Johannes Gutenberg-Universität Mainz richtet Juniorprofessuren ein

Wissenschaftlerin aus der Evangelischer Theologie und Theaterwissenschaftler sind die Ersten / Juniorprofessur als Chance für exzellente Nachwuchskräfte

17.02.2003

Die Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) wird zum Sommersemester 2003 die ersten beiden Juniorprofessuren einrichten: Die Wahl fiel auf Dr. Heike Omerzu vom Fachbereich Evangelische Theologie und Dr. Peter W. Marx vom Institut für Theaterwissenschaft. Die beiden Nachwuchswissenschaftler werden ab 1. April 2003 als Angestellte beschäftigt und dann, sobald das neue Hochschulrecht in Rheinland-Pfalz in Kraft getreten ist, zur Juniorprofessorin beziehungsweise zum Juniorprofessor ernannt. Insgesamt will die JGU in diesem Jahr zwölf Nachwuchskräfte auf eine Juniorprofessur berufen. Jede Stelle wird vom Bund mit 60.000 Euro gefördert.

"Mit der Juniorprofessur haben wir ein Instrument zur Hand, um jungen hochqualifizierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern den Einstieg in die akademische Laufbahn zu erleichtern", teilte der Präsident der Johannes Gutenberg-Universität, Prof. Dr. Jörg Michaelis, mit. Er begrüßte, dass wissenschaftliche Spitzenkräfte nunmehr die Möglichkeit erhalten, bereits in jungen Jahren selbstständig zu forschen und zu lehren. Um die jungen Probanden bei ihrem Start in die Hochschulkarriere zu unterstützen, sieht das Konzept der Johannes Gutenberg-Universität eine umfassende Betreuung und eine Begrenzung der Lehrverpflichtung auf vier Semesterwochenstunden vor.

Dr. Heike Omerzu

Heike Omerzu, 1970 in Oberhausen/Rheinland geboren, hat von 1990 bis 1995 an der Gerhard-Mercator-Universität Duisburg Evangelische Theologie und Anglistik für das Lehramt an Gymnasien studiert und mit dem ersten Staatsexamen abgeschlossen. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin war sie in Duisburg und seit Oktober 1996 am Fachbereich Evangelische Theologie/Seminar für Neues Testament der JGU tätig. Im April 2002 schloss sie ihre Promotion zum Thema "Der Prozess des Paulus nach dem Bericht der Apostelgeschichte des Lukas" mit Auszeichnung (summa cum laude) ab. Seit 1996 arbeitet Heike Omerzu zudem an dem Projekt "Register zu den Jüdischen Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit" mit, das unter anderem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Fritz-Thyssen-Stiftung gefördert wurde.

Der Dekan des Fachbereichs Evangelische Theologie, Prof. Dr. Walter Dietz, begrüßte die Ernennung von Dr. Omerzu und wies darauf hin, dass die Wissenschaftlerin eine hervorragende Dissertation geschrieben habe, für die sie von der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen mit dem renommierten Hanns-Lilje-Preis ausgezeichnet worden sei. "Das war für uns auch ein Hinweis, dass wir mit Dr. Omerzu die richtige Person für die Juniorprofessur haben", sagte Dietz.

In ihrer Dissertation befasste sich Heike Omerzu mit dem Schicksal des Apostel Paulus, der vermutlich im Jahr 57 nach Christus im Jerusalemer Tempel von den Römern verhaftet und wegen Unruhestiftung verklagt wurde. Gegen das folgende Todesurteil des Statthalters Festus legte der römische Bürger Paulus Berufung an den Kaiser ein, was seine Überstellung nach Rom veranlasste. Die Untersuchungen von Omerzu zum Prozess des Paulus zeigen, dass der Bericht des Lukas in wesentlichen Aspekten den zeitgenössischen rechtlichen Gegebenheiten entspricht und keineswegs in dem Maße von schriftstellerischer Freiheit zeugt, wie lange Zeit in der Forschung angenommen wurde.

Aufbauend auf ihrer bisherigen Arbeit wird die Juniorprofessur für "Neues Testament unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnisses des frühen Christentums zum Imperium Romanum" Heike Omerzu die Möglichkeit geben, ein neues, größeres Forschungsprojekt anzugehen. "Ich möchte untersuchen, inwieweit das Römische Reich die Ausbreitung und Entwicklung des Christentums beeinflusst hat", erklärt die 32-jährige Wissenschaftlerin. Sie wird den Blick auf religions- und sozialgeschichtliche Aspekte ausweiten, so etwa die Frage erörtern, unter welchen kulturellen und sozialen Bedingungen sich die christlichen Gemeinden innerhalb des Imperium Romanum, besonders in Kleinasien und Griechenland, gebildet haben, oder der Annahme nachgehen, dass Paulus sich bei seiner Mission gezielt der römischen Infrastruktur, zum Beispiel in Form römischer Kolonien und Verkehrswege, bedient hat. Als "Teilanliegen" will sich Omerzu mit der Stellung von Frauen im frühen Christentum befassen, beispielsweise vor dem Hintergrund der römischen Ehegesetzgebung.

Die berufliche Perspektive, die sich mit der Juniorprofessur bietet, sieht Heike Omerzu auch längerfristig positiv. "Die Juniorprofessur dürfte im Ausland eher anerkannt sein als eine wissenschaftliche Assistentenstelle, was für mich aufgrund meiner Ausbildung gerade mit Blick auf den englischen Sprachraum interessant ist."

Dr. Peter W. Marx

Peter Marx, 1973 in Limburg an der Lahn geboren, studierte Germanistik, Theaterwissenschaft und Publizistik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. 1997 legte er das Magisterexamen mit der Note "sehr gut" ab. Von 1997 bis 2000 war er Mitglied des Mainzer Graduiertenkollegs "Theater als Paradigma der Moderne". Ende 2000 wurde er mit der Note "summa cum laude" promoviert.

Dr. Marx hat im Alter von 29 Jahren bereits ein beachtliches wissenschaftliches Oeuvre aufzuweisen. 1998 erschien seine Magisterarbeit über Heiner Müllers "Bildbeschreibung" im Druck, weil sowohl der literaturwissenschaftliche als auch der sprachwissenschaftliche Betreuer der Meinung waren, dass die Ergebnisse nicht im Dekanatsarchiv untergehen sollten. Die Dissertation mit dem Thema "Theater und kulturelle Erinnerung. Kultursemiotische Untersuchungen zu George Tabori, Tadeusz Kantor und Rina Yerushalmi" wird im Laufe dieses Jahres im Francke-Verlag erscheinen. Sie wurde von allen Gutachtern als herausragende wissenschaftliche Leistung gewürdigt und mit dem Förderpreis der Freunde der Universität Mainz e.V. ausgezeichnet. Die Arbeit untersucht das Verhältnis von Theater und kultureller Erinnerung und zeigt, dass Theater am Ende des 20. Jahrhunderts durchaus noch als Mittel kultureller Kommunikation wirkt.

Neben Magisterarbeit und Dissertation legte Peter Marx sechs Aufsätze und einige umfangreiche Rezensionen vor, die sich thematisch auf kultursemiotische und kulturgeschichtliche Fragestellungen im Umkreis Drama und Theater sowie auf das jüdische Theater konzentrieren. Er nahm an mehreren nationalen und internationalen Kolloquien mit Vorträgen teil; war Mitorganisator des Mainzer Kongresses "Theater als Paradigma der Moderne" und organisierte eigenständig den Kongress "Bilder jüdischer Identität in den 1920er Jahren" an der JGU.

"Ohne Zweifel gehört Herr Dr. Marx aufgrund seiner fachwissenschaftlichen Leistungen zu der kleinen Zahl hoch begabter Nachwuchskräfte, von deren Arbeit neue Erkenntnisse im Bereich Theater- und der Kulturwissenschaft erwartet werden dürfen", teilte Prof. Christopher Balme, Dekan des Fachbereichs Philologie I, zu der Berufung mit. Dies gelte um so mehr, als Marx die Fähigkeit besitze, Forschungsprojekte konzentriert und zielstrebig durchzuführen. "In seinem Vortragsstil und in Fachdiskussionen versteht er es ausgezeichnet, problemorientiert zu argumentieren und die wesentlichen Aspekte einer Fragestellung anschaulich zu vermitteln. Solche Fähigkeiten kommen auch seinen Lehrveranstaltungen zugute, die von den Studierenden sehr geschätzt werden. Die Verbindung von hoher wissenschaftlicher Qualität und anregender Lehre lassen Herrn Dr. Marx als exzellenten Kandidaten für die ausgeschriebene Stelle einer Juniorprofessur erscheinen."

Marx sieht die Juniorprofessur als "eine enorme Herausforderung, aber auch große Chance". Dafür hat er ein Stipendium der Minerva-Stiftung für einen einjährigen Forschungsaufenthalt am Rosenzweig-Zentrum in Jerusalem ausgeschlagen. Die Verbindung zu Jerusalem soll nun in die Professur mit einfließen. Als Schwerpunkt hat sich Marx zunächst ein Forschungsprojekt über den Beitrag jüdischer Künstler zum deutschen Theater vorgenommen. Ferner will er sich in interdisziplinären Projekten engagieren und Netzwerke knüpfen. "Wie wird Fremdheit im Theater dargestellt? Wie wird damit umgegangen?", umreißt er eine zentrale Fragestellung seiner künftigen Arbeit.