Neuer Ansatz gegen Afrikanische Schlafkrankheit gefunden

Kleines Hemmstoff-Molekül bremst Parasitenenzym aus / Neuartiges Konzept kann zukünftig für rationales Design von Wirkstoffen gegen andere Krankheiten verwendet werden

12.02.2019

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen haben einen neuen Ansatz gefunden, wie die Afrikanische Schlafkrankheit bekämpft werden kann. Die Grundlagenforschung unter der Leitung von Prof. Dr. Ute Hellmich von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) zeigt einen vielversprechenden Weg für das Design eines entsprechenden Wirkstoffs auf. "Bis zum Medikament ist es ein langer Weg", so Hellmich zu den Perspektiven. "Aber wir haben hier in einer ausgesprochen interdisziplinären Arbeit mit Beteiligung der Parasitologie, der theoretischen und organischen Chemie, der Strukturbiologie und der Biochemie gezeigt, wie der Parasit, der die Schlafkrankheit verursacht, unschädlich gemacht werden kann." Die Gruppe konnte nachweisen, wie ein spezifischer Hemmstoff an ein lebensnotwendiges Protein des Parasiten andockt und es deaktiviert.

Die Afrikanische Schlafkrankheit wird durch Trypanosomen ausgelöst, einzellige Parasiten, die durch die Tsetsefliege übertragen werden. Die Zahl der Betroffenen ging nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation in den letzten Jahren zurück und fiel 2014 auf schätzungsweise unter 15.000 Fälle. Allerdings ist die tatsächliche Ausbreitung schwer zu bestimmen, weil die frühen Symptome denen von Malaria ähneln. "Es sind außerdem nicht nur die ärmsten Menschen der Subsahara betroffen, sondern oft in dramatischem Ausmaß auch deren Rinder, die ebenfalls von Trypanosoma‐brucei‐Arten befallen werden", erklärt die Mainzer Biochemikerin.

Es gibt bislang nur eine Handvoll Medikamente gegen die Schlafkrankheit, die unbehandelt tödlich verläuft. Allerdings geht auch die Behandlung oft mit sehr schweren Nebenwirkungen und Todesfällen bei bis zu 10 Prozent der Behandelten einher. Zwar gibt es mittlerweile neue Arzneimittelentwicklungen, der Ansatz der Gruppe um Hellmilch geht aber einen Schritt weiter: "Unser Inhibitor öffnet die Tür für das grundsätzliche Design von künftigen Wirkstoffen, das vielleicht auch auf andere, verwandte Parasiten wie Leishmanien übertragen werden kann", erklärt Annika Wagner, Erstautorin der kürzlich in der Fachzeitschrift Angewandte Chemie veröffentlichten Studie.

Hemmstoff löst Dimer-Bildung von essenziellem Parasitenprotein aus

Das Prinzip beruht darauf, dass ein kleiner, selektiver Hemmstoff an das Enzym Tryparedoxin bindet. Dieses essenzielle Protein schützt den Parasiten vor oxidativen Schäden, ist aber beim Menschen nicht vorhanden und daher ein geeignetes Arzneimittelziel. Zu seiner Überraschung hat das Forscherteam festgestellt, dass das Protein durch die Bindung an den Hemmstoff ein stabiles Dimer bildet, es kommen also zwei Inhibitor-Protein-Verbindungen zusammen und verknüpfen sich zu einem Duo. Damit geht die Funktion des normalerweise als Monomer vorliegenden Proteins verloren.

"Wir waren völlig erstaunt und dachten zuerst, es handelt sich um einen Zufall, der durch die Bedingungen des Experiments entstanden ist", beschreibt Hellmich die Entdeckung. Daraufhin wurde die Untersuchung erweitert und die Dimer-Bildung im Rahmen einer großen Studie mit unterschiedlichen Methoden überprüft – und bestätigt. Daran beteiligt waren außer den Mainzer Arbeitsgruppen von Prof. Dr. Ute Hellmich und Prof. Dr. Till Opatz auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universitäten in Frankfurt, Würzburg, Heidelberg und des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie (EMBL) in Grenoble.

Forschungserfolg durch hoch interdisziplinäre Arbeit

Die Besonderheit dieser Dimer-Bildung besteht darin, dass ein ausgesprochen kleines Molekül die Verbindung zustande bringt. Die meisten Moleküle, die wie ein molekularer Klebstoff Einzelbausteine zu einem Dimer zusammenfügen, sind sehr groß. "Unser Molekül ist wesentlich kleiner und es erkennt das Protein direkt", erläutert Hellmich. Kleine Moleküle sind einfacher in eine Zelle zu schleusen – hier läge auch der Anknüpfungspunkt für ein neues Arzneimittelkonzept.

Mit der Entschlüsselung der entscheidenden Parameter, die zur chemisch induzierten Hemmung des Parasitenproteins führen, hat die interdisziplinäre Kooperation hier den grundlegenden Weg geebnet. "Wichtig war, dass wir nicht bei unserem ursprünglichen Ziel, die Kristallstruktur zu ermitteln, aufgehört haben", so Hellmich. "Wir haben stattdessen einen zweiten Blick auf das Ergebnis geworfen und uns dann mit Experten aus den unterschiedlichen Gebieten darüber ausgetauscht. Forschung kommt nur voran, wenn man gemeinsam arbeitet."