VolkswagenStiftung unterstützt deutsch-türkisches Kooperationsprojekt zu nachhaltiger Filmproduktion

Extraktivismus in Bildschirmmedien durch engagierte Bildschirmproduktionen und bewusstere Zuschauerschaft begegnen / VolkswagenStiftung fördert Projekt mit Aufbruchcharakter

04.03.2025

Die VolkswagenStiftung fördert ein Kooperationsprojekt an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und der Koç Universität in Istanbul, das sich für nachhaltige Strukturen in der Filmindustrie und mehr Bewusstsein aufseiten der Zuschauerschaft einsetzt. Ziel ist es, die Kommunikation zwischen Forschenden, Aktivist*innen und Filmschaffenden in Deutschland und der Türkei zu verbessern sowie Instrumente und Leitlinien bereitzustellen, die einerseits eine langsame Produktion von Bildschirmmedien und andererseits eine bewusstere Zuschauerschaft unterstützen. "Wie können wir mehr Einfluss nehmen, damit Bildschirmproduktionen nachhaltiger, ökologischer und auch arbeitnehmerfreundlicher werden?", umreißt Dr. Sezen Kayhan, Projektleiterin am Institut für Film-, Theater-, Medien- und Kulturwissenschaft (FTMK) der JGU, die Fragestellung. Kooperationspartnerin im Projekt ist Prof. İpek Çelik Rappas von der Koç Universität. Die VokswagenStiftung unterstützt das Vorhaben im Rahmen der Förderinitiative "Aufbruch – Neue Forschungsräume für die Geistes- und Kulturwissenschaften" mit 250.000 Euro über eine Laufzeit von 18 Monaten.

"Slow Production" versus Überproduktion und Überkonsum

Die Kooperationspartnerinnen aus Mainz und Istanbul streben an, bestimmte Praktiken der Filmbranche breit zu debattieren und hierfür auch die Beschäftigten der Branche, Zuschauer*innen und Darsteller*innen beziehungsweise die dargestellten Protagonist*innen mit einzubeziehen. Der Titel des Projekts – "Against Screen's Extractivism: Slow Production and Spectatorship" – deutet bereits an, dass der Ausbeutung von Ressourcen durch die Filmbranche etwas entgegengesetzt werden soll. Bildschirmmedien nutzen nicht nur natürliche Ressourcen unserer Umwelt, sondern auch Ressourcen der prekär Beschäftigten und der marginalisierten Gemeinschaften, deren Geschichten erzählt werden – wie etwa von Flüchtlingen oder Migrant*innen. Genau dies verstehen Kayhan und Çelik Rappas unter dem Begriff "Extraktivismus". "Das Projekt zielt darauf ab, Bildschirmmedien so zu gestalten, dass sie diesen Gemeinschaften, deren Probleme sie darstellen, etwas zurückgeben", so Dr. Sezen Kayhan. Es will Räume für engagierte Filmproduktionen schaffen, die ökologisch und sozial bewusst vorgehen, sowohl hinsichtlich der Themen als auch der Produktionsprozesse.

Als Wurzel des Problems benennen die beiden Filmwissenschaftlerinnen die Überproduktion und den Überkonsum von Filmen und TV-Shows. Die Filmindustrie ist sich zwar über ihren Verbrauch von Nahrungsmitteln, Textilien und Studiogebäuden im Klaren. Allerdings wird kaum in Erwägung gezogen, weniger Inhalte zu produzieren. Ökologische Nachhaltigkeit muss aber durch eine Kürzung der Produktionszahlen und ethische Standards unterstützt werden. Außerdem sind entsprechende Bemühungen seitens der Zuschauerschaft nötig. Sogenanntes Binge Watching wurde bereits aus psychologischer Perspektive und aus Sicht der Medienindustrie untersucht, soll nun jedoch auch aus ethischen und ökologischen Blickwinkeln analysiert werden.

Zwei Workshops und eine Online-Ausstellung zum Abschluss des Projekts

Im Rahmen des 18-monatigen Projekts wird im November 2025 in Istanbul ein dreitägiger Workshop stattfinden, der Flüchtlinge und Umweltaktivist*innen, Produktionsprofis und Forschende zusammenbringt, damit sie sich über ihre Vorstellungen von einer nicht auf Extraktivismus beruhenden Filmproduktionspraxis austauschen können. Im Mai 2026 folgt ein zweitägiger Workshop in Mainz mit denselben Teilnehmenden, die dann ihre Entwürfe für Bildschirmproduktionen vorstellen. Eine Online-Ausstellung mit Filmen, Postern, Forschungsbeiträgen und politischen Empfehlungen wird zum Abschluss des Projekts die Ergebnisse präsentieren. "Wir freuen uns auf diese zukunftsweisende Zusammenarbeit, die Theorie und Praxis des Film- und Fernsehmachens mit engagierten Forschungspraktiken zusammenbringt", betont Dr. Sezen Kayhan. "Wir stellen damit auch eine Verbindung zwischen Deutschland und der Türkei auf mehreren Ebenen her."

Sezen Kayhan ist seit April 2022 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Film-, Theater-, Medien- und Kulturwissenschaft (FTMK) der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Im November 2020 erhielt sie ihren Doktortitel in Filmwissenschaft und visueller Kultur, verliehen gemeinsam von der Universität Antwerpen in Belgien und der Koç Universität im türkischen Istanbul. Von 2021 bis 2022 war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Koç Universität tätig. Ihre Forschungsinteressen sind Studien zur Filmproduktion, filmische Räume, urbane Medien, türkisches Kino und Fernsehserien sowie spekulative Fiktion.

Förderung durch die VolkswagenStiftung in der Initiative "Aufbruch – Neue Forschungsräume für die Geistes- und Kulturwissenschaften"

Mit ihrer Förderinitiative unterstützt die VolkswagenStiftung Projekte mit Aufbruchcharakter, die nicht nur neue Perspektiven auf bereits bekannte Forschungsgegenstände bieten, sondern gänzlich neue Forschungsräume und -themen erkunden. Die Initiative folgt dabei der Annahme, dass sich diese Projekte gegenwärtig durch eine besondere Komplexität auszeichnen und der multiperspektivischen Aufschlüsselung bedürfen, um ebenjene Vielschichtigkeit aufzeigen und verstehen zu können.