Klinik für Psychiatrie der Universitätsmedizin startet EMC-Studie / Ziel: optimierte medikamentöse Therapie von Depression
17.11.2009
Die Depression ist eine häufige und schwere psychische Erkrankung. Antidepressive Medikamente spielen eine zentrale Rolle in der Behandlung von Depressionen. Um herauszufinden, ob bei unzureichender Wirksamkeit eine Umstellung des Antidepressivums bereits zwei und nicht erst vier Wochen nach Therapiebeginn sinnvoll ist, startet die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit 1,536 Millionen Euro geförderte EMC (Early Medication Change)-Studie. Die Ergebnisse der Studie sollen dazu beitragen, den Therapieerfolg von Patienten mit Depression zu beschleunigen und somit ihre Leidenszeit zu verkürzen sowie deren Arbeitsfähigkeit schneller wiederherzustellen. Auch streben die Mainzer Mediziner und Wissenschaftler hierdurch an, nationale und internationale Behandlungsrichtlinien um Empfehlungen zur schnelleren Behandlung von Depressionen zu ergänzen und damit zu optimieren.
Depression ist die häufigste psychische Erkrankung in der Bevölkerung. Das Bundesgesundheitsministerium schätzt, dass vier Millionen Deutsche von einer Depression betroffen sind und dass gut zehn Millionen Menschen bis zum 65. Lebensjahr eine Depression erlitten haben. Depressionen verursachen häufig einen Verlust der Arbeitsfähigkeit und einen sozialen Rückzug. In Deutschland nehmen sich etwa 7.000 bis 9.000 Menschen jedes Jahr in Folge einer Depression das Leben. Das sind mehr Menschen als durch Verkehrsunfälle, Drogenmissbrauch und AIDS sterben.
Das wichtigste Ziel der Behandlung einer Depression ist die vollständige Symptomfreiheit. Trotz zahlreicher effektiver, antidepressiv wirkender Medikamente kommt es häufig zu langwierigen und schwierigen Krankheitsverläufen, in deren Rahmen verschiedene Strategien angewendet werden müssen, da erste Therapieschritte nicht wirksam waren. Lange Zeit wurde angenommen, dass die zur Behandlung von Depression eingesetzten Antidepressiva mit einer Verzögerung von etwa drei bis acht Wochen wirken. Daher haben die behandelnden Ärzte auch erst nach dieser Behandlungsdauer ggf. eine unzureichende Wirksamkeit festgestellt und den Patienten auf ein anderes Medikament umgestellt. Auch nationale und internationale Leitlinien empfehlen, an einer einmal begonnenen Therapiestrategie für drei bis acht Wochen festzuhalten, bevor Maßnahmen zur Therapieverbesserung ergriffen werden. Neue Untersuchungen zeigen jedoch, dass Antidepressiva innerhalb von zehn bis vierzehn Behandlungstagen zu wirken beginnen. Tritt in diesem Zeitraum schon eine Besserung ein, kann ein vollständiger Therapieerfolg nach vier bis acht Wochen erwartet werden. Tritt jedoch keine Besserung ein, ist eine Genesung auch in den folgenden Wochen nicht zu erwarten.
Hier setzt nun die EMC-Studie an. "Im Rahmen der EMC-Studie soll bis zum Jahr 2012 bei insgesamt 640 Teilnehmern untersucht werden, ob bei Patienten mit einer Depression, die unter einer antidepressiven Therapie keine ausreichende Symptomverbesserung erleben, die Umstellung auf ein anderes Antidepressivum nach 14 Behandlungstagen zu einem besseren Endergebnis führt, als die Umstellung nach vier Wochen", erläutert Dr. André Tadić, klinischer Koordinator der EMC-Studie und Oberarzt an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz. "Dazu werden Patienten, deren Zustand sich nach 14 Tagen nicht wie gewünscht gebessert hat, zufällig für eine Therapie nach der EMC-Strategie oder gemäß aktueller Behandlungsrichtlinien (treatment as usual; TAU) zugeteilt."
Die Studie, die von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz geleitet und in Kooperation mit fünf nationalen Zentren (Wiesbaden, Katzenelnbogen, Freiburg, Bad Soden, Kiedrich) sowie dem ebenfalls vom BMBF geförderten Interdisziplinären Zentrum für Klinische Studien (IZKS) Mainz durchgeführt wird, wendet sich an Personen, die an einer mittelschweren oder schweren Depression leiden und zwischen 18 und 65 Jahre alt sind. Teilnehmer werden u.a. zu aktuellen seelischen Beschwerden, ggf. zur aktuellen Behandlung, zu früheren Erkrankungen und Behandlungsversuchen befragt. Zu Studienbeginn und dann in wöchentlichem Abstand erfolgt eine präzise Erfassung der depressiven Beschwerden und der Verträglichkeit, um den Behandlungserfolg genau bestimmen zu können. Jeder Patient erhält im Rahmen dieser Studie wirksame Medikamente, die bereits seit langer Zeit zur Behandlung von Depressionen zugelassen sind, häufig von Ärzten eingesetzt werden und zu den wirksamsten Medikamenten in der Depressionsbehandlung gehören. Eine Behandlung mit einem Scheinpräparat, einem Placebo, findet nicht statt. Die Studiendauer beträgt insgesamt acht Wochen. Patienten, Angehörige und Ärzte können sich mit Fragen oder Anmeldungen an die EMC-Studienzentrale wenden.
"Depressionen schränken Patienten in ihrem Leben erheblich ein. Eine sehr lange Behandlungsdauer kann dazu führen, dass Patienten die Hoffnung verlieren, und sie erhöht das Risiko für Suizidversuche. Daher ist es umso wichtiger, Strategien zu erarbeiten, die es uns als Therapeuten erlauben, in kürzerer Zeit als bislang zu helfen. Sobald uns die Ergebnisse der Studie vorliegen, werden wir daran arbeiten, dass nationale und internationale Behandlungsrichtlinien für Depressionen schnellstmöglich angepasst werden", betont Prof. Dr. Klaus Lieb, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie.
"Der Universitätsmedizin Mainz ist es nicht nur aus aktuellem Anlass ein besonderes Anliegen, wissenschaftliche Ansätze zur Verbesserung der Gesundheit schwer erkrankter depressiver Patienten zu unterstützen. Mit der EMC-Studie leistet die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie eine herausragende Arbeit, um depressiven Patienten so schnell wie möglich aus der Depression zu helfen. Die hohe Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstreicht die besondere Bedeutung dieser klinischen Untersuchung", betont Prof. Dr. Dr. Reinhard Urban, Wissenschaftlicher Vorstand der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.