Mainzer Physiker bauen Prototyp für neuen ATLAS-Detektor

Muster für das neue "Small Wheel" kommt aus Mainzer Arbeitsgruppe / Erste Tests am ATLAS-Detektor verlaufen vielversprechend

09.11.2016

Eines der großen Experimente am Forschungszentrum CERN bei Genf, das ATLAS-Experiment, steht vor einem Umbau. ATLAS war 2012 maßgeblich an der Entdeckung des Higgs-Teilchens beteiligt und ist mit einer Länge von 46 Metern und einem Durchmesser von 25 Metern der größte Detektor an einem Teilchenbeschleuniger überhaupt. Nun soll ATLAS Ende 2018 seine Arbeit einstellen und ausgebaut werden. Für diesen Ausbau haben Wissenschaftler der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und des CERN einen ersten Prototyp-Detektor entwickelt. Das Musterstück wurde nun am ATLAS-Experiment eingebaut und zeichnet Daten von Teilchenkollisionen auf. "Unser Prototyp-Detektor bildet sozusagen die Grundlage für die weltweite Produktion von Teilchendetektoren, die in den Jahren 2019/2020 im ATLAS-Experiment eingebaut werden", teilt Juniorprof. Dr. Matthias Schott dazu mit. Die Arbeitsgruppe des Wissenschaftlers, der seit 2013 Lichtenberg-Professor für Experimentelle Teilchenphysik an der JGU ist, hat den Prototyp mit CERN-Kollegen in mehrjähriger Pionierarbeit entwickelt.

Das ATLAS-Experiment ist eines von mehreren Experimenten am Teilchenbeschleuniger Large Hadron Collider (LHC) des CERN. Es dient insbesondere zur Untersuchung der kleinsten Bausteine der Materie und der weiteren Erforschung des Higgs-Teilchens. Hier spielt das Myon-Spektrometer des ATLAS-Detektors eine zentrale Rolle, da es Myonen identifiziert und vermisst, die zum Beispiel beim Zerfall des Higgs-Teilchens entstehen können. An den beiden äußeren Seiten des zylinderförmigen ATLAS-Detektors sind Myon-Detektoren in drei Lagen angebracht, von denen die innerste Lage, genannt "Small Wheel", im Zuge des Umbaus durch neuartige Mikrostruktur-Gasdetektoren ersetzt wird. Diese Micromegas-Detektoren beruhen auf einer Technologie, die erst vor wenigen Jahren entwickelt wurde und bisher noch nicht großflächig eingesetzt worden ist. "Die neuen Small Wheels werden mit zehn Meter Durchmesser in mehreren Lagen eine aktive Detektorfläche von 2.500 Quadratmetern erreichen und einen großen Bereich des Myon-Spektrums abdecken", erklärt Schott.

Nachdem Schott und seine Arbeitsgruppe den Prototyp-Detektor zuerst am Mainzer Mikrotron, einem Teilchenbeschleuniger auf dem Gelände der JGU, getestet hatten, erfolgte der Einbau am alten Myon-Spektrometer des ATLAS-Detektors. Die Tests laufen seit einigen Wochen und bisher funktioniert alles wie erwartet: "Wir haben einen Meilenstein erreicht, wie man so sagt, und unsere ersten Tests verlaufen vielversprechend", so Schott.

Schon jetzt sind die Mainzer Physiker zuversichtlich, dass auch das große Projekt 2018 auf Grundlage ihres Meisterstückes erfolgreich umgesetzt werden kann. An dem neuen Small Wheel sind dann außer den Universitäten in Freiburg, München, Würzburg und Mainz auch Partnerinstitute in Frankreich, Griechenland, Italien und Russland sowie CERN-Wissenschaftler beteiligt. Die Arbeitsgruppe von Matthias Schott wird in den kommenden Jahren maßgeblich durch das Detektorlabor des Exzellenzclusters "Precision Physics, Fundamental Interactions and Structure of Matter" (PRISMA) unterstützt. Die Investitionen des Gesamtprojekts werden bei mehreren Millionen Euro liegen. Der Ausbau soll bis 2021 abgeschlossen sein, sodass ATLAS anschließend bei noch häufigeren Teilchenkollisionen noch mehr Daten als bisher nehmen kann – und so neue Erkenntnisse über die fundamentalen Bausteine der Materie zutage fördert.