Internationales Forscherteam legt neue Studie zur Selbst- und Außenperspektive auf die Persönlichkeit vor
20.02.2017
Vom Ende der Adoleszenz bis ins junge Erwachsenenalter hinein erleben viele Menschen positive Veränderungen ihrer Persönlichkeit. Eine neue Studie eines internationalen Forscherteams aus Psychologen der Universitäten Leipzig, Mainz, Stanford und Cambridge zeigt nun, dass auch Bekannte diese Veränderungen wahrnehmen. Zudem fanden die Forscher heraus, dass mit zunehmendem Alter die Selbst- und die Außenperspektive auf die Persönlichkeit zunehmend ähnlicher werden.
Der Übergang von der Jugend zum Erwachsenenalter wird oft von positiven Persönlichkeitsveränderungen begleitet: Wir werden beispielsweise zunehmend emotional stabil und gewissenhafter. Dieser von zahlreichen Studien gut belegte Befund wird als Persönlichkeitsreifung bezeichnet. Allerdings beruhten bislang viele dieser Studien auf Selbstbeschreibungen der eigenen Persönlichkeit, weswegen nur wenig darüber bekannt ist, ob auch Freunde und Bekannte diese Veränderungen wahrnehmen.
Um diese Wissenslücke zu schließen, haben Julia Rohrer und Prof. Dr. Stefan Schmukle von der Universität Leipzig, Prof. Dr. Boris Egloff von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), Prof. Dr. Michal Konsinski von der Stanford University und Dr. David Stillwell von der University of Cambridge die Persönlichkeitsprofile von über 10.000 Nutzern der Facebook-App myPersonality im Alter zwischen 14 und 29 Jahren untersucht. Das Besondere hierbei war, dass die Nutzerinnen und Nutzer nicht nur selbst Persönlichkeitsfragebögen ausfüllten, sondern zusätzlich auch von Facebook-Freunden eingeschätzt wurden. So konnten die Forscher prüfen, ob sich die Veränderungen mit dem Alter nicht nur im Selbstbericht, sondern auch im Fremdbericht durch Bekannte wiederfinden. Zudem erlaubten die Daten eine Untersuchung zur Übereinstimmung zwischen Selbst- und Fremdperspektive. Die Ergebnisse dieser Analysen sind kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift Journal of Personality and Social Psychology erschienen.
"Im Großen und Ganzen kann man sagen, dass die Alterseffekte im Selbstbericht denen in der Einschätzung durch Bekannte ähneln. Ältere Personen berichten, dass sie extrovertierter, gewissenhafter und offener für neue Erfahrungen sind – und die Persönlichkeitseinschätzungen durch Bekannte zeigen die gleichen Trends", erklärt Rohrer. Allerdings gab es auch Punkte, in denen Uneinigkeit herrschte: Während ältere Befragte berichteten, dass sie emotional stabiler seien, teilten ihre Bekannten diese Fremdeinschätzung nicht. "Ein möglicher Grund dafür ist, dass Anzeichen von niedriger emotionaler Stabilität wie übermäßige Besorgtheit und Ängstlichkeit von außen nicht so gut sichtbar sind. Deswegen bemerken Außenstehende vielleicht nicht, dass jüngere Erwachsene vergleichsweise weniger emotional stabil sind", schlägt Egloff als eine Erklärung des Befunds vor.
Weiterhin betrachteten die Forscher die Stärke der Übereinstimmung zwischen Selbst- und Fremdbericht und fanden, dass diese mit zunehmendem Alter ansteigt. Die Forscher interpretieren dies als ein mögliches weiteres Anzeichen der Persönlichkeitsreifung. "Inhaltlich scheint das zunächst plausibel, mehrere Erklärungen hierfür sind denkbar. Zum Beispiel könnte es sein, dass mit zunehmender Reife die Personen selbst ihre Persönlichkeit präziser einschätzen können oder dass sie sich in Beziehungen zu anderen authentischer verhalten und deswegen andere ihre Persönlichkeit genauer beurteilen können", sagt Schmukle. "Allerdings müssen unsere Ergebnisse auf jeden Fall noch einmal mit längsschnittlichen Daten bestätigt werden", schränkt er ein, "denn unsere Studie beruht darauf, dass wir jüngere Personen mit älteren vergleichen. Daher sollten unsere Ergebnisse in Studien überprüft werden, in denen man dieselben Personen über einen längeren Zeitraum begleitet und beobachtet, wie sich die Persönlichkeit aus unterschiedlichen Perspektiven über die Zeit hinweg ändert."