Sportwissenschaftler legen umfassende Untersuchung zur Überschreitung der Kosten sowie Mehreinnahmen der zehn letzten Olympischen Spiele vor
29.10.2019
Die Kostenfrage bei den Olympischen Spielen hat in den letzten Jahren vielerorts für Diskussionsstoff gesorgt und Überlegungen befeuert, ob die Austragung der Spiele angesichts der Gesamtkosten und vor allem im Hinblick auf die Überschreitung der Budgets überhaupt gerechtfertigt ist. Allerdings fehlt es häufig an konkreten Zahlen, welche Kosten denn genau den Spielen zuzurechnen sind. Sportökonomen der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) haben nun in Kooperation mit der Université Paris 1 Panthéon-Sorbonne eine umfassende Aufstellung über Ausgaben und Einnahmen bei Olympischen Spielen erstellt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Organisationskosten immer von den Einnahmen gedeckt werden und sogar zu Gewinnen führten. Bei den Kosten für die Sportinfrastruktur, zumeist finanziert aus Steuergeldern, werden die ursprünglich veranschlagten Summen zwar überschritten, allerdings in einem Rahmen wie bei anderen Großprojekten auch. Die Sportwissenschaftler haben für die Studie rund 280 vorwiegend nicht öffentliche Dokumente zu allen Olympischen Spielen seit Sydney 2000 ausgewertet. Die 170-seitige Studie wird demnächst im Springer Verlag publiziert. In einer Zusammenfassung werden schon jetzt die wichtigsten Ergebnisse öffentlich gemacht.
Calgary wird in Kürze eine Volksbefragung über die geplanten Winterspiele 2026 abhalten. Nachdem viele Städte in den letzten Jahren bereits während der Bewerbung die Austragung von Winterspielen abgelehnt hatten, gilt die anstehende Bevölkerungsbefragung als ein weiteres Zeichen für die brisante Situation um das Großereignis und seine Milliarden-Kosten. "Tatsächlich wurden die Spiele über Jahrzehnte hinweg immer extravaganter und teurer", sagt Prof. Dr. Holger Preuß vom Institut für Sportwissenschaft der JGU. In den letzten 20 Jahren blieben die Spiele jedoch in Hinblick auf die Zahl der Athleten, die Sportstätten und Anzahl von Medaillen relativ konstant. Die Gruppe um Preuß hat daher die letzten fünf Sommerspiele und fünf Winterspiele seit Sydney im Jahr 2000 untersucht. "Wir konnten die größte Sammlung an Finanzinformationen über die Olympischen Spiele zusammentragen, die es weltweit gibt", so Preuß. Die Daten umfassen interne Finanzdaten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Angaben von Stadtarchiven, offiziellen Berichten, Bewerbungsunterlagen und Privatarchiven. Sie decken für alle Spiele jeweils den Zeitraum von acht Jahren mit Beginn der Kandidatur bis zu den eigentlichen Spielen ab, um präzise die Kosten- sowie Einnahmenüber- und -unterschreitungen zu ermitteln.
Die Mainz-Paris-Studie bestätigt, dass es Überschreitungen des ursprünglich geplanten Budgets für die Infrastruktur gibt, jedoch nicht in dem Ausmaß, wie es häufig in den Medien propagiert wird. "Bei den großen Infrastrukturinvestitionen wie zum Beispiel Stadien liegen die Mehrkosten in einer Größenordnung wie bei anderen Großprojekten auch", sagt Preuß. Für die Olympischen Spiele zwischen 2000 und 2012 beliefen sich die Mehrkosten zwischen 29 und 56 Prozent des ursprünglichen Ansatzes. Bei den sogenannten Organisationskosten, die zur konkreten Organisation der Events wie etwa der Eröffnungsfeier und der Wettbewerbe anfallen, werden die Ausgaben immer durch die Einnahmen, etwa aus der Vergabe von TV-Rechten oder durch internationale Sponsoren, gedeckt. In manchen Fällen kommt es sogar zu Gewinnen.
Die Studie "Cost & Revenue Overruns of the Olympic Games" wurde von Prof. Dr. Holger Preuß und Maike Weitzman von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz sowie Prof. Dr. Wladimir Andreff, einem der renommiertesten Sportökonomen und Professor Emeritus der Université Paris 1 Panthéon-Sorbonne, erstellt.