Verwandtschaft entdeckt: Membranproteine von Cyanobakterien und von höheren Organismen sind strukturell ähnlich

SynDLP könnte ein bakterieller Vorfahre von vergleichbaren Membranproteinen bei Eukaryoten sein

20.04.2023

GEMEINSAME PRESSEMITTEILUNG DES FORSCHUNGSZENTRUMS JÜLICH UND DER JOHANNES GUTENBERG-UNIVERSITÄT MAINZ

Die Zellen von Lebewesen sind mit Proteinen ausgestattet, die an der Gestaltung und dem Umbau der Zellmembran beteiligt sind und dadurch wichtige Aufgaben erfüllen. Die Zellmembran umschließt das Zellinnere, unterliegt aber ständigen Veränderungen etwa durch Abtrennungen, Einstülpungen oder Fusionen. Daran sind auch verschiedene Proteine beteiligt, von denen lange Zeit angenommen wurde, dass sie ausschließlich oder vorwiegend in höheren Lebewesen vorkommen. In den vergangenen 10 bis 20 Jahren wurden aber Proteine identifiziert oder vorhergesagt, die auch bei einfachen Organismen, die keinen Zellkern besitzen, zu finden sind. Im Rahmen einer Forschungskooperation konnte nun erstmals ein Protein beschrieben werden, das bei Cyanobakterien an der Membranumgestaltung beteiligt ist. Die Existenz eines solchen bakteriellen Proteins wurde zwar vermutet, der Nachweis stand allerdings noch aus. Es handelt sich dabei vermutlich um den bakteriellen Vertreter eines vergleichbaren Proteins, das in höheren Organismen wie Tieren und Pflanzen zu finden ist.

Membranproteine auch bei Prokaryoten entdeckt

Membranproteine sind an verschiedenen Prozessen zum Umbau der Zellmembran beteiligt sowie an Reparaturvorgängen, um Membranschäden zu beheben und so das Überleben der Zelle zu sichern. Im vergangenen Jahrzehnt wurden auch bei Prokaryoten – einfachen Organismen, die keinen Zellkern besitzen – solche Proteine entdeckt. Viele davon haben Ähnlichkeit mit Proteinen, von denen man bisher angenommen hat, dass sie nur bei komplexeren Organismen mit einem Zellkern, also den Eukaryoten, wie Tieren und Pflanzen vorkommen.

Auch sogenannte Dynamine und Dynamin-ähnliche Proteine wurden ursprünglich als eine eukaryotische Erfindung angesehen, bis eine bioinformatische Studie 1999 die Existenz bakterieller Dynamin-ähnlicher Proteine vorhersagte. Die DLPs – abgekürzt von dem englischen Begriff Dynamin-Like Proteins – gehören zur Dynamin-Proteinsuperfamilie und sind in Eukaryoten an verschiedenen Membranumbauprozessen beteiligt.

Vor Kurzem wurde nun ein Dynamin-ähnliches Protein, das SynDLP, im Genom eines Cyanobakteriums gefunden. Dieses Protein hat das Forschungsteam der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und des Forschungszentrums Jülich mit Beteiligung der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) untersucht. "Wir gingen früher davon aus, dass wir diese Art von Proteinen nur in eukaryotischen Zellen finden", sagt Prof. Dr. Dirk Schneider, Leiter der Arbeitsgruppe Membranbiochemie an der JGU. "SynDLP besitzt eine Struktur, wie wir sie bisher nur von höheren Organismen kannten", ergänzt Prof. Dr. Carsten Sachse, Wissenschaftler am Forschungszentrum Jülich und Professor an der HHU.

"Die strukturellen Eigenschaften von SynDLP lassen darauf schließen, dass es sich um den nächsten bekannten bakteriellen Vorfahren von eukaryotischem Dynamin handelt", beschreibt Carsten Sachse die Ergebnisse. "Wir nehmen an, dass dieses Protein schon in einer Urzelle vorhanden war, bevor es zu der Aufspaltung in Lebewesen mit und ohne Zellkern gekommen ist", ergänzt Dirk Schneider.

Cyanobakterien verfügen über ein internes Membransystem zur Photosynthese

Cyanobakterien gehören zu den ältesten Organismen auf der Erde und werden wegen ihrer Farbe auch als Blaugrünbakterien bezeichnet. Sie besitzen im Gegensatz zu anderen Bakterien ein zweites internes Membransystem, in dem die Lichtreaktionen der Photosynthese stattfinden. Gerade wegen der Lichtreaktion ist die Membran allerdings sehr verletzlich und unterliegt einem ständigen Umbau. Daher sind entsprechende Proteine für den Wiederaufbau oder die Reparatur der Membran besonders wichtig.

"Wir wissen bis jetzt noch nicht genau, welche Funktion dem SynDLP in der Membrandynamik zukommt", sagt Dirk Schneider. Es scheint unter Laborbedingungen nicht lebensnotwendig zu sein. "Wenn es allerdings nicht essenziell wäre, dann hätte es sich nicht über Milliarden von Jahren erhalten", vermutet der Mainzer Chemiker. Zukünftig wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dieser Frage nachgehen und untersuchen, welche Funktion das Protein in der Bakterienzelle genau übernimmt.

Langjährige Forschungskooperation trägt Früchte

An den jetzt veröffentlichten, achtjährigen Forschungsarbeiten waren drei Nachwuchswissenschaftler maßgeblich beteiligt, Dr. Ruven Jilly und Lucas Gewehr von der JGU und Dr. Benedikt Junglas vom Forschungszentrum Jülich, ehemals Doktorand am Max Planck Graduate Center mit der Johannes Gutenberg-Universität (MPGC). Weitere Kooperationspartner stammen vom Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz und der Universität Aarhus in Dänemark. Die Arbeit wurde im Fachjournal Nature Communications veröffentlicht.