Neue Methode zur Untersuchung von Halokernen experimentell bestätigt

Kernphysikern ist es erstmals gelungen, die Verhältnismethode zur Analyse von Halokernen experimentell zu belegen

17.06.2025

Theorien müssen der praktischen Überprüfung standhalten, das gilt insbesondere auch in der Physik. Einen solchen Meilenstein haben nun Forschende der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), der Texas A&M University, des Brookhaven National Laboratory, der Michigan State University und der University of Surrey erreicht. Sie konnten erstmals experimentell belegen, dass sich Atomkerne und insbesondere die instabilen Halokerne mithilfe der Verhältnismethode untersuchen lassen – und die Bedeutung dieser neuen beobachtbaren Reaktion somit untermauern. "Unsere Untersuchungen am Beryllium-11-Halo haben die theoretischen Vorhersagen der Verhältnismethode bestätigt", berichtet Prof. Dr. Pierre Capel vom Institut für Kernphysik der JGU. Dieses wichtige Ergebnis bietet in der Kernphysik ein neues Werkzeug zur Untersuchung der Struktur exotischer Kerne. Die Ergebnisse wurden kürzlich im renommierten Wissenschaftsjournal Review Physics Letters veröffentlicht.

Verhältnismethode liefert präzise Informationen

Halokerne sind deutlich größer als übliche Atomkerne, was an ihrer eigentümlichen Struktur liegt: Ein oder zwei Neutronen können sich vom Atomkern lösen und eine Art diffusen Hof, den Halo, um einen kompakten Kern bilden. Auch was ihre Stabilität angeht, unterscheiden sich Halokerne von den meisten anderen Atomkernen. Sie haben eine äußerst kurze Halbwertszeit, beim untersuchen Beryllium-11-Halo liegt sie gerade mal bei 13 Sekunden. Das bedeutet, dass nach 13 Sekunden nur noch die Hälfte der erzeugten Halokerne existieren, die andere Hälfte ist bereits zerfallen. Um sie dennoch analysieren zu können, lässt man sie auf ein Target prallen und versucht, aus der Art der Reaktionsergebnisse Rückschlüsse auf die Struktur des Kerns zu ziehen. Das Problem dabei ist, dass sich die Information über den Halokern nur schwer von Einflüssen trennen lässt, die durch das Experiment zustande kommen.

Im Jahr 2011 entwickelten die drei Theoretiker Pierre Capel und Ronald C. Johnson von der University of Surrey sowie Filomena M. Nunes von der Michigan State University das sogenannte Verhältnismodell. "Dabei bestimmen wir die Struktur von Halokernen aus dem Verhältnis ihrer Streu- und Zerfallswinkelquerschnitte. Auf diese Weise werden wir die Einflüsse der Reaktion los und erhalten die Information zur reinen Struktur des Halokerns", erklärt Capel. Der Streuquerschnitt ist der Prozess, bei dem das Projektil vom Target gestreut wird und nach der Kollision intakt bleibt, der Zerfallsquerschnitt der Prozess, bei dem das Haloneutron vom Kern abgespalten wird.

Erster experimenteller Nachweis gelungen

An der Texas A&M University erzeugte das experimentelle Team über einen Teilchenbeschleuniger Beryllium-11 und ließ dieses mit den stabilen Atomkernen Kohlenstoff-12 kollidieren. "Wir konnten zeigen, dass die Wirkungsquerschnitte für Streuung und Zerfall sehr ähnliche Merkmale aufweisen, ihr Verhältnis ist somit unabhängig vom Reaktionsprozess. Dies zeigt, dass das Verhältnismodell funktioniert", so Capel.

In einem weiteren Schritt wollen die Forschenden Kohlenstoff-19, einen weiteren Halokern, untersuchen. Das Team erwartet, dass diese Messung die Trennungsenergie von Kohlenstoff-19 präziser bestimmen wird als jemals zuvor und wichtige Informationen über die Halostruktur von Kohlenstoff-19 liefert.