Sport hat in Deutschland eine wirtschaftliche Bedeutung von fast 100 Milliarden Euro

Institut für Sportwissenschaft der JGU belegt in mehreren Studien die besondere volkswirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung des Spitzen- und Breitensports

05.03.2012

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hat in einem Forschungsprojekt unter Leitung der 2hm & Associates GmbH und in enger Kooperation mit Prof. Dr. Holger Preuß vom Institut für Sportwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) eine Studie zum Umfang von Werbung, Sponsoring und Medienrechten im Sport in Deutschland erstellen lassen. Die Studie wurde Ende Februar 2012 in Berlin vorgestellt. Aus den geführten rund 2.000 Telefoninterviews und rund 60 persönlichen Experteninterviews kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass der Spitzen- und Breitensport im Bereich Werbung, Sponsoring und Medienrechte in der deutschen Volkswirtschaft eine bedeutende Rolle spielen, unter anderem belegt durch ein Ausgaben-Gesamtvolumen für diese Bereiche von rund 5,5 Milliarden Euro im Jahr 2010.

Ein Drittel der im Rahmen der Studie befragten Unternehmen gab an, einen direkten oder indirekten Bezug zu Sport zu haben – sei es durch die Herstellung von Sportwaren und die Bereitstellung von Sportdienstleistungen oder einfach durch Sponsoring und sportbezogene Werbung. In Sachen Werbung rangiert die Sportbranche mit Werbeausgaben von 726,9 Millionen Euro zwischen den Branchen Arzneimittel (Platz 6 der werbestärksten Branchen 2009) und Schokolade und Zuckerwaren (Platz 7), auch wenn sich das sportbezogene Werbevolumen insgesamt von 2008 bis 2010 deutlich reduziert hat, was aber den allgemeinen Entwicklungen im Werbemarkt in den vergangenen Jahren zuzuschreiben ist. Neu ist der Trend, dass insbesondere Sportgüterhersteller immer mehr in Internetwerbung und Social Media Marketing investieren – zu vergleichsweise günstigen Werbekosten. Der wichtigste Wirtschaftszweig für sportgüterbezogene Werbung sind laut Studie die Hersteller von Sportbekleidung mit einem Budget von 104 Millionen Euro im Jahr 2010.

Die Studie zeigt außerdem, dass hauptsächlich kleine und mittlere Unternehmen mit bis 2 Millionen Euro Umsatz Sportsponsoring betreiben – mit 75 Prozent der Sponsoringgesamtausgaben und obwohl die Sponsoringgesamtausgaben bei Unternehmen in der höchsten Umsatzklasse ab 50 Millionen Euro im Jahr 2010 merklich gestiegen, bei den niedrigeren Umsatzklassen dagegen deutlich gesunken sind. Im Bereich der Medienrechte konnte die aktuelle Studie einen enormen Zuwachs zwischen 2008 und 2010 feststellen – von 887 Millionen Euro auf mehr als 1,1 Milliarden, begründet im Wesentlichen durch die FIFA-Weltmeisterschaft der Männer im Jahr 2010. Abgesehen davon gehen die Autoren der Studie auch davon aus, dass der Umsatz durch eine stärkere Vermarktung teils separater Onlinerechte weiter ansteigt.

Prof. Dr. Holger Preuß vom Institut für Sportwissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz wirkte insbesondere in der methodischen Konzeption der Studie mit. Ein wesentliches weiteres Ziel der Studie ist es, Daten zu erheben, um diese als Anteil der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung auszuweisen. Zu diesem Zweck dient auch eine andere Untersuchung, die Preuß Ende Februar 2012 im Rahmen der vom Bundesministerium des Innern und dem Bundesinstitut für Sportwissenschaft in Auftrag gegebenen Studie zum "Wirtschaftsfaktor Sport in Deutschland" vorlegte und die die herausragende wirtschaftliche Bedeutung des Sports in Deutschland belegt. Bei dieser Studie ging es um die Nachfrage in Deutschland lebender Konsumenten nach Sportgütern und -dienstleistungen. Das hier zugrunde gelegte Konsummuster aktiver Sportler beinhaltet neben Ausgaben für Sportschuhe und -kleidung sowie Vereinsbeiträgen, Versicherungen, Sportnahrungsmitteln und eigenfinanzierte Trainings inklusive Leistungsdiagnostik beispielsweise auch Ausgaben für die individuelle Organisation des Sports oder Fahrtkosten. Außerdem wurde der Konsum von nicht aktiv Sporttreibenden, aber Sportinteressierten ermittelt, der beispielsweise Spenden an Sportvereine, Eintrittsgelder in Stadien und Sporthallen, den Erwerb von Fanartikeln, Sportwetten oder auch die Buchung von Pay TV-Sportprogrammen beinhaltet. Nach Auswertung der repräsentativen Telefonumfrage von über 7.000 Bundesbürgern und anschließender computergestützter Befragung von 10.500 Personen kommen Preuß und seine Mitarbeiter zu dem Ergebnis, dass der aktive Sportkonsum in Deutschland im Jahr 2010 bei rund 78 Milliarden Euro lag, der Sportkonsum Passiver bei knapp 10 Milliarden Euro – wiederum erstaunliche Zahlen, die den Sportbereich als starken Wirtschaftsfaktor in Deutschland belegen.

Derzeit ist eine dritte Studie in Arbeit, die die Investitionen in den Sportstättenbau und deren Unterhaltung erheben soll. Diese ist vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie beauftragt und wird ebenfalls unter Leitung der 2hm & Associates GmbH und in enger Kooperation mit Prof. Dr. Holger Preuß durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Studie werden die 100-Milliarden-Grenze der wirtschaftlichen Bedeutung des Sports für Deutschland noch stark erhöhen. Die drei Studien mit einem Forschungsmittelvolumen von insgesamt 600.000 Euro sollen in einem nächsten Schritt zu einem von der EU erwarteten Extrakontensystem der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung führen, dem sogenannten "Satellitenkonto Sport", das dazu beitragen soll, die volkswirtschaftlichen Effekte des Sports für Deutschland und die EU bestimmen zu können. Dieses Projekt wird ebenfalls von Prof. Dr. Holger Preuß begleitet und in Kooperation mit der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung (GWS GmbH) in Osnabrück durchgeführt. Ergebnisse sind Mitte 2013 zu erwarten.