Terahertz-Spektroskopie in Riesenmagnetowiderstandssystemen als Basis fortschrittlicher Nanoelektronik
07.07.2015
Die Zukunftstechnologie Spintronik verfügt ab sofort über ein neues, hocheffektives Untersuchungsinstrument: Physiker aus Mainz und Berlin haben die ultraschnelle Terahertz-Spektroskopie eingesetzt, um elementare Eigenschaften von spintronischen Bauelementen zu untersuchen – mit Erfolg. "Wir bekommen damit einen direkten Zugang zu den absolut grundlegenden Elementen des Magnetotransports", so Prof. Dr. Mathias Kläui vom Institut für Physik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). Die Spintronik nutzt nicht nur die Ladung der Elektronen für die Informationsverarbeitung, sondern zusätzlich auch deren Spin, also das magnetische Moment der Elektronen. Spintronik kommt bereits jetzt in Festplattenleseköpfen und Sensoren, beispielsweise in der Automobilindustrie, zum Einsatz und bietet ein großes Potenzial für nicht-flüchtige Speicher.
Grundlage für viele Spintronik-Anwendungen ist der Riesenmagnetowiderstand oder GMR-Effekt, der in den 1980er-Jahren entdeckt wurde. Seine Entdecker, Albert Fert und Peter Grünberg, erhielten im Jahr 2007 dafür den Physik-Nobelpreis. Der GMR-Effekt funktioniert wie eine Art Magnetsensor, der in Abhängigkeit von der magnetischen Ausrichtung der einzelnen dünnen Schichten des Materials seinen Widerstand ändert. Je nachdem kommt es zu einer Streuung der Elektronen, deren Auswirkungen man im Widerstand sieht, die aber mit den herkömmlichen experimentellen Methoden bislang nicht präzise zu bestimmen war. Die Schwierigkeit liegt vor allem in der extrem kurzen Zeitspanne, in der die Effekte ablaufen. Die Elektronenstreuereignisse erfolgen auf einer Zeitskala unter 100 Femtosekunden, wobei eine Femtosekunde der billiardste Teil einer Sekunde ist.
In einer Kooperation der Arbeitsgruppen von Prof. Dr. Mathias Kläui an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und Prof. Dr. Dmitry Turchinovich am Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz (MPIP), an der sich auch Forscher der Mainzer Firma Sensitec GmbH und des Fritz-Haber-Instituts der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin beteiligten, wurde die Herausforderung nun mithilfe der Terahertz-Spektroskopie, auch Submillimeterwellen-Spektroskopie genannt, gelöst. Die Wissenschaftler konnten mit dieser Methode den Magnetotransport in einer ferromagnetischen Struktur direkt beobachten und die relevanten Parameter präzise und eindeutig bestimmen: die spinabhängigen Ladungsträgerdichten und die spinabhängigen Streuzeiten der Leitungselektronen.
"Die Terahertz-Spektroskopie wird häufig für Materialprüfungen eingesetzt. Wir haben nun gezeigt, dass diese Methode auch auf den Magnetotransport anzuwenden ist", so Prof. Dr. Dmitry Turchinovich, Leiter der Forschungsgruppe "Ultrafast Dynamics and Terahertz Spectroscopy" am MPIP und Mitglied der Exzellenz-Graduiertenschule Materials Science in Mainz (MAINZ) der JGU. "Damit haben wir das sogenannte Mott-Modell von 1936, das den Elektronentransport in ferromagnetischen Metallen beschreibt, erstmals experimentell bestätigt."
Die Messungen zeigen, dass ältere Ergebnisse die Spin-Asymmetrie bei der Elektronenstreuung – ein zentraler Parameter, der für Effekte wie den Riesenmagnetowiderstand verantwortlich ist – beträchtlich unterschätzen.
"Unsere Ergebnisse fügen der Erforschung der Spintronik ein neues, wirkungsvolles und quantitatives Werkzeug hinzu, die ultraschnelle Terahertz-Spektroskopie", so Prof. Dr. Mischa Bonn, MPIP-Direktor und MAINZ-Mitglied, der auch an der Arbeit beteiligt war.
"Mit dieser neuen Methode haben wir einen direkten Zugang zu den absolut grundlegenden Parametern des Magnetotransports in unseren Proben. Und es freut mich insbesondere, dass die Zusammenarbeit von zwei Gruppen vom MPIP und der JGU innerhalb der Graduiertenschule MAINZ diese spannende Forschung ermöglicht hat", so Prof. Dr. Mathias Kläui, Direktor von MAINZ.
Die Graduiertenschule MAINZ wurde in der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder im Jahr 2007 bewilligt und erhielt in der zweiten Runde 2012 eine Verlängerung für weitere fünf Jahre – ein großer Erfolg für die Mainzer Materialwissenschaftler und die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses an der JGU. Die Graduiertenschule besteht aus Arbeitsgruppen der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, der Technischen Universität Kaiserslautern und des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung in Mainz. Einer der Forschungsschwerpunkte ist die Spintronik, wobei die Zusammenarbeit mit führenden internationalen Partnern eine wichtige Rolle spielt.