Förderung des Verfahrens durch EU-Projekt zur Osteoporose-Prävention
03.04.2006
Osteoporose ist ein meist altersbedingter Knochenschwund und in Europa ein verbreitetes und weiterhin zunehmendes Gesundheitsproblem. Folgen der Osteoporose sind eine Zunahme von Erkrankungen infolge von Knochenbrüchen sowie eine geringere Lebensqualität der Betroffenen – verbunden mit hohen Kosten für das Gesundheitswesen. Ursache ist unter anderem ein Mangel an Kalzium, weshalb es zu einem Abbau der Knochenmasse in Verbindung mit einer Zerstörung in der Knochenarchitektur kommt und schließlich die Stabilität der Knochen insgesamt nachlässt. Wissenschaftler der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) haben in den letzten Jahren ein Verfahren entwickelt, mit dem die Ein- und Auslagerung von Kalzium in die Knochen sowie Einflüsse auf den Kalziumaustausch genauestens verfolgt werden können. Im Vergleich zu anderen Verfahren hat die Mainzer Methode den Vorteil, dass nur eine kleine, kompakte Apparatur benötigt wird.
Die Rate der osteoporosebedingten Knochenbrüche steigt in den westlichen Industrieländern rapide an. In der Europäischen Union erleidet etwa jeder achte Europäer in der Gruppe der über 50-Jährigen einen Bruch an der Wirbelsäule oder am Oberschenkelhalsknochen. Hauptbetroffene sind Frauen, insbesondere Mütter, nach der Menopause. Durch das steigende Durchschnittsalter der Risikogruppe werden die Auswirkungen dieses weltweiten Gesundheitsproblems immer stärker ausgeprägt. Zwar ist eine zuverlässige Messung der Knochendichte bereits seit mehr als 20 Jahren möglich. Eine Methode, die eine Änderung im Knochenaufbau umgehend und nicht erst nach einigen Wochen zuverlässig anzeigen würde, existierte jedoch bislang nicht. Damit könnte beispielsweise eine erfolgreiche Beeinflussung der Knochendichte durch Ernährung oder Medikamente dokumentiert werden. Dies leistet das neue am Institut für Physik in Zusammenarbeit mit dem Institut für Kernchemie entwickelte Verfahren. Es nutzt dabei das im natürlichen Kalzium vorkommende langlebige Radionuklid 41Ca.
Kalzium ist mit einem Massenanteil von etwa vier Prozent das fünfthäufigste Element in der Erdkruste. Das am häufigsten vorkommende Isotop 40Ca hat daran einen Anteil von 97 Prozent. Das radioaktive Isotop 41Ca dagegen ist in der Natur extrem selten. So besteht zum Beispiel das menschliche Skelett zu etwa 1 Kilogramm aus Kalzium, 41Ca hat daran nur einen nicht wägbaren Anteil von weniger als einem Mikrogramm. Weil es so selten vorkommt und weil es nur sehr langsam zerfällt, eignet sich 41Ca hervorragend als Substanz, um die Einlagerung und die Auslagerung von Kalzium in die Knochen über einen Zeitraum von mehreren hundert Tagen verfolgen zu können. "Mit der von uns entwickelten Methode können wir genau messen, ob Kalzium im Knochen eingebaut bzw. überproportional abgebaut wird", erläutert Dr. Klaus Wendt vom Institut für Physik.
Für die Untersuchungen wird 41Ca künstlich durch Neutronenbeschuss von 40Ca erzeugt und den Testpersonen in kleinsten Mengen verabreicht. Anhand der Kalzium-Ausscheidungen über den Urin wird dann festgestellt, wie viel 41Ca schnell ausgespült und wie viel längerfristig eingelagert wird. Nach einer schnellen Ausspülungsphase der ersten 100 bis 200 Tage sind dann über den 41Ca-Nachweis umfangreiche Untersuchungen möglich, die den Einfluss von unterschiedlicher Ernährung, wie zum Beispiel salzarm und salzreich, oder Arzneimittelgaben auf den Kalzium-Austausch ermitteln. Die Kalzium-Messungen erfolgen mit der hochauflösenden Resonanzionisations-Massenspektrometrie (RIMS), einer Kombination aus Laserspektroskopie und Massenspektrometrie. Dabei verwenden die Mainzer Physiker drei Diodenlaser, vergleichbar den Lasern in einem CD-Spieler, zur Anregung und Ionisation des zu untersuchenden Kalziumisotops, und ein kleines, kommerziell erhältliches Massenspektrometer zur Mengenbestimmung.
"Wir haben jetzt die Methode so weit entwickelt, dass wir bei den Kalzium-Messungen mit diesem Verfahren im weltweiten Vergleich einmalige Resultate erzielen", erläutert Wendt. Eine andere Methode, die Beschleunigermassenspektrometrie (AMS), liefert zwar ebenfalls gute Messergebnisse, die Apparatur ist jedoch viel aufwendiger als die RIMS-Anlage. Außerdem können mit dem Mainzer Verfahren auch kleine Probenmengen untersucht werden.
Derzeit wird die Methode auch für andere Elemente wie etwa Uran weiterentwickelt. Die Kalzium-Untersuchungen wurden durch die Unterstützung der Europäischen Union, die im 5. Forschungsrahmenprogramms ein Projekt zur Osteoporose-Prävention unter der Bezeichnung "Osteodiet" aufgelegt hatte, vorangetrieben. Kalzium-Untersuchungen sind aber nicht nur in der Biomedizin von Bedeutung. Japanische Wissenschaftler interessieren sich für das Verfahren im Hinblick auf den anstehenden Rückbau von Atomanlagen, wo sich im Beton, der etwa zu einem Drittel aus Kalzium besteht, infolge von Neutronenbestrahlung das radioaktive Isotop 41Ca bildet. Auch auf diesem Gebiet haben die Mainzer Forscher erste erfolgreiche Messungen durchgeführt. In Zukunft ist auch ein Einsatz in der Altersdatierung denkbar: "Das übliche C14-Verfahren, mit dem zum Beispiel auch das Alter des Ötzis bestimmt wurde, erlaubt eine Alterdatierung nur bis zu etwa 20.000 Jahren", so Wendt. "Mit 41Ca könnte es möglich werden, einige 100.000 Jahre in die Vergangenheit zurückzuschauen."