Mainzer Arbeitsmediziner ist Lösungsmitteln im Gehirn auf der Spur

Ergebnisse liefern Beitrag zur Evaluierung arbeitsmedizinischer Grenzwerte

14.06.2002

Die akuten Wirkungen organischer Lösungsmittel im Gehirn misst PD Dr. Axel Muttray, Oberarzt am Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). Sehr hohe Konzentrationen, die an einzelnen Arbeitsplätzen immer noch vorkommen, können regelrechte Rauschzustände verursachen. "Uns interessiert, ob auch niedrige Belastungen bis zu den Grenzwerten mit einem erhöhten Unfallrisiko einhergehen," erläutert Muttray. Antwort geben unter anderem Tests, die das Reaktionsvermögen und die Wachheit prüfen. Organische Lösungsmittel greifen in die elektrochemischen Prozesse der Informationsverarbeitung im Gehirn ein. Die elektrischen Vorgänge in der Hirnrinde misst der Arbeitsmediziner mit dem EEG als Potenziale außen am Kopf.

Eine hohe Auszeichnung für seine Forschungen erhielt Muttray im Frühjahr 2002 mit dem Franz-Koelsch-Preis in Würdigung hervorragender wissenschaftlicher Verdienste auf dem Gebiet der Arbeitsmedizin für seine Publikation "Acute changes on the human EEG after an external exposure to 200 ppm methanol". Die Arbeit beschreibt die Wirkungen von Methanol auf das menschliche Gehirn. Hier ist es Muttray erstmals gelungen, mithilfe der quantitativen EEG-Analyse subjektiv nicht wahrnehmbare Wirkungen organischer Lösungsmittel im Gehirn des Menschen nachweisen konnte. Darüber hinaus hat Muttray die Methode auch mit Erfolg bei der Einwirkung von Lösungsmittelgemischen eingesetzt. Seine Ergebnisse liefern sowohl einen Beitrag zur Evaluierung arbeitsmedizinischer Grenzwerte, die Beschäftigte vor Gesundheitsgefährdungen schützen sollen, als auch zum Verständnis der unterschiedlichen Wirkungsmechanismen.

Dr. Axel Muttray berichtet, dass die aufwendigen Experimente in einer eigens zu diesem Zweck errichteten Expositionskammer durchgeführt wurden, um Arbeitsplatzverhältnisse zu simulieren. Das Forschungsvorhaben war von der Stiftung Rheinland-Pfalz für Innovation mit mehr als 300.000 DM gefördert worden. Untersucht wurden nur gesunde freiwillige Probanden. "Vorher haben wir selbstverständlich die Zustimmung der Ethikkommission der Landesärztekammer eingeholt. Die Lösungsmittelkonzentrationen waren gesundheitlich unbedenklich." Die Potenziale wurden mit einer Haube abgeleitet, die ähnlich wie eine Badekappe aussieht.

Die Analyse des EEGs liefert außer Statistiken mit vielen Zahlen auch Karten vom Gehirn, in denen Veränderungen farbig dargestellt werden können. Muttray betont, dass das sogenannte "Brain Mapping" ein Verfahren ist, das derzeit wissenschaftlichen Fragestellungen vorbehalten und nicht für Untersuchung von einzelnen Patienten geeignet ist. Nach Abschluss der ersten Messreihe wird die Expositionskammer für weitere durch Drittmittel finanzierte Forschungsprojekte eingesetzt. "Beim Verständnis der Lösungsmittelwirkungen stehen wir erst am Anfang," so Muttray. Seine neuesten Experimente belegen, dass organische Lösungsmittel die Aktivität verschiedener Botenstoffe im Gehirn verändern.

In anderen Projekten untersucht Dr. Axel Muttray zusammen mit Kollegen aus der HNO-Klinik, wie Entzündungen der Nasenschleimhaut und Riechstörungen durch reizende Arbeitsstoffe entstehen. "Bei Patienten mit einem Verlust des Riechvermögens ist auch das Schmeckvermögen stark beeinträchtigt. Ich habe in der letzten Zeit mehrere Patienten mit einer berufsbedingten Schädigung des Riechvermögens untersucht, die sich unabsichtlich mit verdorbenen Speisen vergiftet oder Brandrauche nicht wahrgenommen hatten," erklärt der Arbeitsmediziner. Momentan betreibe die interdisziplinäre Arbeitsgruppe Grundlagenforschung, die auch von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert werde. Die Forscher sind zuversichtlich, dass ihre Ergebnisse später der Prävention am Arbeitsplatz und auch Patienten zugutekommen werden.