Psychologen der JGU weisen Wichtigkeit der Helligkeit für Einschätzung der Größe von Räumen nach / Farben und Kontraste spielen kaum eine Rolle
17.09.2018
Helle Wände oder Decken lassen Räume größer wirken. Welchen Farbton die Raumoberflächen haben und eventuelle Kontraste spielen dabei keine wesentliche Rolle. Zu diesen Ergebnissen sind drei Psychologen der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) mit zwei aktuellen Studien gekommen. Mit der einen Studie, die Anfang dieses Monats in der Zeitschrift PLOS ONE erschienen ist, zeigen sie, dass Räume umso breiter und tiefer wirken, je heller die maßgeblichen Wände gestrichen sind, also bei der Breite die Seitenwände und bei der Tiefe die Rückwand. Das fanden die Forscher heraus, indem sie 20 Probandinnen und Probanden mit Hilfe einer Virtual-Reality-Brille simulierte Räume zeigten. Dabei änderten sie die Helligkeit der gezeigten Wände und Decken von Weiß nach Grau und ließen jeweils die Tiefe und Breite der Räume schätzen. Bei einer im Durchschnitt geschätzten Breite von 385 Zentimetern wurden Räume mit weißen und dadurch besonders hellen Seitenwänden um 8 Zentimeter breiter eingeschätzt als Räume mit grauen Seitenwänden – und zwar weitgehend unabhängig von der Helligkeit der Decke oder der Rückwand. Ähnlich ist es bei der Tiefe der Räume: Die Rückwand wirkte weiter entfernt, wenn sie weiß statt grau dargestellt wurde – weitgehend unabhängig von der Helligkeit der Decke oder der Seitenwände. "Diese Ergebnisse sind in zweierlei Hinsicht bemerkenswert", sagt Christoph von Castell, einer der Autoren der Studie. "Erstens haben wir nun auch für Wände nachgewiesen, was für Decken bereits bekannt war: Dass sie umso weiter entfernt zu sein scheinen, je heller sie sind. Zweitens haben eventuelle Helligkeitskontraste zu den umgebenden Raumoberflächen auf dieses Phänomen kaum einen Einfluss." Letzteres stehe im Gegensatz zu einer verbreiteten Auffassung in der Architektur: "Zum Beispiel gehen manche Architekten davon aus, dass eine helle Rückwand den Raum noch tiefer wirken lässt, wenn die Seitenwände dunkler sind. Einen solchen Kontrasteffekt zeigen unsere Ergebnisse nicht", sagt von Castell.
Mit einer zweiten Studie, die im vergangenen Monat in der Online-Ausgabe der Zeitschrift Human Factors erschien, zeigen dieselben Wissenschaftler, dass die geschätzte Höhe von Raumdecken vor allem durch deren Helligkeit und nur geringfügig durch deren Farbton oder Farbsättigung beeinflusst wird. Auch dieses Ergebnis basiert auf einer Versuchsreihe mit 20 Probandinnen und Probanden, denen, ebenfalls auf einer Virtual-Reality-Brille, simulierte Räume mit unterschiedlich gefärbten Decken gezeigt wurden. Dadurch stellten von Castell und seine Kollegen Prof. Dr. Heiko Hecht und PD Dr. Daniel Oberfeld-Twistel fest, dass die Räume umso höher eingeschätzt wurden, je heller sie waren. Welchen Farbton und welche Farbsättigung die Decken hatten, spielte dabei kaum eine Rolle. "Bisher geht man in der Architektur aber stark davon aus, dass der Farbton und die Farbsättigung der Raumoberflächen Einfluss auf die Wahrnehmung von Raumgrößen haben", sagt von Castell. "Zumindest, was die Deckenhöhe betrifft, stellen unsere Ergebnisse diese Annahme nun in Frage. Entscheidend ist vor allem die Helligkeit. Wenn man einen Raum so hoch wie möglich wirken lassen möchte, sollte man die Decke weiß streichen."