Neue Emmy Noether-Nachwuchsgruppe nimmt Paarbeziehungen unter die Lupe

Janina Bühler ins Emmy Noether-Programm der DFG aufgenommen / Nachwuchsgruppe untersucht zugrundeliegende Dynamik von Beziehungsereignissen und Persönlichkeitsentwicklung in verschiedenen Altersgruppen

12.09.2023

Beziehungsereignisse sind bedeutsam im Leben eines Paares. In den ersten zehn Jahren ihrer Beziehung machen die Partner viele, teilweise einschneidende Entwicklungen durch, sie ziehen vielleicht zusammen, bekommen Nachwuchs oder aber sie trennen sich wieder. "Wie eine Beziehung erlebt wird oder wie sie sich entwickelt, hängt zu einem guten Teil von der Persönlichkeit der jeweiligen Partner ab", sagt Prof. Dr. Janina Bühler vom Psychologischen Institut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). "Andererseits beeinflusst die Beziehung oder ein bestimmtes Ereignis in dieser Beziehung wiederum die Persönlichkeit." So hat sich zum Beispiel gezeigt, dass der Selbstwert von Müttern nach der Geburt eines Kindes sinkt. Warum das passiert, ist bisher nicht bekannt. In einem neuen Forschungsprojekt wird Janina Bühler solchen Fragen auf den Grund gehen und untersuchen, wie Beziehungsereignisse und die Persönlichkeit der Partner zusammenhängen. "Diese Wechselwirkungen sind ein ausgesprochen spannendes Themenfeld", so die Psychologin. Sie wurde mit ihrem Projekt in das Emmy Noether-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) aufgenommen und wird mit dieser Unterstützung eine Nachwuchsgruppe einrichten und leiten. Die DFG-Förderung beläuft sich über sechs Jahre auf rund 1,6 Millionen Euro.

Wechselseitige Verknüpfungen von Beziehungsereignissen und Persönlichkeit im Fokus

Die Paarbeziehung ist eine der engsten und wichtigsten Beziehungen, die Menschen im Laufe ihres Lebens eingehen. In ihrem neuen Forschungsprojekt untersucht Prof. Dr. Janina Bühler bedeutende Ereignisse in einer Beziehung wie beispielsweise Heirat oder Scheidung und ihre wechselseitige Verbindung mit Persönlichkeitsmerkmalen wie Verträglichkeit, Neurotizismus oder Selbstwert. "Dass diese Zusammenhänge bestehen, ist bekannt. Aber wie und warum sie genau zustande kommen, ist nicht geklärt", so die Wissenschaftlerin. Sie war bereits als Paartherapeutin tätig und ist seit Januar 2022 Juniorprofessorin für Persönlichkeitspsychologie und psychologische Diagnostik an der JGU.

Hinsichtlich der wechselseitigen Verknüpfungen unterscheidet die Psychologie zwei Richtungen: Sogenannte Selektionseffekte deuten darauf hin, dass sich Persönlichkeitsmerkmale auf die Beziehung auswirken, etwa dass die Persönlichkeitseigenschaft Verträglichkeit eine glücklichere Beziehung erwarten lässt. Umgekehrt bezeichnen Sozialisationseffekte die Beobachtung, dass Beziehungsereignisse wie Heirat oder Trennung zur Persönlichkeitsentwicklung beitragen können. Gerade diese Sozialisationseffekte sind für das Forschungsprojekt besonders interessant. "Aber wir können das eine nicht vom anderen trennen und müssen beide Effekte betrachten, schließlich ist es ein dynamisches Zusammenspiel", so Bühler.

Schnappschüsse aus dem Alltag von Paaren aufnehmen

Um festzustellen, wie diese Prozesse konkret ablaufen, werden Paare in ihrem Alltag befragt – zum Beispiel danach, wie dominant sie in einer aktuellen Situation sind oder wie zufrieden sie sich in der Beziehung fühlen. "Um wirklich zu verstehen, wie eine bestimmte Situation entsteht, müssen wir den Alltag wie mit einer Lupe anschauen." Geplant sind engmaschige Untersuchungen, sogenannte Experience Samplings, bei denen die Probanden während zehn Tagen fünfmal täglich kurz zu ihrer Situation befragt werden. Diese Befragung wird alle drei Monate wiederholt und dies über vier Jahre hinweg. Die Schnappschüsse sollen ein tieferes Verständnis liefern, warum etwa das Selbstwertgefühl im Zusammenhang mit der Geburt eines Kindes sinkt. Bisherige Analysen ergaben nur eine grobe Perspektive oder sind in der Aussage widersprüchlich.

In die Erhebungen werden 750 Paare aus dem deutschsprachigen Raum einbezogen, die zu jeweils einem Drittel dem jungen, mittleren und höheren Erwachsenenalter angehören. Weil sich die Beziehungszufriedenheit in den ersten zehn Jahren der Beziehung am stärksten verändert und zehn Jahre nach Beginn einen Tiefpunkt erreicht, fallen sehr wahrscheinlich auch wichtige Ereignisse in diese Zeit. Daher wird sich die Studie auf Paare konzentrieren, die seit höchstens zehn Jahren zusammen sind – was im Falle der über 65-Jährigen nicht so häufig, aber wegen des Phänomens der "Grey Divorces" von besonderem Interesse ist.

Beziehungsvorgänge differenziert betrachten

"Indem wir versuchen, die Hintergründe und die Bedeutung zu erfragen, wollen wir die tieferliegende Dynamik analysieren. Vielleicht zeigt sich dabei zum Beispiel, dass ein Ereignis nicht unbedingt immer gut oder immer schlecht sein muss", sagt Bühler mit einem Hinweis darauf, dass eine Trennung auch als positiv empfunden werden kann. Insgesamt soll die Studie dazu beitragen, die Mechanismen besser zu verstehen, die als Schutz- oder als Risikofaktoren in Beziehungsereignissen wirken. Dieses Wissen wiederum könnte in künftigen Präventions- oder Interventionsstudien mit Paaren genutzt werden. "Beziehungen sind für das Wohlergehen ein wichtiger Faktor, egal welches Alter oder welchen Hintergrund Menschen haben. Daher ist es wichtig, mehr darüber in Erfahrung zu bringen", erklärt Prof. Dr. Janina Bühler die Zielsetzung des Projekts.

An der Studie mit dem Titel "Eine längsschnittliche Experience-Sampling-Studie zu Persönlichkeits-Beziehungs-Transaktionen bei Paaren des jungen, mittleren und hohen Erwachsenenalters: Eine detaillierte Erfassung und Analyse zugrundeliegender Dynamiken" sind als Kooperationspartner Prof. Dr. Kai Horstmann von der Universität Siegen, Prof. Dr. Jaap Denissen von der Universität Utrecht in den Niederlanden und Prof. Dr. Paul W. Eastwick von der University of California, Davis, in den USA beteiligt. In Mainz wird für das Projekt eine Promotions- und eine Postdoktorandenstelle neu besetzt.

Emmy Noether-Programm der DFG

Das Emmy Noether-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft eröffnet herausragend qualifizierten Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern die Möglichkeit, sich durch die eigenverantwortliche Leitung einer Nachwuchsgruppe über einen Zeitraum von sechs Jahren für eine Hochschulprofessur zu qualifizieren. Mit einem exzellenten Forschungsprojekt können sich Postdocs und befristet beschäftigte Juniorprofessorinnen und -professoren in einer frühen Phase ihrer wissenschaftlichen Karriere dafür bewerben.