Sensornetzwerk GNOME publiziert erstmals umfassende Daten in Nature Physics / Neun Stationen in sechs Ländern beteiligt
20.01.2022
Ein internationales Forscherteam unter federführender Beteiligung des Exzellenzclusters PRISMA+ der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und des Helmholtz-Instituts Mainz (HIM) hat erstmals umfassende Daten zur Suche nach Dunkler Materie mit einem weltweiten Netzwerk an optischen Magnetometern veröffentlicht. Durch korrelierte Messungen an zahlreichen Stationen des GNOME-Netzwerks sollten Dunkle-Materie-Felder ein charakteristisches Signalmuster erzeugen, so die Überlegung. Bei der Analyse von Daten aus einem einmonatigen Dauerbetrieb von GNOME gab es noch keinen entsprechenden Hinweis. Die Messung erlaubt es aber, Einschränkungen in Bezug auf die Eigenschaften der Dunklen Materie zu formulieren, wie die Forscher in der renommierten Fachzeitschrift Nature Physics berichten.
GNOME steht für "Global Network of Optical Magnetometers for Exotic Physics Searches". Dahinter verbergen sich über den Globus verteilte Magnetometer in Deutschland, Serbien, Polen, Israel, Südkorea, China, Australien und den USA. Mit GNOME wollen die Forscherinnen und Forscher insbesondere die Suche nach Dunkler Materie vorantreiben – eine der aufregendsten Herausforderungen der Grundlagenphysik im 21. Jahrhundert. Denn schon lange ist bekannt, dass viele rätselhafte astronomische Beobachtungen, wie die Rotationsgeschwindigkeit von Sternen in Galaxien oder das Spektrum der kosmischen Hintergrundstrahlung, am besten durch Dunkle Materie erklärt werden können.
"Als einer der vielversprechendsten Kandidaten für Dunkle Materie gelten heute extrem leichte bosonische Teilchen. Zu ihnen zählen unter anderem sogenannte Axion-like Particles – kurz ALPs", erklärt Prof. Dr. Dmitry Budker, Professor bei PRISMA+ und am HIM, einer institutionellen Kooperation der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und des GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung in Darmstadt. "Sie können auch als klassisches Feld, das mit einer bestimmten Frequenz oszilliert, betrachtet werden. Eine Eigenheit solcher bosonischen Felder ist, dass sie – so ein mögliches theoretisches Szenario – Muster und Strukturen bilden können. Im Ergebnis könnte die Dichte der Dunklen Materie in vielen verschiedenen Regionen konzentriert sein. Es könnten sich zum Beispiel diskrete Domänenwände bilden, die kleiner als eine Galaxie, aber viel größer als die Erde sind."
"Durchdringt eine solche Wand die Erde, wird diese nach und nach durch das GNOME-Netzwerk erkannt und kann in den Magnetometern vorübergehende charakteristische Signalmuster hervorrufen", erläutert Dr. Arne Wickenbrock, einer der Mitautoren der Studie. "Noch dazu sind die Signale miteinander in bestimmter Weise korreliert – je nachdem, wie schnell sich die Wand bewegt und wann sie den jeweiligen Standort erreicht."
Mittlerweile besteht das Netzwerk aus 14 Magnetometern, die über acht Länder weltweit verteilt sind – neun von ihnen lieferten Daten für die aktuelle Analyse. Das Messprinzip beruht auf einer Wechselwirkung der Dunklen Materie mit den Kernspins der Atome im Magnetometer. Die Kernspins dieser Atome werden mit einem Laser mit einer bestimmten Frequenz angeregt und dabei alle in einer Richtung ausgerichtet. Ein potenzielles Dunkle-Materie-Feld kann diese Richtung stören, was messbar ist.
Im übertragenen Sinn kann man sich vorstellen, dass die Atome in dem Magnetometer zunächst durcheinandertanzen, verdeutlicht Hector Masia-Roig, Doktorand in der Budker-Gruppe und ebenfalls Autor der aktuellen Studie. "Wenn sie die richtige Frequenz an Laserlicht 'hören', drehen sie sich alle zusammen. Dunkle Materieteilchen können die tanzenden Atome aus dem Gleichgewicht bringen. Diese Störung können wir sehr genau messen." Und dann wird das Netzwerk an Magnetometern wichtig: Wenn die Erde sich durch eine räumlich begrenzte Wand aus Dunkler Materie bewegt, werden nach und nach die tanzenden Atome in allen Stationen gestört. Eine dieser Stationen steht in einem Labor am Helmholtz-Institut in Mainz. "Erst wenn wir die Signale aller Stationen abgleichen, können wir beurteilen, was die Störung ausgelöst hat", so Masia-Roig. "Übertragen auf das Bild der tanzenden Atome heißt das: Wenn wir die Messerergebnisse aller Stationen vergleichen, können wir entscheiden, ob es nur ein mutiger Tänzer war, der aus der Reihe getanzt ist, oder tatsächlich eine weltweite Störung durch Dunkle Materie."
Für die aktuellen Studie hat das Forschungsteam die Daten aus einem einmonatigen Dauerbetrieb von GNOME untersucht, statistisch signifikante Signale sind in dem untersuchten Massebereich von einem Femtoelektronenvolt (feV) bis 100.000 feV aber nicht aufgetreten. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Forscher den Bereich, in dem solche Signale der Theorie nach zu finden sein könnten, noch weiter als bisher einschränken können. Für Szenarien, die auf diskrete Dunkle-Materie-Wände setzen, ist das ein wichtiges Ergebnis, "auch wenn wir mit unserer weltweiten Ringfahndung eine solche Domänenwand bisher nicht nachweisen konnten", so Joseph Smiga, ebenfalls Doktorand in Mainz und Autor der Studie.
Die zukünftige Arbeit der GNOME-Kollaboration wird sich darauf konzentrieren, sowohl die Magnetometer selbst als auch die Datenanalyse zu verbessern. So soll insbesondere ein Dauerbetrieb noch stabiler möglich sein. Das ist wichtig, um zuverlässig nach Signalen zu suchen, die länger als eine Stunde anhalten. Zudem sollen die bisherigen Alkali-Atome in den Magnetometern durch Edelgase ersetzt werden. Unter dem Titel "Advanced GNOME" erwarten die Forscher dadurch für künftige Messungen eine erheblich bessere Empfindlichkeit bei der Suche nach ALPs und Dunkler Materie.