Erfolg beim energiesparenden Computing mit magnetischen Wirbeln

Brownsches Reservoir Computing ermöglicht, Handbewegungen mit den Bewegungen eines Skyrmions zu erkennen

16.09.2024

Wissenschaftlern der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) ist es gelungen, das Brownsche Reservoir Computing weiterzuentwickeln und einfache Gesten einer Hand auf das System zu übertragen, sodass mithilfe von Skyrmionen die einzelnen Gesten detektiert werden können. "Wir sind erstaunt, wie gut unser Hardware-Ansatz funktioniert und energieintensiven Software-Lösungen mit neuronalen Netzen überlegen ist", so Grischa Beneke vom Institut für Physik der JGU. Beneke, Mitarbeiter im Team von Prof. Dr. Mathias Kläui, konnte zusammen mit weiteren experimentellen und theoretischen Physikern zeigen, dass die Erkennung von einfachen Handbewegungen über Brownsches Reservoir Computing mit relativ hoher Genauigkeit erfolgt.

Reservoir Computing benötigt kein Training und ist daher energieeffizient

Reservoir Computing ist vergleichbar mit einem künstlichen neuronalen Netz, hat jedoch den Vorteil, dass es nicht so aufwendig trainiert werden muss, was Energie spart. "Wir müssen lediglich einen einfachen Auslesemechanismus trainieren, um das Ergebnis abzubilden“, erklärt Beneke. Wie das Reservoir genau rechnet, bleibt unklar und ist auch nicht im Detail von Bedeutung. Das System lässt sich mit einem Teich vergleichen, in den Steine geworfen werden, wodurch ein komplexes Wellenmuster entsteht. Ähnlich wie man aus den Wellen auf die Position und Anzahl der Steine schließen kann, gibt der Auslesemechanismus Hinweise auf die ursprüngliche Eingabe.

In der jetzt in Nature Communications veröffentlichte Arbeit wurden einfache Handbewegungen ausgeführt – die Hand winkt beispielsweise nach links oder nach rechts – und über ein Doppler-Radar aufgezeichnet. Dies erfolgte in Zusammenarbeit mit Infineon. Die Radardaten werden dann in Spannung konvertiert und an das Reservoir angelegt, in diesem Fall ein mehrschichtiges Dünnschichtsystem in Dreiecksform, das an den Ecken mit Kontakten versehen ist. Die Spannung wird an zwei Kontaktstellen angelegt, worauf sich das Skyrmion auf dem Dreieck bewegt. "Wir beobachten komplexe Bewegungen als Reaktion auf das gegebene Signal", beschreibt Grischa Beneke das Resultat. "Anhand der Bewegung des Skyrmions können wir rückschließen, welche Bewegung die Radaraufnahme erfasst hat." Skyrmionen sind magnetische Wirbel, denen großes Potenzial für nicht-konventionelle Rechengeräte oder als Informationsträger in neuartigen Datenspeichern eingeräumt wird. "Skyrmionen überraschen mich immer wieder. Zuerst haben wir sie nur für Datenspeicher in Betracht gezogen, aber jetzt zeigen sich auch Anwendungsmöglichkeiten für Computing in Kombination mit Sensorik", ergänzt Prof. Dr. Mathias Kläui, der die Forschung leitet.

Ein Vergleich des Brownschen Reservoir Computing mit einem Software-Ansatz zeigt, dass die Genauigkeit bei der Erkennung der Gesten vergleichbar oder sogar höher ist. Die Kombination von Reservoir Computing mit Brownschem Computing bietet den Vorteil, dass die Skyrmionen zufällige Bewegungen aufweisen, wodurch lokale Unterschiede in den magnetischen Eigenschaften weniger Einfluss auf das Verhalten der Skyrmionen haben. Dadurch können Skyrmionen, entgegen ihren üblichen Eigenschaften, mit nur geringem Strom bewegt werden. Dies führt zu einer deutlich höheren Energieeffizienz im Vergleich zum Software-Ansatz. Da die Daten des Doppler-Radars und die Eigendynamik des Reservoirs auf vergleichbaren Zeitskalen basieren, ist eine direkte Einspeisung der Sensordaten in das Reservoir möglich. Dabei können die Zeitskalen des Systems an andere Probleme angepasst werden.

"Wir haben festgestellt, dass die Radardaten verschiedener Handgesten in unserem Hardware-Reservoir mit einer Genauigkeit erkannt werden, die mindestens so gut ist wie bei einem modernen, softwarebasierten neuronalen Netzwerkansatz", heißt es im Fachartikel in Nature Communications. Beneke sieht eine Verbesserungsmöglichkeit im Ausleseprozess, der bisher mit einem magnetooptischen Kerr-Mikroskop durchgeführt wurde. Mit einem magnetischen Tunnelkontakt könnte die gesamte Installation weiter verkleinert werden. Bereits jetzt werden die Signale magnetischer Tunnelkontakte emuliert, um die Kapazität des Reservoirs zu demonstrieren.

Erfolgreiche internationale Zusammenarbeit beim Prototyp wird weiter fortgesetzt

Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Mathias Kläui hatte im November 2022 erstmals über Erfolge beim Brownschen Reservoir Computing berichtet. In Kooperation mit Prof. Dr. Johan Mentink von der niederländischen Radboud-Universität Nijmegen war es gelungen, einen Prototyp zu entwickeln, der die beiden Computing-Methoden verbindet. An der jetzt veröffentlichten Arbeit war außerdem der Chiphersteller Infineon Technologies beteiligt. Unterstützt wurden die Arbeiten durch den Sonderforschungsbereich/Transregio 173 "Spin+X – Spin in its collective environment", den Profilbereich "TopDyn – Dynamics and Topology" der JGU und durch die Carl-Zeiss-Stiftung im Projekt "Emergent Algorithmic Intelligence" sowie durch die Europäische Union im Rahmen des ERC Synergy Grants 3D MAGiC und des Projekts NIMFEIA. Kläui erwartet für das Brownsche Reservoir Computing in Zukunft weitere Entwicklungen gerade auch in Zusammenarbeit mit Industriepartnern, die realistische Problemstellungen einbringen.