Musikhörende Autofahrer reagieren auf Stress nicht schlechter als Autofahrer ohne Musik im Auto
24.09.2008
Ruhige Musik bewirkt keine Änderung des Fahrvermögens und der Beanspruchung. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. 90 Prozent aller Autofahrer hören beim Autofahren Musik. Wie Musik wirkt, wird jedoch bislang kontrovers diskutiert. Einerseits wird Musik als leistungssteigernd und stressreduzierend erlebt, weil sie in beanspruchenden Situationen entspannend wirkt. Andererseits fordert Musik auch die Aufmerksamkeit des Zuhörers und nimmt dadurch Aufmerksamkeitsressourcen in Anspruch, die dann vielleicht in schwierigen Situationen nicht mehr zur Verfügung stehen. Während ältere Untersuchungen darauf hindeuten, dass laute Musik und auch schnelle Musik das Unfallrisiko beim Autofahren erhöhen können, scheint dies für ruhigere Musik nicht zuzutreffen. "Im Vergleich zur Kontrollgruppe ohne Musik haben unsere Testpersonen im Fahrsimulator keine schlechtere Fahrleistung erbracht oder eine höhere Beanspruchung empfunden, wenn sie entspannende Musik gehört haben", teilte Dr. Britta Husemann vom Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität Mainz mit.
"Wir wollten wissen, ob entspannende Musik in stressigen Situationen die Fahrleistung und das subjektive Stresserleben beeinflusst", erklärt Husemann. Bei ihrer Untersuchung hat sie die Probanden eine Stunde lang in einem Fahrsimulator auf einer Überlandstrecke fahren lassen, wobei eine Gruppe Entspannungsmusik vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat zu hören bekam und die andere Gruppe nicht. Bevor sich die Testpersonen zur Simulatorfahrt ans Cockpit eines herkömmlichen Serienfahrzeugs setzten, wurden sie durch beanspruchende psychologische Tests gestresst. "Das machen wir, um bei den Testpersonen eine Stressreaktion hervorzurufen, die dann durch die Einwirkung von Musik beeinflusst werden soll", so die Medizinerin.
Dann begann die Fahrt und die Reaktionen wurden gemessen: Der Fahrsimulator misst die Tauglichkeitskennzahl und Reaktionsgeschwindigkeit, Kriterien für die Fahrleistung und damit einen Teil der sogenannte kognitive Leistungsfähigkeit des Fahrers. Um die subjektive Beanspruchung zu ermitteln, werden die Fahrerinnen und Fahrer nach ihrem Befinden befragt, ferner werden die Herzfrequenz und Muskelanspannung sowie die Cortisol-Konzentration im Speichel gemessen. "Die Experimental- und die Kontrollgruppe unterschieden sich nicht in ihrer Fahrleistung während der Simulatorfahrt und sie unterschieden sich nicht in ihrer aktuellen Befindlichkeit vor, während und nach der Simulatorfahrt", so der Befund. Auch zwischen Männern und Frauen wurde kein Unterschied festgestellt. "Allerdings hatten wir recht junge Testpersonen, Studierende im Alter zwischen 18 und 35 Jahren, und wir wissen aus der Literatur, dass es bei älteren Menschen anders sein kann."
Studien am Fahrsimulator sind für Wissenschaftler nicht einfach zu planen, weil ihre Testpersonen die "Simulatorkrankheit" ereilen kann. Es ist eine besondere Form der Reise- oder Bewegungskrankheit, wie sie etwa bei Schiffsreisen oder bei Fahrten mit der Achterbahn auftreten kann. "Die Krankheit wurde schon vor über 2000 Jahren von Hippokrates beschrieben und wir erleben sie heute auch am Simulator: 30 Prozent unserer Testpersonen fallen wegen Übelkeit oder Schwindelgefühlen aus", so Husemann. "Aber wen es trifft, das wissen wir vorher nicht, und müssen daher bei entsprechenden Studien in Voruntersuchungen empfindliche Personen herausfiltern."