiotikaforschung leitet.

Die Studie wurde von der Max-Planck-Gesellschaft und der Fraunhofer-Gesellschaft über das Kooperationsprojekt "AIM-Biotech – Einsatz von Insekten-assoziierten Mikroorganismen in der industriellen Biotechnologie" gefördert.