Auszeichnung für innovative Ansätze in der Gefäß-, Herz- und Kreislaufforschung
14.02.2008
Für innovative Ansätze in der Gefäß-, Herz- und Kreislaufforschung hat die Robert-Müller-Stiftung am Mittwoch ihren Forschungspreis und drei Doktorandenstipendien im Rahmen einer akademischen Feier vergeben. Der Robert-Müller-Forschungspreis 2007, dotiert mit €5.000, geht zu gleichen Teilen an Dr. rer. nat. et med. habil. Andreas Daiber von der II. Medizinischen Klinik und Poliklinik und an Dr. med. Felicitas Schneider von der Neurologischen Klinik und Poliklinik. Die Doktorandenstipendien für 2007 in Höhe von jeweils €9.000 gingen an drei Doktorandinnen: Medea Sophia Eleftheriadis, vet. med. Valérie Hofe und Carolin Zimmer.
Dr. Andreas Daiber wurde für seine wissenschaftlichen Arbeiten "Nebivolol Inhibits Superoxide Formation by NADPH Oxidase and Endothelial Dysfunction in Angiotensin II–Treated Rats" und "Role of Reduced Lipoic Acid in the Redox Regulation of Mitochondrial Aldehyde Dehydrogenase (ALDH-2) Activity" ausgezeichnet. Diese Arbeiten beschäftigen sich mit der Regulation des Blutdrucks und dem Einfluss von Stickstoffmonoxid (EDRF). Stickstoffmonoxid wird in der Endothel-Zellschicht gebildet, die das Gefäßgewebe gegen das Blut abgrenzt. Die Substanz trägt wesentlich dazu bei, die Gefäße zu entspannen. Die arterielle Hypertonie, also der Bluthochdruck, stellt einen bedeutenden Risikofaktor für die Entwicklung der endothelialen Dysfunktion dar, bei der es zu einer Fehlsteuerung der Endothel-Zellen kommt, sodass sie ihre Funktion zur Regulierung des Gefäßtonus nicht mehr ausüben können, das heißt ihre blutdruckregulierende Wirkung geht verloren – mögliche Spätfolge ist die Atherosklerose.
Wie gezeigt werden konnte, kommt es durch einen verstärkten oxidativen Stress im Gefäßgewebe zur Absenkung der Stickstoffmonoxid-Bioverfügbarkeit sowie zur Schädigung des Synthese-Enzyms, der Stickstoffmonoxid-Synthase. Nebivolol, ein Beta-Blocker der Dritten Generation, verringert den oxidativen Stress im Gefäßsystem maßgeblich über eine direkte Interaktion mit den verantwortlichen Enzymen, sogenannten Oxidasen. In einer Folgestudie konnte gezeigt werden, dass das organische Nitrat Nitroglyzerin bei chronischer Anwendung nicht nur den gewünschten Ersatz des Stickstoffmonoxids bewirkt, das Patienten mit Angina pectoris fehlt, sondern leider auch unerwünschte Nebeneffekte besitzt. Die chronische Nitroglyzerin-Therapie verursacht oxidativen Stress in den Mitochondrien, den Kraftwerken der Zelle. Dadurch wird die mitochondriale Aldehyddehydrogenase (ALDH-2) gehemmt und die Nitroglyzerin-Bioaktivierung kommt zum Erliegen. Dieser Mechanismus trägt maßgeblich zur Entwicklung der Nitrattoleranz bei, einem Phänomen, das mit einem Wirkungsverlust des Nitroglyzerins verknüpft ist. Daneben kann die Nitrattoleranz auch mit dem beschriebenen Verlust der blutdruckregulierenden Wirkung der Endothelzellen verbunden sein.
Die tierexperimentelle Studie "Brain Edema and Intracerebral Necrosis Caused by Transcranial Low Frequency 20-kHz Ultrasound: A Safety Study in Rats" von Dr. Felicitas Schneider beschäftigt sich mit den Auswirkungen von niederfrequentem Ultraschall im Bereich von 20 Kilohertz auf das Hirngewebe von Laborratten. In Vorstudien war ein thrombolytischer Effekt, das heißt eine Blutgerinnsel auflösende Wirkung von niederfrequentem Ultraschall nachgewiesen worden. Aus diesem Grund könnte die Methode eine alternative, nicht invasive Therapiemöglichkeit zur Behandlung von ischämischen Schlaganfällen darstellen, bei der das verschlossene Gefäß wieder für den Blutfluss durchlässig wird. In der vorliegenden Arbeit wurden erstmals intensitätsabhängige Nebenwirkungen von niederfrequentem Ultraschall auf das Hirngewebe von gesunden Ratten nachgewiesen. Kernspintomographisch zeigte sich ein Zusammenhang zwischen den eingesetzten Intensitätsstufen des Ultraschalls und dem Auftreten von Hirnschwellungen bis hin zu Zelluntergängen. Diese Befunde sind eine wesentliche Grundlage dafür, gewebeschonende ultraschallbasierte Thrombolyseverfahren zu entwickeln.
Medea Sophia Eleftheriadis erhält ein Doktorandenstipendium für ihre Arbeit "Genom-weite Analyse zur kardiovaskulären Risikostratifizierung im Rahmen der Gutenberg-Herz-Studie – Validierung und funktionelle Untersuchungen". In ihrem ambitionierten Forschungsvorhaben, in dem der molekularbiologische Hintergrund des Arteriosklerose-Risikos untersucht wird, sollen "single nucleotide polymorphisms" bei Patienten identifiziert werden. Mithilfe dieser Polymorphismus-Analysen sollen genetische Veränderungen charakterisiert werden, die mit einem besonders hohen beziehungsweise niedrigen Arteriosklerose-Risiko verknüpft sind. Die Ergebnisse dieser Analysen lassen einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis der Pathophysiologie kardiovaskulärer Erkrankungen erwarten. Das Projekt ist ein Teilprojekt der "Gutenberg-Herz-Studie (Prevent-it)". Diese prospektive, populationsbasierte Kohorten-Studie mit Bewohner/-innen des Rhein-Main-Gebiets hat die Verbesserung der individuellen kardiovaskulären Risikostratifikation zum Ziel. Neben der Bestimmung von traditionellen Risikoparametern spielt bei der Gutenberg-Herz-Studie vor allem die Analyse von genetischen Faktoren eine entscheidende Rolle.
Vet. med. Valérie Hofe bekommt ein Doktorandenstipendium für ihre Arbeit mit dem Titel "Murine Desmoglein 2-Mutanten als Tiermodell zur Untersuchung der arrhythmogenen rechtsventrikulären Kardiomyopathie". Das Ziel dieser Arbeit ist es, die Pathomechanismen der arrhythmogenen rechtsventrikulären Kardiomyopathie, einer genetisch bedingten Herzerkrankung, zu untersuchen. Seit kurzem ist bekannt, dass Mutationen in dem Protein Desmoglein-2, welches für die mechanische Kopplung der Herzmuskelzellen verantwortlich ist, die Ursache dieser Krankheit sind. Durch die tierexperimentelle Untersuchung können direkte Folgen der Mutation für den Herzmuskel an einem Modellsystem im Labor untersucht werden. Das Projekt ist von erheblicher klinischer Relevanz für das Verständnis von genetisch bedingten Herzerkrankungen.
Carolin Zimmer kann für ihre Arbeit "Ipsilaterale corticospinale Verbindungen und ihre Bedeutung für die motorische Rehabilitation des akuten Hirninfarktes" ein Stipendium entgegennehmen. Es handelt sich hierbei um eine hochaktuelle und klinisch-wissenschaftlich relevante Thematik, bei der Daten für die Prognosebeurteilung nach einem ischämischen Hirninfarkt erhoben werden sollen. Der ischämische Hirninfarkt ist die häufigste Erkrankung überhaupt und stellt die dritthäufigste Todesursache in den westlichen Industrienationen dar. Daneben ist der Schlaganfall auch die häufigste Ursache vorzeitiger Behinderung im Erwachsenenalter und verursacht damit erhebliche ökonomische Belastungen, nicht nur für die Patienten und die betroffenen Familie selbst, sondern auch für die Gesellschaft insgesamt. Das vorliegende Projekt untersucht die Prognose der funktionellen Erholung bei Schlaganfallpatienten auf der Basis der transkraniellen Magnetstimulation. Grundlage ist die Beobachtung, dass es nach einem Hirninfarkt zu Störungen der Erregbarkeit im Bereich des primären motorischen Kortex kommt, die möglicherweise eine Bedeutung für die weitere Rehabilitationsfähigkeit des motorischen Systems haben.
Robert Müller, der frühere Mitherausgeber des "Wiesbadener Kurier", kündigte 1965 bei seinem Abschied aus der Verlagsleitung die Gründung einer dem Fachbereich Medizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz dienenden Stiftung an. Nach Robert Müllers Tod im Jahre 1967 wurden aus dessen Nachlass der Stiftung kontinuierlich Mittel zugeführt. Ausschließlicher Zweck der Stiftung ist die unmittelbare Förderung der Forschung vornehmlich auf dem Gebiet der Angio-Kardiologie. Dazu gehören die Unterstützung der Lehr- und Forschungseinrichtungen, Förderung bestimmter fachlich und zeitlich begrenzter Forschungsvorhaben, wissenschaftlicher Arbeiten und Veröffentlichungen sowie die Gewährung von Beihilfen in jeder Form zu Forschungs- und Studienreisen. Die Stiftung setzt überdies einen jährlichen Forschungspreis von €5.000 aus.