Biochemiker entdecken Ringstruktur an Öffnung des Ionenkanals TRPML2, die von Calcium-Ionen verschlossen werden kann
19.06.2019
Ionenkanäle sind Poren in der Membran von Zellen oder Zellorganellen, die den Transport von positiv oder negativ geladenen Teilchen, sogenannten Ionen, durch diese Membranen ermöglichen. Biochemikerinnen und Biochemiker der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) haben nun erstmals einen hochaufgelösten Blick auf den menschlichen Calcium-Ionenkanal TRPML2 und die Struktur eines großen Rings geworfen, den der Kanal auf einer Seite der Membran besitzt. Dieser Ring fungiert praktisch als Türsteher und entscheidet über die Öffnung oder Schließung des Ionentransportwegs. "Wir konnten mit unserer Studie zum ersten Mal zeigen, wie die Struktur des Rings, der auch extrazelluläre/lumenale Domäne genannt wird, in menschlichem TRPML2 aussieht und dass er für die Interaktion mit Calcium verantwortlich ist", erklärt Juniorprof. Dr. Ute Hellmich vom Institut für Pharmazie und Biochemie – Therapeutische Lebenswissenschaften der JGU. Je nach pH-Wert können die Calcium-Ionen den Durchlass öffnen oder aber blockieren, sodass sie selbst nicht mehr passieren können.
Die Arbeitsgruppe um Juniorprof. Dr. Ute Hellmich ging der Frage nach, welche strukturellen Eigenschaften des Ionenkanals dafür verantwortlich sind, dass er Calcium-Ionen durchlässt. "Calcium ist ein wichtiges zelluläres Signal, das auch bei vielen Krankheiten eine Rolle spielt", so Hellmich. Das Element erfüllt zahlreiche Aufgaben im Körper, unter anderem reguliert es Enzyme und hilft bei Membranfusionen.
TRPML2, die Abkürzung steht für "Transient Receptor Potential Mucolipin", ist ein Ionenkanal der Mucolipin-Unterfamilie der TRP-Kanäle, die beim Menschen für sensorische Wahrnehmungen relevant sind. TRPML2 spielt unter anderem eine Rolle bei der Immunantwort auf Infektionen und erhöht die Infektiosität von Zika- und Dengue-Viren. Mutationen in TRPML-Ionenkanälen führen im Menschen außerdem zu Blind- und Taubheit und zu neurologischen Schäden.
pH-Wert für Aktivität des Ionenkanals entscheidend
Ionenkanäle, so macht Hellmich deutlich, sind nicht einfach nur ein Loch oder eine Pore, sondern die Kanäle öffnen und schließen sich. Dies wiederum bedingt, ob und wie zelluläre Prozesse ablaufen. "Bei TRPML2 haben wir jetzt entdeckt, dass die extrazelluläre/lumenale Domäne, die oben auf dem Kanal sitzt, in Abhängigkeit vom pH-Wert Calcium bindet", erklärt Kerstin Viet, Erstautorin der Veröffentlichung im Fachmagazin Structure. Sie hat die Untersuchungen im Rahmen ihrer Masterarbeit vorgenommen und dafür den Preis der Adolf Todt-Stiftung erhalten.
Bei einem hohen pH-Wert, also bei einem Wert von etwa 7 außerhalb der Zelle, können die Calcium-Ionen an den Ring koppeln und ihn dadurch verschließen. Umgekehrt ist es den Calcium-Ionen bei einem niedrigen pH-Wert, wie er in bestimmten intrazellulären Kompartimenten vorherrscht, nicht mehr möglich, die Öffnung zu verriegeln. "Der Ring funktioniert wie ein Türsteher für den Rest des Ionenkanals", beschreibt Viet die Aufgabe.
Damit reguliert er die Aktivität des Kanals: Der Ionenkanal soll nur im Innern der Zelle, wo ein niedriger pH-Wert vorherrscht, aktiv sein beziehungsweise dann aktiv werden, wenn ein bestimmtes Signal in der Zelle Calcium anfordert. Wäre er auch an der Zelloberfläche aktiv, so könnte es zu Zellschädigungen kommen. "Das ist recht schlau geregelt und wichtig dafür, wie die Zelle zum Beispiel auf eine virale Infektion reagiert", so Hellmich mit einem Hinweis darauf, dass der gesamte Ablauf, wann und wie ein Ionenkanal geöffnet oder geschlossen wird, insgesamt noch nicht wirklich gut verstanden ist. Bei den anderen beiden Ionenkanälen der menschlichen Mucolipin-Unterfamilie, TRPML1 und TRPML3, ist ebenfalls ein solcher Türsteher-Ring vorhanden, sodass die drei Arten nun auch erstmals miteinander verglichen werden können.
Die Darstellung der ersten strukturellen Informationen über den Ionenkanal TRPML2 erfolgte durch die Arbeitsgruppe Membranbiochemie in enger Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis von Prof. Dr. Tanja Schirmeister in der Pharmazie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz sowie mit Wissenschaftlern der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) in Grenoble und den Arbeitsgruppen von Juniorprof. Dr. Nina Morgner, Goethe-Universität Frankfurt, und Prof. Dr. Hermann Schindelin, Universität Würzburg.