Neue Labor-Methode könnte wichtige Fragen der fundamentalen Kern- und Teilchenphysik beantworten
03.09.2020
Der erfolgreiche Antrag von Dr. Dionysis Antypas zielt darauf ab, durch Messung der atomaren Paritätsverletzung (APV) in verschiedenen Isotopen eines Elements eine neuartige Plattform für fundamentale Tests in der Kern- und Teilchenphysik zu schaffen. Der Europäische Forschungsrat (European Research Council – ERC) unterstützt das Projekt mit dem Namen "YbFUN", wobei Yb für das Seltenerdmetall Ytterbium steht, mit einem ERC Starting Grant in Höhe von 1,46 Millionen Euro. Es wird in den kommenden fünf Jahren an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) realisiert.
Dass die Gesetze der Natur in unserer Welt und in der Spiegelwelt gleich sind, also die Parität erhalten bleibt, galt in der Physik für Jahrzehnte als gegeben – bis in die späten 1950er-Jahre. In der Welt der kleinsten Teilchen, genauer in der Welt der schwachen Wechselwirkung, wurde damals eine Verletzung dieses Prinzips entdeckt. Seitdem erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Effekte der sogenannten Paritätsverletzung. Physiker des Exzellenzclusters PRISMA+ der JGU und des Helmholtz-Instituts Mainz (HIM) nehmen insbesondere die Paritätsverletzung bei Ytterbium-Atomen mit unterschiedlicher Neutronenzahl im Kern, also unterschiedlichen Isotopen dieses Elements, unter die Lupe.
Bereits im Jahr 2018 haben sie hier einen großen Erfolg erzielt, wie Dr. Dionysis Antypas schildert: "Von sieben Ytterbium-Isotopen haben wir eine Kette von vier Isotopen ausgewählt und fanden die Erwartungen, die auf dem Standardmodell der Teilchenphysik beruhen, bestätigt: Je mehr Neutronen der Kern enthält, desto größer ist der Effekt der Paritätsverletzung." Die Untersuchungen erfolgten mit einem Aufbau am HIM. Ytterbium-Atome wurden in Gegenwart eines elektrischen und eines magnetischen Felds mit Laserlicht angeregt und die Amplitude der Paritätsverletzung gemessen.
Neue Methode öffnet Blick auf die Auswirkungen der schwachen Wechselwirkung
Die vielversprechenden Ergebnisse – damals prominent publiziert in Nature Physics – haben Dr. Dionysis Antypas motiviert, das Projekt im Sinne des nun gestellten Antrags weiterzuverfolgen: "Wir werden die bestehenden Ansätze zur Untersuchung der isotopenabhängigen APV-Variation wesentlich erweitern. So wollen wir die Methode als leistungsfähiges Werkzeug an der interdisziplinären Schnittstelle zwischen Atom-, Kern- und Teilchenphysik etablieren, um die atomaren Effekte der schwachen Wechselwirkung mit nie dagewesener Genauigkeit zu messen. Eine solche Plattform wäre dann komplementär zu Hochenergie-Physikexperimenten in großen Beschleunigeranlagen."
Konkret ist der Vergleich des APV-Effekts in verschiedenen Isotopen derselben Atomspezies zum Beispiel ein empfindliches Instrument zur Untersuchung der Verteilung von Neutronen im Kern. Diese wiederum ist eng mit der Struktur und Größe von Neutronensternen verbunden. Denn: Obwohl neutronenreiche Kernmaterie, wie etwa der Yb-Kern (mit einer Größe von etwa 1 Femtometer oder 10 bis 15 Metern) und ein Neutronenstern (mit einer Größe von etwa 10 Kilometern), extreme Größenunterschiede aufweisen, werden sie doch durch die gleichen physikalischen Modelle beschrieben.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben im Rahmen ihrer früheren Messungen auch Informationen über ein zusätzliches Z-Boson vorgelegt. Z-Bosonen vermitteln die schwache Wechselwirkung und es wird in der Fachwelt darüber spekuliert, ob es noch ein weiteres Z-Boson, bezeichnet als "Z prime" oder Z', dessen Masse viel geringer als die des bekannten Z-Bosons ist, gibt oder nicht. Die neue Testplattform, die im Rahmen von YbFUN etabliert werden soll, ist deshalb auch eine Sonde für solche potentiellen zusätzlichen Vektorbosonen, die über das Standardmodell der Teilchenphysik hinausgehen. Schließlich ist die Untersuchung von Kernspin-abhängigen Beiträgen zum APV-Effekt in Isotopen mit Kernspin eine empfindliche Methode, um die schwache Wechselwirkung zwischen den Nukleonen des Ytterbiumkerns zu studieren, die derzeit kaum verstanden sind.
Dr. Dionysis Antypas wurde 1981 in Kefalonia in Griechenland, geboren. Er studierte Physik an der Aristoteles-Universität von Thessaloniki und promovierte 2013 an der Purdue University in den USA in Physik. Im Anschluss an seine Promotion wechselte er 2014 in die Gruppe von Prof. Dr. Dmitry Budker in der Sektion Materie-Antimaterie am Helmholtz-Institut Mainz, wo er sich als Postdoc auf die Durchführung von Vorstudien zur Paritätsverletzung in Ytterbium konzentrierte. Der ERC Starting Grant ermöglicht ihm auch die Einrichtung einer Arbeitsgruppe.
Der ERC Starting Grant ist eine der höchstdotierten Fördermaßnahmen der EU, die an junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vergeben wird. ERC Starting Grants unterstützen herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Anfang ihrer Karriere, wenn sie ihr eigenes Forschungsteam oder Forschungsprogramm aufbauen. Zusätzlich zur wissenschaftlichen Exzellenz müssen die Antragstellerinnen und Antragsteller den bahnbrechenden Ansatz ihres Projekts und seine Machbarkeit nachweisen, um die Förderung zu erhalten.