Neues Forschungsprojekt untersucht Beitrag der genetischen Forschung für Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und Prävention
14.02.2005
Die Erforschung des menschlichen Erbguts kann für die Bekämpfung von Krankheiten und die Gesundheitsvorsorge der Bevölkerung von großer Bedeutung sein. Wie die Ergebnisse der Genomforschung für das Gesundheitswesen nutzbar gemacht werden könnten, untersucht ein neues Forschungsprojekt an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). Das Forschungsvorhaben "Public Health Genetics: Development, Conception, Normative Evaluation" ist Teil des Nationalen Genomforschungsnetzes und das einzige Projekt in diesem Netzwerk, das sich mit den sozialen, ethischen und rechtlichen Auswirkungen der genetischen Forschung befasst.
Das menschliche Genom, die Gesamtheit aller Gene, wurde vor wenigen Jahren entschlüsselt. Wissenschaftler fanden heraus, wie sich das Erbgut des Menschen im Einzelnen zusammensetzt. Nach heutigen Schätzungen enthält das menschliche Genom ungefähr 40.000 Gene, die aus den Einzelbausteinen, den Basen Adenin, Thymin, Guanin und Cytosin, bestehen. Auch wenn die Funktionen der einzelnen Gene noch längst nicht vollständig bekannt sind, so werden immer mehr Zusammenhänge aufgedeckt. Dass genetische Ursachen mitverantwortlich sind, wurde beispielsweise für Krebserkrankungen (etwa weiblicher Brustkrebs, Darmkrebs, Prostata-Krebs), koronare Herzerkrankungen und Bluthochdruck, Adipositas (Fettleibigkeit), Autoimmunerkrankungen, aber auch für Alltagsbeschwerden wie Migräne und Allergien nachgewiesen. Die Fortschritte der Humangenomforschung wirken sich aber auch auf das ganz grundsätzliche Verständnis von Gesundheit und Krankheit aus. So wird zwar angenommen, dass die meisten, wenn nicht alle Krankheiten durch genetische Faktoren zumindest mit bedingt sind. Allerdings wird Krankheit heute zunehmend als das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels von Umweltfaktoren, Verhaltensweisen und den genetischen Voraussetzungen verstanden.
Um die molekularen Ursachen von Erkrankungen besser zu erforschen und die krankheitsorientierte Genomforschung zu stärken, hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Jahr 2001 das Nationale Genomforschungsnetz (NGFN) auf den Weg gebracht. Damit hat das BMBF die in Deutschland vorhandene Fachkompetenz in Klinken, Universitäten, Forschungseinrichtungen und der Industrie gebündelt – rund 300 Arbeitsgruppen kooperieren in diesem Netzwerk.
Ende 2004 ist das neue Projekt "Public Health Genetics: Development, Conception, Normative Evaluation" hinzugekommen, das die Ergebnisse der Forschungsarbeiten im NGFN im Hinblick auf ihre soziale, ethische, rechtliche und gesundheitspolitische Bedeutung hin prüft. Das Projekt ist am Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz angesiedelt und steht unter der Leitung von Prof. Dr. Norbert W. Paul, dem Leiter des Instituts. Es soll zeigen, wie die Genomforschung zu einer effektiveren und effizienteren Gesundheitsversorgung in Deutschland beitragen könnte. Dabei geht es weniger um die individuelle Beratung, wenn beispielsweise in der Familie eine erbliche Belastung bekannt ist. Public Health Genetics untersucht vielmehr Nutzen und Risiko bei einer breiten Anwendung von genetischen Test- und Diagnoseverfahren und deren Beitrag zu Prävention und Gesundheitsförderung. Wird eine Erkrankung, die auch genetische Ursachen hat, bereits vor ihrem Ausbruch festgestellt, können Risikofaktoren und schädliche Umwelteinflüsse rechtzeitig verringert werden und so den Ausbruch eventuell verhindern oder zumindest hinauszögern. Gesamtgesellschaftlich ist dies gerade angesichts der Altersentwicklung und der notwendigen Rationalisierungen im Gesundheitswesen von Bedeutung.
Das Mainzer Projekt ermittelt konkret, unter welchen Voraussetzungen bestimmte Ergebnisse der genetischen Forschung in Maßnahmen zur Gesundheitsvorsorge einfließen könnten. "Unsere Bewertung orientiert sich dabei stark an den sozialen Grundwerten unserer Gesellschaft", erklärt Paul bei der Vorstellung des neuen Forschungsvorhabens in Mainz. Er zählt dazu unter anderem Gerechtigkeit, Gleichheit, Selbstbestimmung, Gesundheit und Sicherheit. Ziel sei es, so Paul, genetische Diskriminierungen unbedingt zu vermeiden. Dazu wurde ein Modell sozialer Verantwortbarkeit entwickelt, das neben den sozialen Grundwerten auch Fragen der Anwendbarkeit und Finanzierbarkeit biomedizinischer Innovation prüft. Mit diesem Forschungsvorhaben wird erstmals bei einem laufenden Großprojekt der biomedizinischen Grundlagenforschung gleichzeitig auch die aktuelle Situation analysiert, um Forschungsziele, Technologiefolgen und Entwicklungsmöglichkeiten noch im Forschungsprozess zu bewerten und anzupassen.
Die Mainzer Gruppe arbeitet hierbei eng mit anderen Bereichen des Nationalen Genomforschungsnetzes zusammen, insbesondere dem Bereich "Genetische Epidemiologie" geleitet von Prof. Dr. Max Baur aus Bonn. Enge Kooperationen bestehen auch zu den Arbeitsgruppen von Prof. Dr. Angela Brand aus Bielefeld (Schwerpunkt "Public Health"), Prof. Dr. Peter Dabrock aus Marburg (Schwerpunkt "Gerechtigkeit im Gesundheitswesen") und Prof. Dr. Ron Zimmern von der Cambridge University, UK (Schwerpunkt "Public Health Genetics").