ERC Advanced Grant für Maarten Boonekamp in Zusammenarbeit mit Jens Erler und Frank Maas

Neue Physik der Paritätsverletzung: Vom Thomson-Limit zur Energiegrenze / Förderung in Höhe von 3,2 Millionen Euro

11.04.2024

Ein Konsortium um Prof. Dr. Maarten Boonekamp von der Universität Paris-Saclay als Sprecher, und die Mainzer Wissenschaftler Prof. Dr. Jens Erler und Prof. Dr. Frank Maas hat im April 2024 einen ERC Advanced Grant für das Projekt "Zeptometry" erhalten. Dieses Projekt zielt darauf ab, neue Präzisionsmessungen bei höchsten Energien am LHC am CERN mit anspruchsvollen neuen Präzisionsmessungen bei sehr niedrigen Energien mit dem kommenden MESA-Beschleuniger in Mainz in Verbindung mit der theoretischen Interpretation der experimentellen Ergebnisse zu kombinieren. Die Förderung ist der Untersuchung der Wechselwirkungen zwischen dem Z-Boson und den Fermionen – also den Quarks und Leptonen, die die gewöhnliche Materie ausmachen – gewidmet, wofür das bevorstehende Experiment P2 Elektronenbeschleuniger MESA der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) von entscheidender Bedeutung sein wird.

Verbesserte experimentelle Präzision zur Erforschung höherer Energieregime

Die Theorie der Teilchenphysik, das sogenannte Standardmodell, beschreibt erfolgreich die Grundbausteine der Materie und die Kräfte, die zwischen ihnen wirken. Die Astronomie des Universums auf sehr großen Skalen zeigt jedoch, dass das Standardmodell der Teilchenphysik nur etwa 15 Prozent der Gesamtmasse des Universums erklärt. Das derzeitige Verständnis der Teilchenphysik auf den kleinsten Skalen der Natur muss auf neue, noch unbekannte Kräfte und Teilchen jenseits des Standardmodells ausgedehnt werden. An dieser Stelle kommt das neue Projekt "Zeptometry" ins Spiel.

In Ermangelung direkter Beobachtungen neuer Teilchen an Collidern wie dem LHC am europäischen Kernforschungszentrum CERN in Genf wird es immer wichtiger, die Parameter des Standardsmodells mit höchstmöglicher Präzision zu bestimmen, da neue Teilchen und Kräfte deren Werte und die Energieabhängigkeit durch Quanteneffekte verändern würden. Die Existenz vieler neu entdeckter Teilchen war schon lange vor ihrer direkten Beobachtung durch Quantenkorrekturen und Präzisionsmessungen bei hohen Energien bekannt: Prominente Beispiele sind das W- und Z-Boson, das Top-Quark, das Tau-Neutrino und seit Kurzem auch das Higgs-Boson.

Das Projekt "Zeptometry" wird Daten aus dem LHC, dem Hochenergiebeschleuniger am CERN, mit den Niedrigenergiedaten des P2-Experiments am Mainzer Elektronenbeschleuniger MESA in einem innovativen und interdisziplinären Ansatz kombinieren. "Dieser ERC Advanced Grant unterstreicht die Bedeutung der anspruchsvollen Messungen des P2-Experiments am neuen Hochintensitäts-Elektronenbeschleuniger MESA auf dem Campus der JGU. Die Kombination mit den LHC-Daten wird die Existenz neuer Teilchen bis hinunter zu mikroskopischen Längenskalen von einem Zeptometer untersuchen", erklärt Prof. Dr. Frank Maas. "In Mainz werden auch gezielte theoretische Entwicklungen durchgeführt, die eine optimale Interpretation der Ergebnisse ermöglichen. Die Kombination von Ergebnissen aus extremen Energiebereichen, aus verschiedenen Forschungsgebieten und von ansonsten unabhängigen experimentellen und theoretischen Gemeinschaften ist neu und innovativ. Sie wird helfen, die Optionen für zukünftige Collider-Projekte zu bewerten."

ERC Advanced Grant stärkt Zusammenarbeit zwischen Saclay und Mainz

ERC Advanced Grants werden an herausragende Forscherinnen und Forscher vergeben, um ihnen die Arbeit an Projekten zu ermöglichen, die aufgrund ihres innovativen Ansatzes als hoch spekulativ gelten, aber gerade deshalb den Zugang zu neuen Ansätzen im entsprechenden Forschungsgebiet eröffnen können. Für die Förderung kommen nur Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Frage, die bereits bedeutende Durchbrüche erzielt haben und seit mindestens zehn Jahren erfolgreich auf internationalem Spitzenniveau arbeiten. Die einzigen Kriterien, die bei der Vergabe von ERC-Förderungen berücksichtigt werden, sind die akademische Exzellenz der jeweiligen Forschenden und die Art der Forschungsprojekte. Ein ERC-Grant stellt somit auch eine wichtige Anerkennung der Leistungen der Forschenden dar.

Prof. Dr. Maarten Boonekamp, Teilchenphysiker am Institut de recherche sur les lois fondamentales de l’Univers (IRFU), CEA, der Universität Paris-Saclay, leitet das Team, das die Eigenschaften von W- und Z-Bosonen mit dem ATLAS-Detektor am LHC untersucht. Er ist Experte für die Phänomenologie des Standardmodells und für die Kalibrierung der Kalorimeter und Detektoren für geladene Teilchen, aus denen das ATLAS-Experiment besteht. Vom 2021 bis 2023 war er Gastwissenschaftler am Helmholtz-Institut Mainz (HIM), einer Außenstelle des GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung (GSI) in Darmstadt, und des Exzellenzclusters PRISMA+ an der JGU. Er ist auch Mitglied der P2-Experiment-Kollaboration.

Prof. Dr. Frank Maas ist Initiator und Sprecher des P2-Experiments, das derzeit am MESA-Beschleuniger auf dem Campus der Johannes Gutenberg-Universität Mainz aufgebaut wird. Seit 2007 ist er leitender Wissenschaftler am GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung und ordentlicher Professor an der JGU, wo er als Principal Investigator am Exzellenzcluster PRISMA+ in Mainz tätig ist. Er war Gründungsdirektor des Helmholtz-Instituts Mainz und stand diesem zehn Jahre lang als Direktor vor. Als Projektleiter des P2-Experiments bei MESA leitete er die vorbereitende Forschung und Entwicklung für das P2-Konzept und die Detektoren im Rahmen des Exzellenzclusters PRISMA+.

Prof. Dr. Jens Erler ist weltweiter Experte für die Phänomenologie und theoretische Interpretation von Präzisionsexperimenten. Er ist Herausgeber des entsprechenden Kapitels über schwache Wechselwirkungen in der Particle Data Group (PDG). Von der renommierten Universität UNAM in Mexiko kommend, wurde er im Januar 2021 auf eine PRISMA-Professur für Präzisionsberechnungen für Niederenergieexperimente berufen, nachdem er mehrere Jahre mit Kollegen in Mainz zusammengearbeitet hatte. Er arbeitet hauptsächlich an den theoretischen Grundlagen für die Interpretation der experimentellen P2-Ergebnisse.

Das P2-Experiment wird im Rahmen der deutschen Forschungsgroßgeräte-Initiative finanziert. Weitere Entwicklungsarbeiten an P2 wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Helmholtz-Gemeinschaft im Rahmen des Helmholtz Exzellenz-Netzwerks gefördert. Mit zusätzlichen Mitteln aus dem Programm "Zeptometry" wird der Bau des Rückstreudetektors der Beschleunigeranlage MESA unterstützt, der die Genauigkeit der Messungen deutlich erhöht.