Erste Ergebnisse der WIMP-Suche aus XENONnT-Experiment

Mainzer Doktorand Daniel Wenz präsentiert Daten bei Seminar am Laboratori Nazionali del Gran Sasso in Italien

PRESSEMITTEILUNG DER XENON-KOLLABORATION

23.03.2023

Im Namen der XENON-Kollaboration hat Daniel Wenz, Doktorand in der Gruppe von Prof. Dr. Uwe Oberlack am Exzellencluster PRISMA+ der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), Ergebnisse des Experiments XENONnT, der neuesten Ausbaustufe des XENON-Dunkle-Materie-Projekts, am Laboratori Nazionali del Gran Sasso in Italien präsentiert. Das XENONnT-Experiment dient der direkten Suche nach Dunkler Materie in Form von schwach wechselwirkenden massereichen Teilchen, sogenannten Weakly Interacting Massive Particles (WIMPs). Mit einer anfänglichen Exposition eines aktiven Volumens an flüssigem Xenon von etwas mehr als vier Tonnen über gut drei Monate zeigte eine Blindanalyse, dass die Daten durch den verbleibenden Detektoruntergrund erklärt werden. XENONnT setzt damit neue Grenzen für die Wechselwirkung von WIMPs mit gewöhnlicher Materie. Dank des fünffach niedrigeren Hintergrunds verbesserte XENONnT die Ergebnisse des früheren Experiments XENON1T, das mit einer ähnlichen Exposition durchgeführt wurde. Die Arbeit zu dieser ersten Messreihe wurde bei der renommierten Fachzeitschrift Physical Review Letters eingereicht.

Das XENONnT-Experiment wurde für die Suche nach Teilchen der Dunklen Materie mit einer um eine Größenordnung höheren Empfindlichkeit als sein Vorgänger konzipiert. Das Herzstück des Experiments ist eine zylindrische Zweiphasen-Xenon-Zeitprojektionskammer (Time Projection Chamber / TPC) mit einer Höhe und einem Durchmesser von etwa 1,5 Metern, die mit hochreinem, flüssigem Xenon gefüllt ist und auf -95 Grad Celsius gekühlt wird. Von den insgesamt 8.600 Kilogramm Xenon, die für den Betrieb des Detektors erforderlich sind, bilden 5.900 Kilogramm Xenon das aktive Target, in dem Teilchenwechselwirkungen registriert werden. Der Detektor ist in einem Wassertank, der als Veto für Myonen und Neutronen mithilfe von Tscherenkov-Strahlung dient, tief unter der Erde im INFN Laboratori Nazionali del Gran Sasso (LNGS) in Italien installiert. XENONnT wurde zwischen Frühjahr 2020 und Frühjahr 2021 gebaut und anschließend in Betrieb genommen und nahm die nun vorgestellten ersten wissenschaftlichen Daten über 97,1 Tage auf, vom 6. Juli bis zum 10. November 2021.

Die Signatur einer WIMP-Wechselwirkung mit einem Xenon-Atom ist ein winziger Blitz von Szintillationslicht zusammen mit einer Handvoll Ionisationselektronen, die durch ein angelegtes elektrisches Feld zur Spitze der TPC geleitet werden. Hier werden sie durch ein stärkeres elektrisches Feld in gasförmiges Xenon oberhalb der Flüssigkeit extrahiert und erzeugen dort ein zweites Szintillationssignal. Beide Lichtsignale werden mit hochempfindlichen Photodetektoren erfasst, die Energie- und 3-D-Positionsinformationen für jedes einzelne Ereignis liefern.

Experimente zur Suche nach Dunkler Materie erfordern ein möglichst geringes Maß an natürlicher Radioaktivität. Diese kann sowohl aus Quellen stammen, die im flüssigen Xenon-Target selbst vorhanden sind, als auch aus Baumaterialien und der Umwelt. Ersteres wird durch das Element Radon dominiert, das ständig von den Detektormaterialien emittiert wird und nur sehr schwer zu reduzieren ist. Bei der Entwicklung von Technologien zur Senkung des Radongehalts auf ein noch nie dagewesenes Niveau hat die XENON-Kollaboration Pionierarbeit geleistet – von umfangreichen Testreihen zur Materialauswahl bis hin zur Entwicklung eines kryogenen Online-Destillationssystems, das Radon aktiv aus dem Xenon entfernt. Ein weiterer wichtiger radioaktiver Hintergrund wird durch die Neutronen verursacht, die durch die Radioaktivität der Detektormaterialien erzeugt werden. Bei XENONnT wurde ihr Einfluss durch einen neuartigen Neutronen-Veto-Detektor verringert, der im Wassertank um den Xenon-Kryostaten herum installiert ist. Mit ihm ist die Erkennung und Entfernung von Neutronen-Ereignissen möglich, die andernfalls eine WIMP-Signatur "vortäuschen" könnten. Der XENONnT-Detektor ist so empfindlich für seltene Wechselwirkungen, dass sogar Neutrinos, die am schwersten fassbaren bekannten Teilchen, im Hintergrundmodell berücksichtigt werden müssen.

"Mit dem aktuellen Ergebnis kann XENONnT bereits mit einer ersten kurzen Messung neue Grenzen für die WIMP-Wechselwirkung setzen", sagt Prof. Dr. Uwe Oberlack, der mit seiner Mainzer Arbeitsgruppe wichtige Beiträge insbesondere bei den Vetodetektoren und der Kalibrierung für die XENON-Experimente liefert. "Die Doktorarbeit von Daniel Wenz liefert einen besonderen Beitrag zur Messung der Effizienz des Neutronenvetos und der erstmaligen Kalibrierung der Kernrückstöße in der TPC mit einem koinzidenten Gammasignal im Neutronenveto. Er hat damit in besonderer Weise zum vorliegenden Ergebnis beigetragen. Nun werden wir mit XENONnT weitere Daten sammeln, mit verbesserten Detektorbedingungen und einem noch niedrigeren Hintergrundniveau aufgrund einer weiteren Verbesserung des Radonkontroll- und Online-Entfernungssystems. Unser Ziel ist es, die WIMP-Empfindlichkeit in den nächsten Jahren weiter zu erhöhen."