Erweiterung des forschungsstarken Physik-Quartiers auf dem Mainzer Gutenberg-Campus
16.12.2024
Mit dem Centrum für Fundamentale Physik (CFP) erhält die Spitzenforschung des Exzellenzclusters PRISMA+ an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) eine hervorragende Infrastruktur: Das viergeschossige Labor- und Bürogebäude (CFP II) bildet mit mehreren Forschungslaboren, einer zweigeschossigen Montagehalle sowie einem Konferenzbereich das oberirdische Gegenstück zum Um- und Erweiterungsbau der unterirdischen Experimentierhallen (CFP I), in dem künftig der neue Elektronenbeschleuniger MESA betrieben wird.
"Die Errichtung des Centrums für Fundamentale Physik (CFP) verdeutlicht: Der Hochschulbau hat für die Landesregierung einen hohen Stellenwert. Für die Gesamtmaßnahme CFP investieren Land und Bund rund 105,7 Millionen Euro Baumittel und 18,3 Millionen Euro für Großgeräte und Erstausstattung. Darin enthalten sind Forschungsbau-Fördermittel des Bundes in Höhe von rund 30,66 Millionen Euro. Die Errichtung eines neuen Forschungsbaus, wie das CFP, ist stets mit einem anspruchsvollen Planungs- und Bauprozess verbunden. Es müssen höchste bauliche Anforderungen erfüllt werden, um maßgeschneiderte Rahmenbedingungen für die anspruchsvollen Forschungszwecke, den Einsatz der hochkomplexen Großgeräte und die technisch sehr unterschiedlichen Funktionseinheiten der Forschungsgruppen am Standort Mainz zu ermöglichen", erklärt Finanz- und Bauministerin Doris Ahnen.
"Die Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist seit Langem als herausragender, national und international angesehener Standort in der Kern-, Teilchen- und Hadronenphysik sowie im Detektorbau und den damit verbundenen Forschungsfeldern bekannt. Das neue Forschungsgebäude schafft sehr gute Bedingungen, die höchst erfolgreiche Entwicklung der Universität in diesem Bereich fortzusetzen. Im aktuellen Förderatlas 2024 der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) nimmt sie bundesweit Platz 1 in der Förderung im Fachgebiet Physik ein, das spricht für die bemerkenswerte Leistungsbilanz der Universität Mainz und der in diesem Bereich forschenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler", sagt Wissenschaftsminister Clemens Hoch. Die Landesregierung leiste ihren Beitrag dazu, indem sie gute Rahmenbedingungen und Strukturen für Spitzenforschung schafft, beispielsweise über die Forschungsinitiative. So trage das Land dazu bei, dass die Universität für den internationalen Wettbewerb um Spitzenpersonal, Nachwuchskräfte und Fördermittel gut gerüstet ist, so der Minister weiter.
2012 wurde im Rahmen der damaligen Exzellenzinitiative der Exzellenzcluster PRISMA ("Precision Physics, Fundamental Interactions and Structure of Matter") bewilligt und damit ein neuer Forschungsverbund in der Teilchen- und Hadronenphysik etabliert. In der nächsten Runde der Exzellenzstrategie setzte sich die Erfolgsgeschichte fort, und 2019 ging mit PRISMA+ der Nachfolgecluster an den Start. Fast 300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beschäftigen sich derzeit im Rahmen des Exzellenzclusters PRISMA+ unter anderem mit der Erforschung der Dunklen Materie, auf deren Eigenschaften bisher nur indirekt Rückschlüsse gezogen werden können, und haben auf diesem Gebiet in den vergangenen zehn Jahren herausragende wissenschaftliche Erfolge erzielt. "Unser Exzellenzcluster hat eine beeindruckende Entwicklung vorzuweisen", so der Präsident der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Prof. Dr. Georg Krausch. "Die Kombination aus bisher unerreichten Präzisionsmessungen, führenden Beteiligungen an internationalen Großexperimenten und innovativen Berechnungen der theoretischen Physik hat den Status der JGU als eines der weltweit führenden Zentren der Teilchen-, Astroteilchen- und Hadronenphysik kontinuierlich gefestigt. Auf diese Weise schärft PRISMA+ seit über zehn Jahren das Forschungsprofil der JGU und stärkt die nationale wie internationale Sichtbarkeit sowie Konkurrenzfähigkeit der Universität im Wettbewerb um Fördermittel, Spitzenforscherinnen und -forscher sowie den wissenschaftlichen Nachwuchs. Wir danken daher dem Land Rheinland-Pfalz für seine Investition und sein Engagement in diesem technisch sehr anspruchsvollen Bauprojekt, das unseren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern infrastrukturell modernste Forschungsbedingungen eröffnet."
"Das CFP II beherbergt insbesondere auch Speziallabore für die Detektorentwicklung, einschließlich Reinraum und einer 400 Quadratmeter großen Montagehalle für den Bau großer Detektorkomponenten", erläutert Prof. Dr. Volker Büscher, Professor am Institut für Physik und Baubeauftragter des CFP II. Die Halle verfüge über eine eingebaute Krananlage und eine Lkw-Einfahrt, um die Forschungsgeräte zu internationalen Großforschungseinrichtungen wie dem CERN oder auch in die unterirdische MESA-Experimentierhalle des CFP I zu transportieren. "In beiden Gebäuden finden wir nun ideale Forschungs- und Entwicklungsbedingungen", ergänzt Prof. Dr. Kurt Aulenbacher, Professor am Institut für Kernphysik, Baubeauftragter des CFP I und Leiter des Projektteams für den Bau des neuartigen Beschleunigers.
Technische und bauliche Eigenschaften der verschiedenen Gebäude im CFP
Die Herausforderung beim Bau der unterirdischen Experimentierhallen (CFP I) war es, in bis zu 11 Metern Tiefe an die bestehenden Experimentierhallen aus den 1960er Jahren nahtlos anzuschließen und die baulichen Erfordernisse für einen Beschleunigerbetrieb umzusetzen. So wurden etwa 36 Gründungspfähle mit einem Durchmesser von 1,20 Metern rund 34 Meter ins Erdreich eingelassen sowie zum Strahlenschutz eine 2,5 Meter dicke Stahlbetondecke an einem Tag gegossen.
Auf der 600 Quadratmeter großen Halle wurde schließlich oberirdisch ein zweigeschossiges Technikgebäude mit rund 590 Quadratmetern Fläche aufgebaut. Unterirdisch wird derzeit bereits der neue innovative Teilchenbeschleuniger MESA (Mainz Energy-Recovering Superconducting Accelerator) aufgebaut und in Betrieb genommen. Außerdem wurde eine neue Werkstatt mit Büro- und Aufenthaltsräumen mit 290 Quadratmetern sowie eine Lagerhalle mit 240 Quadratmetern dem Institut zur Nutzung zur Verfügung gestellt.
Der Labor- und Büroneubau CFP II versteht sich komplementär zur Erweiterung der bestehenden unterirdischen Experimentierhallen. Planerisch galt es, CFP II auf dem stark begrenzten Raum zwischen den bestehenden Gebäuden der Kernphysik und dem Helmholtz-Institut Mainz zu integrieren. Der Neubau mit einer Länge von 56 Metern, 31 Metern Breite und 23 Metern Höhe nutzt die vorherige Freifläche am Staudingerweg gegenüber dem Institut für Physik optimal. Die am Exzellenzcluster PRISMA+ beteiligten Gruppen sind in dem so vervollständigten Physik-Quartier in unmittelbarer Nähe zueinander untergebracht.
Das CFP II beherbergt Büros und Speziallabore für sechs neue Arbeitsgruppen aus den Forschungsschwerpunkten Neutrinophysik, Astroteilchenphysik, Dunkle Materie, Präzisionsphysik bei niedrigen Energien und Beschleunigerphysik und das PRISMA-Detektorlabor sowie für die Gastwissenschaftlerinnen und Gastwissenschaftler. Hinzu kommen ein multifunktionaler Konferenzbereich für das Mainz Institute for Theoretical Physics (MITP) sowie Büroflächen für die Verwaltung des Exzellenzclusters.
Die technischen und baulichen Eigenschaften der verschiedenen Gebäude im Centrum für Fundamentale Physik stellen besondere Herausforderungen an die Fachingenieure im Landesbetrieb LBB und das von ihm beauftragte Generalplanungsbüro DGI Bauwerk (Berlin), das als Generalplaner agierte. Als ausführende Generalunternehmen waren die Firmen Leonhard Weiss (Langen) und Lindner (Arnstorf) tätig.
"Viele Projekte des Landesbetriebs LBB sind keine Gebäude 'von der Stange', sondern hoch anspruchsvolle Spezialbauten wie das CFP", sagt Holger Basten, Geschäftsführer des Landesbetriebs Liegenschafts- und Baubetreuung (Landesbetrieb LBB). "Die Kombination aus der Erweiterung der strahlungsdichten Forschungsbunker mit oberirdischem Technikneubau und einem Labor- und Verwaltungsneubau auf eng begrenzter Fläche war eine große Herausforderung. Zunächst waren Forschende der JGU und der LBB gefordert, den Bedarf genau zu definieren. In der Phase der Planung und Realisierung haben wir mit spezialisierten Partnern aus der Planungs- und Bauwirtschaft zusammengearbeitet, von denen es auf dem Markt nur wenige mit entsprechender Expertise gibt. Mein Dank für ihre enorme und kooperative Leistung geht daher an alle Beteiligten, sowohl an die JGU und das Projektteam der LBB-Niederlassung Mainz als auch an den Generalplaner und alle ausführenden Firmen."
Mainzer Spitzenforschung – der Exzellenzcluster PRISMA+
Der Exzellenzcluster PRISMA+ beschäftigt sich mit den grundlegenden Bausteinen der Materie und den Kräften, die zwischen ihnen wirken. All dies beschreibt das Standardmodell der Teilchenphysik mit beeindruckender Genauigkeit – und lässt doch grundlegende Fragen unbeantwortet: Warum haben sich nach dem Urknall Materie und Antimaterie nicht vollständig gegenseitig vernichtet? Woraus besteht die unsichtbare Dunkle Materie, die mehr als 80 Prozent der Masse des Kosmos ausmacht? Was ist die Rolle der rätselhaften Neutrinos im frühen Universum? Die Suche nach dieser "neuen Physik" jenseits des Standardmodells ist Leitthema von PRISMA+.
Wissenschaftliche Erfolge der letzten zehn Jahre sind die Mitwirkung bei der Entdeckung des Higgs-Teilchens und der Messung der W-Boson-Masse am ATLAS-Detektor am CERN, dem Nachweis eines Neutrinos aus einer drei Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie mit dem IceCube-Expriment am Südpol, der extrem präzisen Vermessung des Myon-Magnetismus am amerikanischen Fermilab, mit der sich Hinweise auf neue Physik extrem verdichten, und dem kontinuierlichen Ausbau des XENON-Experiments, dem weltweit empfindlichsten Detektor für die Suche nach Dunkler Materie, im italienischen Gran Sasso Gebirge.