Internet als Hochburg für Marken- und Produktpiraterie

Etablierte Unternehmen unterschätzen Gefahr von Produktfälschungen

31.07.2006

Zwischen 1998 und 2004 ist die Anzahl der vom Zoll beschlagnahmten Produktfälschungen um etwa 1.000 Prozent gestiegen, die tatsächliche Zahl der gefälschten Produkte wird deutlich höher geschätzt. China steht an erster Stelle der Herkunftsländer von Produktfälschungen. Marken- und Produktpiraterie war daher ein zentrales Thema beim Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Peking im Mai 2006. Eine aktuelle Studie des Center of Market-Oriented Product and Product Management (CMPP) der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) hat sich der Marken- und Produktpiraterie angenommen und Möglichkeiten zur Aufdeckung und Bekämpfung von Fälschungsaktivitäten am Beispiel von Internetauktionen eines Markenparfums untersucht.

Nahezu jede Branche ist heutzutage von Marken- oder Produktpiraterie betroffen. Während früher vor allem die Uhren-, Textil- und Parfumindustrie mit dem Problem zu kämpfen hatten, trifft es heute gleichermaßen beispielsweise auch die Pharmaindustrie oder die Automobil- und Flugzeugindustrie.

"Über den Zeitraum von einem Monat haben wir Einzelversteigerungen der Internet-Auktionsplattform Ebay beobachtet, die das Markenprodukt Davidoff Cool Water Deep 100 ml zum Verkauf anboten", erklärt Prof. Dr. Frank Huber. Dabei wurden 248 Auktionen mit insgesamt 256 Produkten ausgewertet. Das Ergebnis ist beunruhigend: 84,4 Prozent der Produkte der Stichprobe ließen sich als Fälschung identifizieren, lediglich 7 Prozent als verkäufliches Original. Die Unterschiede zwischen Original und Fälschung waren zwar teilweise minimal, aber dennoch eindeutig erkennbar, vor allem anhand äußerer Merkmale wie dem Gewicht der Flasche, dem aufgedruckten Schriftzug oder einer nicht üblichen Wölbung im Flaschenboden.

"Unternehmen müssen sich dieses gravierenden Problems bewusst werden", fordert Huber. "Das ist bereits ein erster Schritt, um gegen Marken- und Produktpiraterie erfolgreich vorzugehen." Mangelnde Qualität bei einem gefälschten Produkt kann sich möglicherweise auf die Originalmarke auswirken. Ihre Image-, Prestige- und Vertrauensfunktion wird missbraucht, das Ansehen der Marke geschädigt. Ganz abgesehen von den enormen Umsatzeinbußen, die sich für große Unternehmen ergeben.

Die Käufer der gefälschten Produkte zeigten kaum Reaktion. Nur in Einzelfällen bewerte ein geprellter Käufer den Kauf als negativ und äußerte einen Fälschungsverdacht. Etwa 99 Prozent der Bewertungen fielen jedoch positiv aus. Daher sollten Unternehmen Kommunikationsaktivitäten entwickeln, die die Kunden in der Vor- und auch in der Nachkaufphase sensibilisieren.

Viele Anbieter von gefälschten Produkten wählten Angebotsprofile, die die Rückverfolgung von Artikeln und die Beschaffung von Informationen unmöglich machen. Darüber hinaus nutzten diese Verkäufer ein privates Bewertungsprofil, wodurch andere User nicht mehr auf die Bewertungskommentare zugreifen können. Hier wären Maßnahmen von Seiten der Internetauktionsplattform wünschenswert, die mehr Transparenz zulassen.

Das Center of Market Oriented Product and Production Management (CMPP) der Johannes Gutenberg-Universität Mainz veröffentlicht Publikationen zur Gestaltung der Schnittstelle zwischen Produktion und Marketing. Ziel dabei ist es, die Chancen des technologischen Wandels zu erkennen und die daraus resultierenden Geschäftsmöglichkeiten abzuleiten. Darüber hinaus organisieren die Mitarbeiter des CMPP Weiterbildungsveranstaltungen und untersuchen auf Anfrage konkrete Fragestellungen aus der Unternehmenspraxis.