Mainzer Studierende sammeln biografische Berichte über Erfahrungen mit der deutschen Ost-West-Grenze

Beteiligung am internationalen Projekt "Iron Curtain Stories"

13.06.2013

Studierende der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) beteiligen sich an einem Projekt, das die Erfahrungen und Erlebnisse von Zeitzeugen mit dem Eisernen Vorhang dokumentiert. Sie führen dazu Interviews mit Flüchtlingen oder Emigranten, aber auch mit anderen Menschen, die mit der Grenze zwischen West und Ost in Berührung gekommen sind. Die Ergebnisse dieser biografischen Interviews werden geografisch verortet und dann auf einer Website und Mobilfunk-App dargestellt. Reisende, die beispielsweise auf dem Radwanderweg "Iron Curtain Trail" unterwegs sind, können so mithilfe der App Informationen und Zeitzeugenberichte direkt vor Ort abrufen.

Unter der Leitung von Juniorprof. Dr. Sarah Scholl-Schneider beteiligen sich die Mainzer Masterstudierenden an dem Projekt "Iron Curtain Stories" der tschechischen Organisation Post Bellum, einer unabhängigen Vereinigung mit Sitz in Prag, die seit mehr als zehn Jahren Erinnerungen von Zeitzeugen systematisch sammelt und dokumentiert. Über 2.000 Lebensgeschichten wurden bislang erfasst, die Zeugnis von den totalitären Regimen im Europa des 20. Jahrhunderts ablegen. Das Projekt "Iron Curtain Stories" ist Teil des Großprojekts "Memory of Nations", das derzeit insgesamt 25 europäische Teilprojekte umfasst, u.a. in Polen, Ungarn und Rumänien, und wird von der EU-Kommission im Rahmen des "Europe for Citizens Programme" gefördert.

"Ziel dieser Sammlung biografischer Erfahrungen ist es, an den Nationalsozialismus und Kommunismus in Europa zu erinnern und diese Erfahrungen aufzuarbeiten, sodass sich die Bürger der Europäischen Union darüber klar werden können, wie groß die Unterschiede zwischen dem Europa von heute und dem der Zeit des Kalten Kriegs sind", erläutert Juniorprof. Dr. Sarah Scholl-Schneider. "Der Zugang über Individualgeschichten eröffnet Raum für Empathie, er kann Aktionen, Diskussion und Demokratie anregen sowie die europäische Einheit stärken."

Im Rahmen ihres Studiums werden die angehenden Kulturanthropologen in Mainz auch an das praktische wissenschaftliche Arbeiten herangeführt. Bei dem aktuellen "Forschendes Lernen"-Projekt geht es darum, einen Einblick in die biografische Rückschau von Menschen zu erhalten, die Erfahrungen mit dem Eisernen Vorhang gemacht haben. Durch Interviews werden Erinnerungsräume erschlossen, die durch die Handy-App wiederum einen konkreten Raumbezug erhalten. Über die Zusammenarbeit mit den internationalen Partnern hinaus beschäftigen sich die jungen Forschenden mit spezifisch kulturanthropologischen Fragestellungen, z.B. wie die biografische Erfahrung des geteilten Europas medial und museal – im Film, im Internet, durch Museen und Gedenkstätten rund um die Grenze – vermittelt wird und wie sich die erinnerungskulturellen Aktivitäten in Ost und West unterscheiden.